Bei Mendelssohn wird die Musik zur Nebensache gemacht

Grafenegg, Festival-Eröffnung 2023  Wolkenturm Grafenegg, 11. August 2023

Foto: Grafenegg Eröffnung 2023

Wolkenturm Grafenegg, 11. August 2023

Richard Strauss: „Till Eulenspiegels lustige Streiche“, Tondichtung op. 28 (1895)

Felix Mendelssohn Bartholdy: „Ein Sommernachtstraum“, Schauspielmusik für Sprecher, Soli, Chor und Orchester op. 61

Nikola Hillebrand – Sopran
Patricia Nolz – Mezzosopran

Cornelius Obonya – Sprecher

Damen des Wiener Singvereins (Chorleitung: Johannes Prinz)
Tonkünstler-Orchester Niederösterreich
Dirigent: Yutaka Sado

Carolin Pienkos – Regie & Textfassung

von Herbert Hiess

Die Festivaleröffnung des Grafenegger Sommers 2023 wurde dieses Mal mit einem spektakulären Projekt inszeniert; es wurde Felix Mendelssohn Bartholdys großartige Schauspielmusik zu Shakespeares Komödie „Ein Sommernachtstraum“ als visuelle Installation mit einem begnadeten Schauspieler aufs Podium gebracht.

Angekündigt wurde dieses visuelle Schauspiel als mit Lichteffekten bereichertes Konzert. In Wirklichkeit hingen zwölf Monitore von der Decke des Wolkenturms und projizierten teils das Gesicht des Schauspielers Cornelius Obonya und teilweise schöne Naturaufnahmen. Es ist anzunehmen, dass die Konzertbesucher ihre Blicke auf die Ausführenden richteten, deshalb rückten diese Bilder in den Hintergrund.

Viel interessanter war die Leistung des großartigen Cornelius Obonyas, der es meisterhaft verstand, die etwas langatmigen Texte herüberzubringen. Phänomenal, was für ein Tonspektrum seine Stimme hat.

Ob er den Elfenkönig Oberon darstellt, den Hofnarren und Zauberer Puck, die streitsüchtige Titania – jede Figur bekommt bei ihm eine eigene Färbung, eine eigene Diktion. Unvergesslich auch das Gestottere vom Puck, das Obonya wunderbar darbot.

Die Leistung von Cornelius Obonya war so unglaublich, dass letztlich die musikalische Seite komplett unterging. Auch wenn mit dem Sopran Nikola Hillebrand und dem Mezzo Patricia Nolz zwei ordentliche Sängerinnen am Podium standen und die Damen vom Wiener Singverein ihre Aufgabe gut machten; die Tonkünstler unter Yutaka Sado konnten Mendelssohns musikalische Intention absolut nicht rüberbringen. Viele unscharfe Einsätze und vor allem die unausgewogene Akustik beeinträchtigten gröblich Mendelssohns musikalische Darstellung der Elfen, der Rüpel usw.

Da die Akustik des Wolkenturms sehr bläserlastig (vor allem der Blechbläser) ist, gingen schon bei einem Mezzoforte die Streicher unter. Gerade Mendelssohns heikle Instrumentierung (flirrende Streicher gegenüber der Basstuba) sind da für die Musiker und dem Dirigenten eine ordentliche Herausforderung.

Natürlich bei den voll instrumentierten Passagen (vor allem beim „Hochzeitsmarsch“) konnte das Orchester zu Recht Applaus kassieren; aber die leisen Streicherpassagen oder das berühmte „andante tranquillo“ mit der wunderschönen Hornpassage waren dann leider nicht mehr so interessant.

Vor der Pause gab es Richard Strauss „Till Eulenspiegel“, wo natürlich auch die heikle Akustik zeitweise die Balance störte. Hier konnten die Tonkünstler trotzdem so richtig brillieren, obwohl auch da manche Einsätze recht unscharf waren.

Dem Publikum dürfte das nicht aufgefallen sein; es schien nach den 20 Minuten Strauss von dem abrupten Ende so überrascht, dass obwohl das Orchester schon in die Pause ging, die Zuhörer noch immer auf ihren Plätzen sitzen blieben.

Um ein kurzes Resumée der letzten Konzerte in Grafenegg zu ziehen – die Tonkünstler unter Sado waren insgesamt gesehen schon besser drauf; auch bei der Sommernachtsgala 2023 konnten sie stellenweise nicht wirklich überzeugen. Warten wir ab, was da die Zukunft bringen wird!

Herbert Hiess, 12. August 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert