Avi Avital: „Eine Mandoline oder Ukulele sollte zu Hause stets griffbereit sein“

Interview: kb im Gespräch mit Avi Avital, Teil I  klassik-begeistert.de, 8. Juli 2025

Avi Avital © Harald Hoffmann

Das klassik-begeistert-Mandolinen-Special mit Avi Avital (Teil 1)

Der Siegeszug der Mandoline geht weiter. Am 12. Juli 2025 kommt in Rendsburg, beim Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF), ein Konzert für Mandoline und Orchester zur Uraufführung, das Fazıl Say eigens für den israelischen Musiker Avi Avital komponiert hat. Doch Avi Avital und seine Mandoline können viel mehr. Wir haben über Freaks, ein Chamäleon, Zwischenwelten, einen hypothetischen Ukulele-Zwischenfall und den Unterschied zwischen Band-Leader und Dirigent gesprochen.

Jörn Schmidt im Gespräch mit Avi Avital

klassik-begeistert: Sind Sie nicht Avi Avital, der Mann mit der Ukulele…? Wenn Sie so jemand auf dem Flughafen anspricht, muss dann die Security einschreiten? Weil Ihnen die Hutschnur platzt…

Avi Avital: [lacht] Ganz und gar nicht. Es ist nichts Schlimmes dabei, eine Ukulele zu spielen. Beide Instrumente verbindet etwas ganz Wichtiges. Gerade heute, wo viel diskutiert wird, wie man junge Menschen für Musik begeistert… Es sind äußerst unkomplizierte Instrumente, die Kinder unwiderstehlich dazu einladen, das erste Mal ein Instrument in die Hand zu nehmen. Eine Mandoline oder Ukulele sollte daher zu Hause stets  griffbereit sein.

klassik-begeistert: Prima, dann kann ich ja gleich noch eine forsche Frage stellen.

Avi Avital: [guckt sichtbar irritiert]

klassik-begeistert: Sie lieben die Mandoline also, weil sie in Quinten gestimmt und somit einfach zu erlernen ist?

Avi Avital: Eine Saite das erste Mal spielerisch zupfend zum Klingen zu bringen, hat etwas Ursprüngliches. Aufgrund dieser fast schon archaischen Erfahrung habe ich mich mit acht Jahren in mein Instrument verliebt. Dass ich schnell gemerkt habe, wie vielseitig eine Mandoline ist, hat die Liebe wachsen lassen.

klassik-begeistert: Wie nur haben Sie es geschafft, damit eine Weltkarriere zu starten? Sozusagen aus dem Nichts, denn vor Ihnen war die Mandoline eher etwas für Freaks…

Avi Avital: Einen solchen Masterplan gab es nicht. Musiker zu sein, ist mehr Lifestyle als Beruf. Ich habe mich auch nicht als Kämpfer oder Anwalt für die Mandoline gesehen. Ich wollte Musik machen! Nachdem ich mich entschieden hatte,  Berufsmusiker zu werden, führte dann eins zum anderen…

Avi Avital © Harald Hoffmann

klassik-begeistert: So einfach war das sicher nicht.

Avi Avital: Sie können sich meine damalige Situation so vorstellen, als ob Sie Morgen in der Carnegie Hall mit Ihrer Ukulele auftreten wollten. Da rennen Sie keine offenen Türen ein… Der Druck, ausgerechnet mit einer Mandoline mein Leben zu bestreiten, hat mich in eine Art Überlebensmodus versetzt. Ich bin nicht müde geworden zu zeigen, welch faszinierendes Potential in der Mandoline steckt. Wie sehr man Menschen damit begeistern kann. Am Ende hat sich die Qualität durchgesetzt.

klassik-begeistert: Ich nehme an, Stradivari hat keine Mandoline gebaut?

Avi Avital: Da irren Sie sich aber gewaltig! Wir wissen von zwei Stradivari-Mandolinen, die noch erhalten sind. Mir ist es bislang leider nicht vergönnt gewesen, diese zu spielen.

klassik-begeistert: Gibt es Hoffnung?

Avi Avital: Aktuell habe ich noch keine konkreten Pläne, aber vielleicht wäre es interessant, eine Aufnahme mit diesen Instrumenten zu machen. Man muss dabei aber immer bedenken, dass sich die Mandoline seit Stradivari immens weiterentwickelt hat – mein reguläres Repertoire könnte ich auf den historischen Instrumenten kaum spielen.

klassik-begeistert: Warum gab es bislang keinerlei Originalkompositionen für Solomandoline und groß besetztes sinfonisches Orchester?

Avi Avital: Das liegt in der Historie des Instruments begründet. Mandolinen, wie sie im Barock gebaut wurden, waren einfach zu leise, um sich gegen ein großes Orchester durchzusetzen. Mit einer Stradivari könnte ich die nächste Uraufführung nicht bestehen. Ich würde hoffnungslos untergehen… Darum spiele ich eine moderne Mandoline, die in Tel Aviv nach meinen Anforderungen gebaut wurde.

klassik-begeistert: Also ist ein Mandolinenbauer nicht so eingeschränkt, was die Gestaltung des Instruments betrifft, wie zum Beispiel ein Geigenbauer? Auch ein Kontrabass und eine Harfe sehen seit Jahrhunderten mehr oder weniger gleich aus…

Avi Avital © Harald Hoffmann

Avi Avital: Richtig. Das ist übrigens ein weiterer Aspekt, den die Mandoline als Saloninstrument anderen Instrumenten voraus hat. Es gibt eine regelrechte Evolution des Mandolinenbaus, was viele  Innovationen zugelassen hat. So dass man heutzutage eine Mandoline genau so professionell spielen  kann wie eine Geige.

klassik-begeistert: Wie haben Sie Fazil Say überzeugen können, ausgerechnet für die Mandoline zu komponieren?

© Daniel Dittus

Avi Avital: Im Grunde so, wie ich alle Komponisten anspreche. Ich gebe Ihnen Zeit, die Mandoline, und wie ich sie spiele, zu verstehen. So ein Auftrag soll beiden Freude bereiten, Komponist und Künstler…

klassik-begeistert: Als Komponist verbindet man Say zuvörderst mit seiner ersten Sinfonie, auch  Istanbul-Sinfonie genannt. Ein klangliches Porträt der Kulturmetropole am Bosporus. Voller dynamischer Kontraste, Epochen und Stimmungen. Hat Say sich bei dem Mandolinen-Konzert der gleichen Klangsprache bedient?

Avi Avital: Fazıl Say hat wie jeder Komponist seine eigene Klangsprache, aber innerhalb dieses Rahmens können sich die Akzente verschieben. Mal mehr orientalische Einflüsse, eine andere Komposition hat vielleicht kräftigere Wurzeln in der Volksmusik.

klassik-begeistert: Ich sehe, Sie wollen nicht spoilern

Avi Avital Between Worlds Ensemble © Daniel Dittus

Avi Avital: [lächelt schelmisch] Nun, ich habe Fazil gebeten, sich in seinem Werk mit der folkloristischen Historie der Mandoline zu befassen. Das ist hervorragend gelungen, wir beide lieben zum Beispiel Volksmusik aus dem Balkan. Man merkt dem Werk an, dass Fazıl mein Instrument und wie ich es spiele, sehr gut verstanden hat.

klassik-begeistert: Bis dato waren Mandolinisten auf Transkriptionen angewiesen, auch in Rendsburg eröffnen Sie mit einem Arrangement von Johann Sebastian Bachs Cembalokonzert d-Moll BWV 1052.Gibt die Mandoline dem Konzert eine andere Richtung? Vielleicht weniger deutsch?

Avi Avital: Ich würde eher sagen, dass manche Cembalowerke Bachs ihren Ursprung in Kompositionen für Streicher hatten und umgekehrt. Die Mandoline vereint beide Welten und macht die großen melodischen Bögen gleich einer Violine hörbar. Und adaptiert gleichzeitig die besondere Rhythmik des Cembalo-Spiels. Kein anderes Instrument kann das!

klassik-begeistert: Zwingt Says Komposition Sie, Ihre Mandoline wie ein Klavier klingen zu lassen?

Avi Avital Between Worlds Ensemble © Peter Adamik

Avi Avital: Wenn meine Mandoline immer nur wie eine Mandoline klingen würde, dann wäre ich kein guter Künstler.  So gesehen zwingt mich Fazıls Werk, immer neue Wege zu finden, mich mit der Mandoline auszudrücken. Sozusagen millionenfach… ob ein Klavier dabei ist? Kommen Sie bitte zur Uraufführung und hören Sie selber.

klassik-begeistert: Sehr gerne…Herzlichen Dank für das Gespräch!

Jörn Schmidt, 8. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Den zweiten und letzten Teil unseres Interviews mit Avi Avital
lesen Sie Mittwoch, 9. Juli 2025, hier auf klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at.

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