Wenn Tasten hüpfen, hüpft das Herz

Heiteres in der Corona-Zeit: Gute-Laune-Tipps für Klassik-Fans – Teil 2  klassik-begeistert.de

Heiteres in der Corona-Zeit: Gute-Laune-Tipps für Klassik-Fans – Teil 2

von Reinhard Berger

Wie viel wiegt eigentlich eine Beethoven-Sinfonie? Zwei Pfund? Zehn Kilo oder gar einen Zentner? Manche Leute sagen, klassische Musik sei schwere Musik. Dieses Vorurteil werde ich widerlegen und Ihnen die Leichtigkeit, die Fröhlichkeit, die Unbekümmertheit der Musik nahebringen. Aus meinem Klassikarchiv habe ich Heiteres ausgesucht, das die Seele streichelt und in den harten Zeiten der Coronakrise Optimismus verbreitet.

Flotte Wanderung

Das Wandern ist des Müllers Lust, jawohl! Viertes Schuljahr, Wandertag ist angesagt. Haben Sie die Melodie schon im Kopf? Vergessen Sie’s. Was der Starpianist Evgeny Kissin anbietet, hat mit der Wanderschnulze nichts zu tun. Er macht das Lied von Franz Schubert zu einem wilden Ritt durch den Dschungel der 88 Klaviertasten. Verursacher des hörbaren Frohsinns ist Franz Liszt, der das Schubert-Lied bearbeitet und mit allerlei Raffinessen ausgestattet hat. Und wenn Sie hinterher Ihre Wanderschuhe gegen eine Musikanlage eintauschen wollen, haben die beiden Komponisten alles richtig gemacht.

Evgeny Kissin, Schubert, Schubert-Liszt, Liszt, RCA Red Seal, 2004

Zack, zack!

Das soll ein Militärmarsch sein? Jawohl, für Klavier. Zu vier Händen. Franz Schuberts zackige Hymne im Viervierteltakt wurde ein Hit, auch als Arrangement für Orchester und Militärkapellen. Das Original aber verlangte zwei Klavierspieler und vier Hände – bis Carl Tausig, der polnische Pianist und Komponist, kam und daraus einen Kraftakt für einen Spieler und somit zwei Hände bastelte. Ein Fall für Profis. Meine Lieblingsversion ist die von Vladimir Horowitz, jenem Altmeister, der berühmt wurde, weil er seinen Steinway zum Singen brachte. Sogar beim Marsch.

Vladimir Horowitz, The Studie Recordings – New York 1985, Deutsche Grammophon 1986.

Galopp!

Bravo für dieses Bravourstück! Der „Grand Galop chromatique“ aus dem Jahr 1838 war eine der Lieblingszugaben von Franz Liszt, dem König, ach was, dem Kaiser der Tasten. Und dann kam Lang Lang, der chinesische Superpianist, und knöpfte sich diesen rasenden Hit aus dem 19. Jahrhundert vor. Wenn der heute 37-Jährige mit seinen Zauberfingern loslegt, dann hüpfen das Herz und die Tasten. Gute Laune ohne Reue!

Lang Lang, Liszt –My Piano Hero, Sony Classical, 2011.

Wutanfall

Beethoven konnte auch anders. Der Superstar aus Bonn, der so liebliche Klänge wie die Szene am Bach in seiner Sinfonie „Pastorale“ geschrieben hat, war gern mal richtig wütend. Emotional und musikalisch. Die harmlose Bezeichnung Rondo a capriccio G-Dur, op. 129 entpuppt sich unter dem Titel „Die Wut über den verlorenen Groschen“ als ein Virtuosenstück, das von den Großen der Pianistenzunft oft als rasender Ausbruch dargeboten wird. Ludwig musste fürchterlich in Rage gewesen sein, sonst wäre dieses Rondo nie entstanden. Der Titel übrigens stammt von seinem Sekretär Anton Schindler.

Mein Favorit: Beethoven – Ugorski, Sonate op. 111, 6 Bagatellen, Für Elise. Anatol Ugorski, Deutsche Grammophon 1991.

Hüpfende Perlen

Welch ein Marathon des Frohsinns und der Virtuosität! Carl Maria von Weber, Cousin von Mozarts Frau Constanze, verdonnert in seinem Klarinettenkonzert Nr. 1 f-Moll den Solisten zum Dauersprint. Ich kenne nur eine Frau, die aus diesen Noten hüpfende Perlen macht, so präzise, dass mir die Spucke wegbleibt: Die sagenhafte Sabine Meyer, einst Soloklarinettistin unter Karajan, später Professorin an der Musikhochschule Lübeck und weltweit gefragte Solistin.

Carl Maria von Weber: Klarinettenkonzert Nr. 1 f-Moll, op. 73, Sabine Meyer, Staatskapelle Dresden, Herbert Blomstedt, EMI Classics 1986.

Alle Angaben beziehen auf CDs. Manche Stücke sind auch bei YouTube zu hören und mit unterschiedlichen Interpreten als Downloads erhältlich.

Reinhard Berger, 4. Mai 2020, für
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(c) HNA

Allerleikeiten: Reinhard Berger, geboren 1951 in Kassel, Journalist, Buchautor, Hunde- und Hirnbesitzer.
Vergänglichkeiten: Vor dem Ruhestand leitender Redakteur der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA).
Herzlichkeiten: verheiratet, zwei Söhne, zwei Schwiegertöchter, drei Enkel, ein Rottweiler.
Anhänglichkeiten: Bach, Beethoven, Bergers Nanne (Ehefrau).
Auffälligkeiten: Vorliebe für Loriot, Nietzsche, Fußball, Steinwayflügel, Harley-Davidson.
Öffentlichkeiten: Schlauberger-Satireshow, Kleinkunstbühne.
Alltäglichkeiten:Lebt auf einem ehemaligen Bauernhof.


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Reinhard Berger

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