Bellinis „I Capuleti e i Montecchi“ feiert einen umjubelten Einstand in der Staatsoper Hannover

Vincenzo Bellini, I Capuleti e i Montecchi  Staatsoper Hannover, 11. November 2023 PREMIERE 

Foto © Sandra Then    

Nach einer gelungenen Saisonöffnung mit einer Neuinszenierung des Parsifals (klassik-begeistert berichtete am 25. September) wartete die Staatsoper Hannover vergangenes Wochenende mit Bellinis „I Capuleti e i Montecchi“ auf.  Dabei deutete Regisseur Michael Talke Bellinis Erfolgsoper als Allegorie auf die Sehnsucht nach einer besseren Welt in Zeiten von Krieg und Unordnung. Auch wenn die Inszenierung nicht vollständig überzeugen konnte, feierte die Produktion, nicht zuletzt wegen des überzeugenden Sängerensembles, einen umjubelten Einstand.

„I Capuleti e i Montecchi“
Vincenzo Bellini

Staatsoper Hannover, 11. November 2023   Premiere

von Lukas Baake

Noch bevor der erste Ton aus dem Orchestergraben erklang, eröffnete sich den Zuschauern ein  sorgfältig komponiertes Bild auf der Bühne. Inmitten von Mauerfragmenten und Trümmern standen drei Personen in monochromer, historisierender Kleidung. Das regungslose Verharren der Figuren eröffnete ein Gruppenbild mit Dame im Stile holländischer Meister oder des spanischen Siglo de Oro, das zugleich einen markanten Kontrast zu der düsteren und vernarbten Trümmerlandschaft bot.

Unterstrichen wurde diese Gegenüberstellung von der durchgängigen Präsenz eines Gemäldes auf der linken Bühnenhälfte, auf dem Harmonie und Ordnung in Form von Jan Brueghels Paradiesdarstellung zu sehen waren. Regisseur Michael Talk Griff in den Fundus der europäischen Kunstgeschichte war ein wiederkehrender Begleiter, der als kontrastreiches Versatzstück vor dem Hintergrund des Konflikts zwischen den verfeindeten Clans der Capuleti und Montecchi fungierte. Die Grundidee mag vielleicht bestechen, aber über die zwei Akte verteilt wirkte das Bühnenbild statisch und unförmig. Auch die wiederkehrenden, überdimensionierten und verfremdet dargestellten Ausschnitte aus Brueghels Werk, die sich immer wieder in den Hintergrund schoben, mochten zwar das in der Musik angelegte utopische Moment einzufangen, wirkten jedoch oft deplatziert und fügten sich nur schwergängig in den dramatischen Handlungsverlauf ein.

Foto © Sandra Then

Nach der erfolglosen Premier seiner Oper Zaira bedeutete die Adaption des Romeo-und-Julia-Stoffs den entscheidende Durchbruch für den frühvollendeten Bellini. Die umjubelte Premiere in Venedig 1830 enthielt bereits die charakteristischen Mischung aus vollendeter Melodieführung und eingängiger Orchesterbegleitung der nachfolgenden Meisterwerke.

Insofern ist eine sorgfältig musizierte Oper Bellinis auch heute noch ein Garant für langanhaltende Jubelrufe des Publikums. Diesen Anspruch konnte das Orchester unter Leitung von Andrea Sanguineti trotz anfänglicher Koordinierungsprobleme und blassen Solopassagen der Bläser erfüllen. Sanguinetis umsichtiges Dirigat ließ nicht nur die funkenschlagenden Streicher des Staatsorchesters glänzen, sondern bereite einen warmen Samtteppich für das gefeierte Sängerensemble aus.

Foto © Sandra Then

Die amerikanische Sopranistin Meredith Wohlgemuth überzeugte als Giulietta mit einer makellosen Technik und einem klaren, strahlenden Sopran, der auch in den Höhen nicht an Kraft verlor und sich unnachahmlich in die Partien ihrer Kollegen einfügte. Diese Stärke war besonders deutlich in den Duetten mit dem Mezzosopran von Nina van Essen,  deren kraftvolles und dunkles Timbre ideal für die Hosenrolle des Romeos war. Die Kombination beider Stimmen machte die Duette, die zwischen Liebesrausch und Todesahnung changieren, zu den berückendsten Momenten des Abends.

Ebenso überzeugen konnten der bewegliche Bass von Markus Shuikonen in der Rolle des Lorenzos und Marco Lees elegante Interpretation des schneidigen Tebaldo. Schließlich gab Jakub Szmidts Bass der Darstellung des Capellio als hochdekorierten Militärführer die nötige Gravitas und Autorität. Abgerundet wurde diese formidable Leistung des jungen Ensembles mit einem gelungen Auftritt des Staatsopernchors.

Die vereinzelten Buhrufe beim Auftritt des Regieteams konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Staatsoper Hannover erneut eine sehenswerte Neuproduktion gelungen ist. Der langanhaltende Schlussapplaus war nicht nur Ausdruck hoher Anerkennung für das herausragende Sängerensemble, sondern auch Beweis für einen gelungenen Premierabend.

Lukas Baake, 16. November, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Besetzung: 

Dirigent               Andrea Sanguineti
Inszenierung    Michael Talke
Bühne                  Thilo Reuther
Kostüme            Agathe MacQueen
Capellio              Jakub Szmidt
Giulietta            Meredith Wohlgemuth
Romeo               Nina van Essen
Tebaldo            Marco Lee
Lorenzo           Markus Shuikonen

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