Lohengrin © Michael Pöhn / Wiener Staatsoper / Camilla Nylund
Richard Wagner Lohengrin
Romantische Oper in drei Akten
Besetzung: Klaus Florian Vogt, Günther Groissböck, Camilla Nylund, Jordan Shanhan, Anja Kampe, Attila Mokus
Regie: Jossi Wieler/Sergio Morabito
Chor und Orchester der Wiener Staatsoper
Dirigent: Christian Thielemann
Wiener Staatsoper, 1. Mai 2025
von Herbert Hiess
Diese Lohengrin-Serie ist die letzte der inoffiziellen Christian Thielemann-Festtage an der Wiener Staatsoper. Nach „Palestrina“ und der fabelhaften „Arabella“ ist diese „Lohengrin“-Serie der Abschluss für längere Zeit am Wiener Opernhaus. Das gibt Anlass über die Besetzungspolitik, nicht nur am Wiener Haus, sondern international generell nachzudenken.
Manchmal bekommt man das Gefühl, dass die Künstleragenturen die Besetzungen bestimmen, was für die Intendanten der bequemste Weg zu sein scheint. Damit kommt eine „Beipackmethode“ zum Tragen. Das bedeutet: Willst du einen namhaften Dirigenten oder Sänger, musst du eventuell einige „Anfänger“ mitbuchen.
Was für den Intendanten bequem zu sein scheint, ist für Publikum und die Orchestermusiker im schlimmsten Falle sogar eine Missachtung. Da dirigiert beispielsweise in der Wiener Staatsoper mit den Wiener Philharmonikern, eines der besten Orchester der Welt, ein Dirigent mit weniger Erfahrung – das künstlerische Ergebnis ist dann leider oft allzu dürftig.
Begeisterten früher die Intendanten mit den bedeutendsten Dirigenten und Sängern, „brilliert“ man heute immer öfter mit Regisseuren. Diese fahren kunstvoll (bis auf wenige Ausnahmen) mit aller Vehemenz die Standardwerke an die Wand. Wie soll man Opernanfängern dann erklären, was eine „Zauberflöte“ bedeutet, wenn dieses Werk dann bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt ist?

Die Künstler auf der Bühne und die Musiker und Musikerinnen im Orchestergraben fühlen sich dabei oft nicht wohl.
Mich wundert es, dass sich prominente Künstler nicht öfters dazu äußern und offen ihren Protest einlegen.
Nun zur aktuellen „Lohengrin“-Serie, die leider für längere Zeit einen Abschied des grandiosen Maestros Christian Thielemann an der Wiener Staatsoper bedeutet.
Thielemann zauberte mit dem Orchester und einem etwas uneinheitlichen Sängerensemble trotzdem eine Art Sternstunde, die man sich merken wird!
Obwohl man dem Orchester (vor allen den Holzbläsern) mehr Präzision gewünscht hätte, was vor allem bei Elsas Gesang „Euch Lüften“ im zweiten Akt manchmal irritierend vernehmbar war.

Dafür waren die Streicherkantilenen vor allem beim Duett Elsa-Ortrud im gleichen Akt und vor allem im Duett in der Brautkammer (Elsa-Lohengrin) mehr als bedrückend. Gesanglich uneinheitlich, weil der Heerrufer Attila Mokus etwas schwächelte und Telramund Jordan Shanahan stimmlich absolut nicht zu Anja Kampe als Ortrud passte. Sein Bariton ist zwar schön anzuhören – aber absolut nicht dämonisch, wie er es in dieser Rolle sein sollte. Leider auch das gleiche bei Anja Kampe; ihrer eindrucksvollen Stimme geht dieses Dämonische ebenso ab. Das Duett „Du wilde Seherin“ im zweiten Akt war absolut nicht so furchterregend, wie es sein sollte.
Natürlich spielte die einfältige und pseudomoderne Regie des Duos Wieler/Morabito dabei eine erhebliche Rolle. Ein paar starke Momente wurden rasch wieder durch unsinnige Gags zunichte gemacht.

Ich hatte diese Produktion schon in Salzburg 2022 erlebt (Richard Wagner, Lohengrin, Osterfestspiele Salzburg 2022, Großes Festspielhaus, 18. April 2022 – Klassik begeistert) und war daher schon seelisch darauf vorbereitet. Da ist es am besten, man blendet die für sich unpassende regiemäßige Umsetzung aus und konzentriert sich auf die Musik.

Und das war dank Thielemann und vor allem dank Klaus Florian Vogt wiederum ein grandioses Erlebnis. Über Thielemann habe ich schon genug erzählt; über Vogt kann man sagen, dass er eine Lehrstunde über Interpretation an diesem Abend geliefert hat.
Wie in der besten Form des Liedgesanges ist er ein Meister der sprachlichen Diktion; in Punkto Aussprache könnten sich die deutschsprachigen Günther Groissböck und vor allem Anja Kampe einiges abschauen. Vogt sang die anspruchsvolle Rolle so klar und deutlich, dass man jedes Wort mitschreiben hätte können.
Mit seiner klaren und hellen Tenorstimme war schon der Eingangsgesang im Hintergrund „Nun sei bedankt, mein lieber Schwan“ ein mehr als berührendes Erlebnis. Da saß jede Note, jede Verzierung. Besser konnte man es sich nicht wünschen. Und in der Gralserzählung „alljährlich naht vom Himmel eine Taube“ das Pianissimo auf dem Wort „Taube“ hatte einen extrem hohen Tränenfaktor.

Thielemann und Vogt zauberten an diesem Abend eine teilweise Sternstunde; schade, dass das Orchester und die anderen Solisten nur gelegentlich mithielten.
Abschließend kann ich nur sagen, dass eine Opernsternstunde nach einem entsprechend sehr guten Dirigenten verlangt. Nur ein solcher kann das Orchester zu Höchstleistungen motivieren – und ohne bestem Orchester gelingt eine gute Opernaufführung nicht.
Daher an die Intendanz eine Bitte: Zeigt eure organisatorischen Fähigkeiten beim Engagement der Dirigenten und nicht (nur) bei den Regisseuren. Diese sind bei den szenischen Umsetzungen oft mehr ein Störfaktor als ein Gewinn!
Herbert Hiess, 3. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Wagner, Lohengrin, Christian Thielemann Wiener Staatsoper, 5. Mai 2024
Herbert hört hin 4: Serge Prokofjew „Die Verlobung im Kloster“ Theater an der Wien, 28. März 2025
Herbert hört hin 3 klassik-begeistert.de, 16. Februar 2025, Wiener Konzerthaus und Musikverein Wien