Katharina Wincors Dirigat ist definitiv der Höhepunkt des Premierenabends!

Hans Werner Henze (1926-2012), Die Englische Katze  Cuvilliés-Theater, München 5. November 2025

Die englische Katze, Minette – Seonwoo Lee und Tom – Armand Rabot © G. Schied

Meine Mitthiere ersehen aus meiner traurigen Geschichte, wie wir durch unseren vertrauten Umgang mit den Menschen alle Laster und alle schlechten Einrichtungen derselben annehmen. Ich kann deshalb nichts Besseres rathen, als dafür wir zu dem wilden Leben zurückkehren, in welchem wir nur dem Instinkte gehorchen und keine Gebräuche kennen, welche den heiligsten Trieben der Natur zuwiderlaufen.

Honoré de Balzac,  Herzensleiden einer englischen Katze

Hans Werner Henze (1926-2012)
DIE ENGLISCHE KATZE

Eine Geschichte für Sänger und Instrumentalisten in zwei Akten (1983)

Musikalische Leitung  Katharina Wincor

Inszenierung  Christiane Lutz
Bühne  Christian Andre Tabakoff
Kostüme  Dorothee Joisten
Licht  Benedikt Zehm
Dramaturgie  Olaf Roth

Cuvilliés-Theater, München 5. November 2025

von Getong Feng

Am 5. November 2025 feierte Hans Werner Henzes komische Oper Die Englische Katze, die 1983 im Schlosstheater Schwetzingen uraufgeführt wurde, im Cuvilliés-Theater eine neue Inszenierung. Diese Oper gehört zu den weltweit nur sehr selten aufgeführten Werken. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts gab es in Deutschland insgesamt nur vier Inszenierungen. Ihre letzte Premiere fand vor neun Jahren am 26. November 2016 an der Staatsoper Hannover statt; die letzte Aufführung von Die Englische Katze am Staatstheater am Gärtnerplatz in München liegt sogar schon 25 Jahre zurück. Aus dieser Perspektive hat die Bayerische Staatsoper nun ein lange vergessenes Opernschatzstück wiederentdeckt und als erste Opernproduktion der Spielzeit 25/26 dem Publikum präsentiert.

Im Bewusstsein der meisten Musikliebhaber wird bei der Erwähnung von The English Cat in der Musiktheaterwelt oft als Erstes das Musical Cats von Andrew Lloyd Webber genannt. Dieses basiert auf T. S. Eliots Gedichtsammlung Old Possum’s Book of Practical Cats, feierte 1981 in London Premiere und zählt zu den erfolgreichsten Musicals der Geschichte. Besonders bekannt ist das Lied Memory, gesungen von Grizabella, der ehemaligen Glamour-Katze, die nun nur noch ein Schatten ihres früheren Ichs ist.

In Henzes Oper Die Englische Katze wird eine andere Geschichte erzählt. Das Libretto  stammt von dem englischen Theaterautor Edward Bond nach der Erzählung Peines de cœur d’une chatte anglaise (Herzensleiden einer englischen Katze) von Honoré de Balzac. Die Fabel zeichnet das Porträt einer moralisch verkommenen Katzengesellschaft, in der vor allem nur das Geld zählt.

Handlung: Die Katzengesellschaft „KGSR (Königliche Gesellschaft zum Schutz der Ratten)“ versammelt sich bei Mrs. Halifax, um über Lord Puffs Heirat zu beraten, die für seine Präsidentschaft nötig ist. Minette, die junge Landkatze, zögert, Puff zu heiraten, und trifft auf dem Dach den streunenden Kater Tom, in den sie sich verliebt. Arnold versucht, Puff zu vergiften und verrät das Treffen, doch Puff bleibt unbeeindruckt, und die Hochzeit wird schließlich vollzogen.

Die Englische Katze, Ensemble © G. Schied

Lady Puff lebt als vornehme Dame, kann Tom aber nicht vergessen, der aus der Armee desertiert und mit Minette beim Skandal der KGSR ertappt wird. Trotz Scheidung und Toms Anerkennung als reicher Erbe will Mrs. Halifax Minette töten, und Tom wird von der KGSR hinterrücks ermordet, sein Erbe fällt den Rattenschützern zu. Der Mord wird als Selbstmord deklariert, Toms Geist nimmt Abschied von Minette, und die Maus Louise verlässt enttäuscht die Gesellschaft, um ein neues Leben zu beginnen.

Nach Gian Carlo Menottis Der Konsul und Ambroise Thomas’ Mignon präsentiert Regisseurin Christiane Lutz ihre dritte Regiearbeit für die Bayerische Staatsoper. Die Regisseurin hat diese Oper in einer eher traditionellen, klassischen Weise inszeniert. Insgesamt ist die Umsetzung solide und sorgfältig, doch in der Regie fehlen noch einige markante Akzente. Das Libretto basiert auf einer Fabel. Eine böses Märchen wird erzählt, das immer wieder auch sarkastische Komik entwickelt. Auf der Bühne wurde das „Katzen“-Motiv allerdings nur auf einer eher oberflächlichen Ebene mit der Handlung verknüpft, wodurch die allegorische Dimension des Textes nicht vollständig zur Geltung kommt. Außerdem enthält das Libretto viele humorvolle Dialoge, die noch stärker hätten genutzt werden können, um den Witz und die theatralische Lebendigkeit der Geschichte hervorzuheben.

Die Musik von Die Englische Katze zeichnet sich durch einen sehr besonderen Stil aus. Der Komponist zeigt durch die Musik seine unerschöpfliche Phantasie. Vor allem spielt Henze virtuos mit einer ganzen Reihe von Formen aus der Geschichte der Operngattung: von barocken Strukturen über Mozarts Da-Ponte-Opern bis hin zu Strawinsky. Außerdem wollte Henze mit diesem Werk eine Volksoper für das 20. Jahrhundert schreiben. Großen Wert legt Henze deshalb auf die Verständlichkeit seiner Musik. Den einzelnen Figuren werden obligate Instrumente zugeordnet, die sofort widerzuerkennen sind.

Bei Lord Puff klingt stets die Hausorgel auf, sein Neffe Arnold erhält sein Klangbild durch das Heckelphon, Mr. Jones ist klanglich mit der Kontrabassklarinette verbunden, Minettes zarte Empfindsamkeit spiegelt sich in Zither und Geigen wider, während die Maus Louise in ihrem Zirpen von einer Altblockflöte umspielt wird. Das ist eine herausfordernde Aufgabe! Die 30-jährige junge österreichische Dirigentin Katharina Wincor debütierte an der Bayerischen Staatsoper und leitete das Bayerisches Staatsorchester mit großer Präzision. Ihr Dirigat zeichnete sich durch Klarheit und Exaktheit aus, zugleich offenbarte sie ein für ihr Alter erstaunlich tiefes musikalisches Verständnis. Ihr Dirigat war definitiv der Höhepunkt des Premierenabends!

Die Englische Katze, Ensemble © G. Schied

Mit Die Englische Katze präsentierte die Bayerische Staatsoper die nächste Generation von Sänger:innen des Opernstudios als erste Spielzeitpremiere. Zu den eindrucksvollsten Leistungen des Abends gehörten der Tenor Michael Butler als Lord Puff und der Bariton Armand Rabot in der Partie des Tom. Das Publikum spendete den jungen Opernstars begeisterten Applaus.

Getong Feng, München, 6. November 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Hans Werner Henze, Die englische Katze Cuvilliés-Theater, München, 5. November 2025

Thomas Larcher, Das Jagdgewehr Cuvilliés-Theater, München, 2. Mai 2025

Lucrezia und Der Mond Cuvilliés-Theater, München, 24. April 2024

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