Foto: Elim Chan © Rahi Rezvani
Insgesamt ein gelungener Saisonabschluss des Gürzenich-Orchesters
Kölner Philharmonie, 18. Juni 2023
Jacques Offenbach (1819-1880) – Ouvertüre zu Orphée aux enfers
Igor Strawinsky (1882-1971) – Der Feuervogel, Suite für Orchester (1910/1919)
Sergej Rachmaninow (1873-1943) – Sinfonische Tänze op. 45
Gürzenich-Orchester Köln
Elim Chan, Dirigentin
von Brian Cooper, Bonn
Noch unter dem Eindruck des fantastischen Chopin-Rezitals von Jan Lisiecki am Sonntagabend, programmatisch klug und äußerst reizvoll zusammengestellt, nur leider von Teilen des Publikums – einer Minderheit – bis ins Groteske zerhustet, versuche ich, die Eindrücke der Gürzenich-Matinee desselben Tages in Erinnerung zu rufen, dabei vor allem das, was in puncto Konzertpublikum ein wenig Hoffnung macht auf die Zukunft dieser so schönen Einrichtung Livekonzert.
Da ist zuvorderst die erfreuliche Tatsache, dass sehr viele Kinder anwesend waren. Und die waren offenbar von ihren Eltern gut vorbereitet worden, verhielten sich still und größtenteils aufmerksam. Familienkonzert eben. Einmal mehr war es eher die Boomergeneration, die durch stumpfes Filmen, Fotografieren und Getuschel für Unruhe sorgte. Ja, Ihr habt den Can-Can am Ende der Offenbach-Ouvertüre wiedererkannt. Das ist toll, ich gratuliere. Aber das könntet Ihr doch wirklich Eurer Sitznachbarin auch fünf Minuten später, beim Applaus, mitteilen…
Nun aber zur Musik. Es ist immer ein wenig unfair, mit dem Wörtchen „leider“ zu hantieren, wenn man ein gutes „Ersatzkonzert“ erlebt hat. Aber Dmitrij Kitajenko ist eben eine absolute Gürzenich-Legende, Ehrendirigent, das Orchester liebt ihn, nach allem, was man so mitbekommt, und auch das ursprüngliche Programm (Rachmaninows 2. Klavierkonzert mit Lilya Zilberstein sowie Schostakowitschs Fünfte) versprach, ein absoluter Hammer für Fans russischer Musik zu werden.
Ganz leer gingen diese nicht aus, denn immerhin gab es unter der Leitung von Einspringerin Elim Chan, die ich nun endlich auch einmal erleben durfte, die Feuervogel-Suite von 1919 sowie Rachmaninows Sinfonische Tänze.
Elim Chan, die gerade nach fünf Jahren ihren Vertrag in Antwerpen gekündigt hat (Mitte 2024 erfolgt die Trennung), wird auch in der kommenden Saison Konzerte mit dem Gürzenich-Orchester geben, übrigens u.a. auch mit russischen Werken. Auf Dmitrij Kitajenko wird man noch warten müssen. Wünschen wir ihm an dieser Stelle rasche Genesung.
Beim Offenbach zu Beginn, dem kölschen Jung, wollte die rossinihafte Champagnerlaune noch nicht ganz aufkommen. Das perlte noch nicht ganz perfekt, war eher ein gefälliger Moët denn Winzerchampagner, trotz hervorragender Soli von Klarinette, Oboe, Cello, Flöte und von Konzertmeister Torsten Janicke, einem Urgestein des inzwischen stark verjüngten Gürzenich-Orchesters. Ein Urgestein ist auch der hervorragende Pianist und Dauergast Paulo Álvares.
Erst im Walzerteil, die ein wenig an die irische Melodie The Last Rose of Summer erinnert, wurde die Leichtigkeit gefunden, die diese Musik so charmant macht. Und der besagte Can-Can sorgte natürlich für Stimmung im Saal.
Gleich acht Bässe grundierten wunderbar den geheimnisvollen Beginn der Feuervogel-Suite, in der einmal mehr das Holz (Oboe, Fagott!) brillierte. Toll gelangen hier insbesondere die Überleitungen zur Danse infernale und zur Berceuse. Das war von Elim Chan hörbar gut geprobt worden. Die H-Dur-Apotheose, auf die jeder wartet, wurde vom Solohornisten schön eingeleitet.
Erst nach der Pause allerdings kam das Gefühl von „Triumph“, so das unveränderte Motto des Konzerts, so richtig auf. Rachmaninows letztes Werk, die Sinfonischen Tänze op. 45, war der Höhepunkt des Konzerts. Im ersten Satz war Christine Petersens Altsaxophon-Solo von Wärme und Eindringlichkeit geprägt. Das sordinierte Blech im tänzerischen zweiten Satz, sowie einmal mehr das Solo des Oboisten Tom Owen, bleiben in Erinnerung.
Im dritten und letzten Tanz läutete das Xylophon das Dies irae geradezu spielerisch ein. Der Knochenmann, der uns alle irgendwann abholen wird, scheint hier wenig bedrohlich. Grandios das kurze Solo der Bassklarinette. Elim Chan, deren energetischer Dirigierstil an den jungen Andris Nelsons erinnert (weniger wäre mehr? Aber es liegt mitnichten am Rezensenten, Vorschläge zu machen), demonstriert hier absolute Kontrolle, und das Orchester folgt auf dem Fuß. Manche Stellen sind langsamer, als man es gewohnt ist, aber genau das das sorgt für eine schöne Transparenz.
Wunderbar, wie sie den Gong am Schluss ausklingen lässt. Die ein, zwei Applaudierenden verstummen sofort. Man möchte unbedingt wissen, wie Elim Chan den Schluss der 11. Sinfonie von Schostakowitsch dirigieren würde. Und hier schließt sich der Kreis zu Kitajenko. Hören wir kurz in die Capriccio-Aufnahme mit dem Gürzenich-Orchester rein: Dmitrij Kitajenko lässt tatsächlich die Glocken ausschwingen, wie Rostropowitsch in seiner LSO-Aufnahme: So soll es sein!
Dr. Brian Cooper, 19. Juni 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Chamber Orchestra of Europe, Herbert Blomstedt, Dirigent Kölner Philharmonie, 24. Mai 2023