In Düsseldorf sind die Dämonen los

#IGNITION-Reihe  Tonhalle Düsseldorf, 12. November 2024

ignition © Susanne Diesner

Tonhalle Düsseldorf, 12. November 2024

Düsseldorfer Symphoniker
Gordon Hamilton, Dirigent

Go Shiina – Musik aus dem Anime „Demon Slayer“ (2019)
Igor Strawinsky – Ausschnitte aus der Suite zu „Der Feuervogel“(1911)
Gordon Hamilton – Variationen zu „Kamado Tanjiro No Uta“ – Uraufführung

Dmitri Schostakowitsch – Sinfonie Nr. 5 (4. Satz) (1937)
John Williams – Suite aus Jaws (1975) & Thema von Jurassic Park (1993)
Howard Shore – „Die Brücke von Khazad Dûm“ aus „Der Herr der Ringe“ (2001)
Claude Debussy – Prélude à l’après-midi d’un faune (1894)
Kohei Tanaka – I’m becoming the pirate king (1999)

von Daniel Janz

Man stelle sich vor, ein Bruder muss erkennen, dass seine Schwester in Folge eines Fluchs zur Dämonin verzaubert wurde. Man stelle sich weiter vor, dass dieser Bruder Mitglied einer Dämonen jagenden Schwertgilde ist.
Diese Zerrissenheit zwischen Pflichterfüllung und Suche nach Heilung ist es, die der Anime „Demon Slayer“ zum Thema macht. Damit stellt sich dieser auch als ideales Material für ein Konzert dar. So jedenfalls die Überzeugung von Gordon Hamilton (42), australischer Dirigent und Komponist, der diesen Abend aus der #IGNITION-Reihe ganz im Zeichen von Dämonen gestaltet und damit auch diesmal wieder einen vollen Saal begrüßen kann.

Musikalisch ist der Titelträger des Abends am schwächsten

Auch wenn sie abwechslungsreich ist, so weiß die Musik zu „Demon Slayer“ nicht so recht, was sie sein will. Insgesamt 4 Tracks zum gleichnamigen Anime bringt Gordon Hamilton heute zur Aufführung, von denen „Demon Slayer Corps“ mit drängenden Rhythmen und starken Trommelsoli der Ergreifendste ist. Die von Trompete und Horn übermittelte Heroik dieses Tracks geht an den anderen Teilen jedoch verloren.

ignition © Susanne Diesner

Das Hauptthema beispielsweise, mit dem der Konzertabend beginnt, fließt getragen von Klavier und Streichern aus Flöte und Klarinette. Das Thema von Nezuko, einer der Hauptfiguren aus dem Anime, spinnt die blumigen Klänge durch Harfen-, Flöten- und Oboenspiel weiter. Und in „Gurenge“ tanzt das Glockenspiel. Das alles ist äußerst filigran, Kampf und Zerrissenheit spürt man aber kaum. Stattdessen überwiegen gefühlsbetonte Klänge mit Hang zum Kitsch, was irgendwann zu viel wird. Was im Anime funktioniert, eignet sich manchmal vielleicht nur bedingt für ein Konzert?

Offensichtlich wird das bei Gordon Hamiltons Neukomposition zum Thema von „Demon Slayer“. In dieser Uraufführung werden auch die konzeptuellen Probleme von Variationszyklen als „rein musikalische Schöpfungen“ deutlich. Zwar beginnt es imposant mit Blechfanfaren und auch Flöten, Klarinette, Harfe und die Celli fallen positiv auf. Trotz dieser guten Ansätze ergreift dieses Werk in Summe aber wenig.

ignition © Susanne Diesner

Denn für einen nachhaltigen Eindruckt wiederholt sich das seichte Hauptthema naturgemäß nicht nur zu oft, sondern mündet auch in allzu abstrakten Formen. Als Hamilton die einzelnen Noten beispielsweise stückweise unterschiedlichen Bläsern zuordnet und das Ganze dadurch regelrecht zerhackt, wirkt das eher befremdlich. Auch die hohen Streicher zum Blech erzeugen einen (zu großen?) Stimmungskontrast. Das gleicht auch der – für Hamiltons typische – pathetische Schluss nicht mehr aus.

Schostakowitsch verunsichert, Strawinsky und Debussy lassen aufhören

Trotz dieses (übrigens vom Publikum nicht bemängelten) Mankos im Hauptakt ist hier ein interessantes Programm gelungen. Der vierte Satz aus Schostakowitschs 5. Sinfonie sowie Strawinskys Feuervogel reihen sich zumindest konzeptuell gut in die Geschichte um Dämonen und ihre Gegner ein. Schostakowitsch bleibt jedoch zu zahm, was wohl auch an der kleinen Streicherbesetzung (nur 4 Kontrabässe!) liegt. Ohne den größeren Bogen der kompletten Sinfonie fallen auch die kompositorischen Schwächen dieses Satzes stärker auf, wozu Hamilton selber eingesteht: „Da ist fast zu viel D-Dur“ – „alle klatschen Stalin zu und keiner will der Erste sein, der aufhört.“

ignition © Susanne Diesner

In Richtung Höhepunkt weisen stattdessen Strawinskys Feuervogel und Debussys „Prélude à l’après-midi d’un faune“. Zwar erklingen vom Feuervogel nur der „danse infernale“ sowie der hymnisch endende Abschluss. Diese bestechen aber durch ihre feurigen Rhythmen sowie das wunderbar von Fagott und Oboe getragene Wiegenlied, bevor das Horn mit Ansatz zum Gänsehautmoment ins Finale einleitet. Und auch Debussys Musik gliedert sich ideal in die von Sensibilität getragene Grundstimmung des Abends ein. Gerade die Holzbläser zu flirrenden Streichern verzücken hier. Obwohl hervorragend gespielt, fehlt bis hierher aber noch das große Spektakel.

Am Ende müssen John Williams und Howard Shore es richten

Das ändert sich in den beiden von John Williams stammenden Kompositionen. Zu „Jaws“ stampfen Streicher und Schlagzeug bedrohlich auf. Da spürt man beim Zuhören die ständig in Dunkelheit lauernde Gefahr des menschenfressenden weißen Hais. Und in „Jurassic Park“ siegt der Zauber über die längst ausgestorbenen Urzeitriesen. Getragen von den prächtig spielenden Hörnern und dem brillierenden Solo der Trompeten wird dies zum Höhepunkt des Abends. Und als wäre das noch nicht genug der archaischen Gewalt, lassen die Musiker mit der „Brücke von Khazad Dûm“ aus dem „Herr der Ringe“-Epos ein wahres Feuerwerk losbrechen. Das hat richtig Kraft!

ignition © Susanne Diesner

Als besonderen Leckerbissen schiebt Gordon Hamilton diesen Highlights dann „I’m becoming the pirate king“ von Kohei Tanaka aus dem Anime „One Piece“ hinterher. Den Rezensenten beeindruckt dieses kurze Werk zwar kaum, obwohl er den Anime kennt – dazu klingt es doch arg generisch und glanzlos. Das Publikum ist allerdings so sehr aus dem Häuschen, dass Dirigent und Orchester es nach langen, stehenden Ovationen sogar noch einmal wiederholen. Nun gut – Rezensent und Publikum müssen nicht immer einer Meinung sein. Was zählt ist, dass Musik bewegt. Und nach Meinung der jubelnden Menge ist dies auch heute wieder grandios gelungen.

Daniel Janz, 14. November 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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