„Durch eine Flucht in den Wald habe ich meine Eltern dazu gezwungen, mir zu erlauben, eine Schule im Ausland zu besuchen"

Interview: kb im Gespräch mit dem polnischen Cellisten Krzysztof Michalski  klassik-begeistert.de, 11. November 2025

Krzysztof Michalski © Konrad Mika

Krzysztof Michalski (geb. 2003 in Tarnobrzeg, Polen) ist Preisträger mehrerer internationaler Wettbewerbe. Zuletzt gewann er den 2. Preis beim ARD-Cellowettbewerb in München sowie den Preis für die beste Interpretation eines Auftragswerkes (2024). Von 2019-2021 lernte er Cellospielen an der internationalen Musica Mundi Schule in Waterloo, die er mit der höchsten Auszeichnung „summa cum laude“ abschloss. Derzeit absolviert er sein Masterstudium am Conservatoire National Supérieur de Musique et de Danse in Paris in der Klasse von Edgar Moreau und Cyril Lacrouts.

Als Solist hat Krzysztof bereits mit führenden Orchestern in Polen, Deutschland und Kolumbien zusammengearbeitet, wie dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Münchner Rundfunkorchester und dem Polish National Radio Symphony Orchestra (NOSPR). Als Kammermusiker trat er mit den Geigern Renaud Capuçon und Christian Tetzlaff auf. 2023 hatte er die Ehre, das Konzert „Martha Argerich and Friends Play for Brussels“ mit einer Cello-Sonate von Frédéric Chopin zu eröffnen. 2025 debütierte er beim Gstaad Menuhin Festival und den Ludwigsburger Schlossfestspielen.

Jolanta Łada-Zielke im Gespräch mit dem polnischen Cellisten Krzysztof Michalski

klassik-begeistert: Spielen Sie wirklich Cello seit Ihrem 6. Lebensjahr?

Krzysztof Michalski: Ja, und ich erinnere mich noch heute daran, wie ich mein erstes, sehr kleines Cello bekam, das meine Eltern bei einer Manufaktur in Tschechien im Internet bestellt hatten. Ich habe es auch mit Geige und Klavier versucht. Die Geige habe ich sofort aufgegeben, weil es mich sehr ermüdete, während des Unterrichts eine Stunde lang im Stehen zu spielen. Klavier habe ich dagegen einige Jahre lang gespielt und spiele es auch heute noch ab und zu, obwohl das Cello mein Hauptinstrument ist. Ich glaube, mein gutes Verhältnis zu meiner Cellolehrerin hat dabei eine Rolle gespielt.

klassik-begeistert: Wie sind Sie zum Conservatoire National Supérieur de Musique et de Danse in Paris gekommen?

Krzysztof Michalski: Dank meiner Entschlossenheit und Hartnäckigkeit. Zwischen meinem 15. und 16. Lebensjahr wollte ich unbedingt meine Ausbildung im Ausland fortsetzen. Ich fand eine Schule in Belgien, in Waterloo, die damals erst seit einem Jahr existierte und noch unbekannt war. Auch die Namen der Professoren sagten mir nichts. Aber ich wollte dort eine Aufnahmeprüfung ablegen.

Ich habe meine Eltern um die Erlaubnis gebeten, oder besser gesagt, diese erzwungen, indem ich sehr konsequent darauf bestanden habe und sogar an einem Abend für ein paar Stunden in den Wald geflüchtet bin. Schließlich bin ich nach Waterloo gekommen, habe die Aufnahmeprüfung bestanden und ein Stipendium erhalten. Das hat mich weiter gebracht. Ein Professor dieser Schule lud mich später in seine Klasse in Paris ein, und dort entwickelten sich die Ereignisse weiter mir zu Gunsten. Ich bin froh, dass ich letztendlich in Paris geblieben bin. Weitere Optionen waren Boston oder New York, aber wenn ich mein Studium in den USA fortgesetzt hätte, hätte ich sicherlich nicht am ARD-Wettbewerb teilgenommen.

klassik-begeistert: War der 2. Preis beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD 2024 ein Meilenstein in Ihrer Karriere?

Krzysztof Michalski: Auf jeden Fall. Danach habe ich viele Angebote für Konzerte, die Teilnahme an Festivals und sogar Assistenzstellen an Hochschulen erhalten, sowie einen Vertrag mit einer Künstleragentur unterschrieben. Das war nur einer von vielen Schritten. Jeder weitere Schritt  brachte mich meinem ersehnten Ziel näher.

klassik-begeistert: Was fasziniert Sie am meisten am Cello?

Krzysztof Michalski: Vor allem die Geschichte dieses Instruments, dessen Vorläufer aus dem 17. Jahrhundert in Italien entstanden und so einzigartig sind, dass es heutigen Geigenbauern nicht gelingt, sie nachzubauen. Es ist ein Rätsel, ob es an der Holzart, dem Trocknungsgrad oder vielleicht an dem Lack liegt. Was die Klangerzeugung angeht, ist das Cello sehr speziell. Andere Streichinstrumente wie die Geige, Viola und Kontrabass sind sehr unergonomisch, und wenn man sie spielt, sieht man in Bezug auf die Körperhaltung nicht natürlich aus. Bei dem Cello sieht das anders aus, besonders seitdem der belgische Musiker Adrien-François Servais um 1830 den Stachel dafür erfunden hat. Dadurch gewann es an Natürlichkeit, was die Körperhaltung betrifft.

klassik-begeistert: Welches Stück stellt für Cellisten die größte Herausforderung dar? Ist es vielleicht Krzysztof Pendereckis Divertimento aufgrund der schnellen Passagen, bei denen man einen Ton leicht verpassen kann?

Krzysztof Michalski: Ich glaube nicht, dass gerade dieses Werk das schwierigste ist. Es gibt viele Stücke, die in verschiedener Hinsicht eine Herausforderung darstellen. Zum Beispiel gilt die Sonata von Poulenc, die wir mit Yanjun Chen in der Laieszhalle gespielt haben, als eines der schwierigsten Stücke des romantischen Repertoires des 20. Jahrhunderts.

Die Sonate von Rachmaninow hingegen ist technisch nicht besonders schwierig, aber da das Klavier dort viel zu spielen hat und einen enormen Klang hat, muss man die Proportionen sehr gut ausbalancieren, damit auch das Cello jederzeit gut zu hören ist.

Ich finde Prokofjews Sinfonia Concertante war eines der schwierigsten Stücke, die ich lernen musste, besonders den zwanzigminütigen zweiten Satz mit einer gewaltigen Kadenz in der Mitte. Zeitgenössische Musikstücke wie Pendereckis Divertimento sind oft nicht tonal, und man kann bei ihnen einen Ton übersehen oder einen falschen Ton spielen. Aber das merkt außer dem Komponisten niemand.

Krzysztof Michalski © Daniel Delang

klassik-begeistert: War der Titel des Konzerts, das Sie mit Yanjun Chen in der Hamburger Laieszhalle gespielt haben – „Mit dem Cello singen” – Ihrer Meinung nach eine gute Wahl?

Krzysztof Michalski: Wir haben ihn nicht selbst erfunden, jedoch ist dieser ziemlich treffend, denn der Klang des Cellos kommt der menschlichen Stimme am nächsten. Das erste Stück – Paderewskis Mélodie aus den Miscellanea op. 16  – war ursprünglich für Klavier solo gedacht. Da es sich jedoch um eine begleitete Melodie handelt, kann das Cello hier seine singenden Fähigkeiten unter Beweis stellen. Das letzte Stück – Rachmaninows Sonate für Cello und Klavier – erinnert eher an ein Klavierkonzert, in dem das Cello das Klavier mit verschiedenen Melodien begleitet. Wir versuchten das möglichst gut darzustellen.

klassik-begeistert: Sie haben viele Konzerte auf verschiedenen Kontinenten gespielt. Wie reagiert das Publikum auf diese Auftritte
in exotischen Ländern wie Kolumbien?

Krzysztof Michalski: Man kann das Publikum aus der Bühnenperspektive nicht immer einschätzen, weil überall verschiedene kulturelle Codes gelten. Meine Konzertreisen haben vor über 10 Jahren begonnen, aber ich habe tatsächlich unterschiedliche Reaktionen der Zuschauer beobachtet.

In Kolumbien reagieren die Menschen sehr lebhaft und applaudieren lautstark. Man spürt ihre Begeisterung und Freundlichkeit. Es ist ihnen wichtig, dass wir einen gelungenen Auftritt haben.

Ähnlich ist es in Deutschland, obwohl dort eine ganz andere Mentalität herrscht, aber auch dort ist das Publikum freundlich eingestellt. Oft zeigen sie ihre Dankbarkeit für die Musik, der Applaus dauert dann sehr lange und die Beifallsrufe sind lauter als anderswo.

Derzeit lebe ich in Frankreich, und das Publikum dort verhält sich unterschiedlich. Manchmal scheint es nicht besonders freundlich zu sein, aber nach dem Konzert kommen die Leute zu uns und bedanken sich. Das japanische Publikum ist auch sehr sympathisch, wenn auch eher zurückhaltend. Aber man sieht den Menschen an ihren Gesichtern, dass sie sehr glücklich sind. Später kommen sie zu mir, um ein Foto mit mir zu machen und um ein Autogramm zu bitten, was häufiger vorkommt als in europäischen Ländern.

klassik-begeistert: Berücksichtigen Sie bei der Zusammenstellung des Programms die Cello-Hits, die die Menschen kennen (wie Saint-Saëns’ Schwan), oder ziehen Sie es vor, ihnen weniger bekannte, aber hörenswerte Stücke vorzustellen?

Krzysztof Michalski: Vielleicht klingt das seltsam, aber es ist mir egal, welches Stück ein „Hit“ ist. Ich kann nicht immer selbst entscheiden, was ich spiele, weil man uns manchmal um ein bestimmtes Programm bittet. Wenn ich jedoch die freie Wahl habe, spiele ich das, was mir gefällt, unabhängig davon, ob das Werk bekannt ist oder nicht. Wenn ich von dem Wert eines bestimmten Stücks überzeugt bin, den ich durch mein Spiel angemessen wiedergeben kann, dann denke ich, dass das ausreicht, damit auch das Publikum dies spürt.

Die Sonate in g-Moll von Rachmaninow ist zum Beispiel sehr bekannt, die andere von Poulenc hingegen nicht so sehr. Diese ist harmonisch komplexer, voller Kontraste, wie eine Collage aus kurzen Motiven, die sich ständig ändern und fließend ineinander übergehen. Aber meiner Meinung nach ist sie die beste Sonate in der Kammermusik, weil die Cello- und Klavierstimme darin zu gleichen Teilen vorkommen. Ähnlich verhält es sich mit Paderewskis Melodie, denn ich glaube, dass fast niemand aus dem Publikum dieses Stück kannte, aber die Reaktion zeigte, dass es sich gelohnt hat, es zu präsentieren.

klassik-begeistert: Was sind Ihre nächsten Pläne?

Krzysztof Michalski: Am 15. November nehme ich an einem Projekt mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks teil. Wir führen Rachmaninows langes A-cappella-Werk Das große Abend- und Morgenlob, op. 37, im Herkulessaal in München unter der Leitung von Peter Dijkstra auf. Man hat mich gebeten, in der Mitte des Werkes ein Solo-Cellostück zu spielen, und ich habe mich für Brittens Suite Nr. 3, op. 87, entschieden. Anfang Dezember nehme ich mein erstes Album mit der Harfenistin Alexandra Bidi auf, die ebenfalls den 2. Preis beim ARD-Wettbewerb gewonnen hat, allerdings ein Jahr vor mir. Wir haben bereits gemeinsam ein Konzert mit dem Polish National Radio Symphony Orchestra gegeben.

klassik-begeistert: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg weiterhin!

Jolanta Łada-Zielke, 12. November 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

TEATIME CLASSICS Krzysztof Michalski, Violoncello Laieszhalle, Kleiner Saal, 25. Oktober 2025

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