Eric Laporte: „Brecht und Weill sind zusammen wie Wagner!“, Teil 2

Interview: kb im Gespräch mit Eric Laporte, Tenor, Teil 2  klassik-begeistert.de, 1. April 2025

Eric Laporte © Louise Leblanc

Der Quebecer Tenor Eric Laporte begann seine Karriere im Opernstudio Opéra de Montréal und ist seitdem an wichtigen Häusern vor allem in Europa und Nordamerika aktiv. Dank seiner wandlungsfähigen Stimme besitzt der preisgekrönte Tenor ein von Wagner bis Weill reichendes, äußerst breit gefächertes Repertoire. Im zweiten Teil unseres Interviews sprechen wir über Heldentenöre, Wagner-Deutsch und Weill/Brecht in Berlin.

Johannes Karl Fischer im Gespräch mit Eric Laporte, Tenor, Teil 2

klassik-begeistert: Herr Laporte, Sie wirkten eben ziemlich begeistert für Wagner…

Eric Laporte: Schon, ja…

klassik-begeistert: Würden Sie gerne noch weitere Wagner-Rollen singen? Bislang haben Sie ja nur den Lohengrin und den Erik gemacht…

Eric Laporte: Bei keinem anderen Komponisten beschäftige ich mich so intensiv mit den Rollen, bevor ich überhaupt einen Vertrag habe. Im Moment bereite ich den Tannhäuser und auch Parsifal vor, und gerade der Tannhäuser steht ganz oben auf meiner Wunschliste. Ohne ein Wortspiel mit der Rom-Erzählung zu machen, ist diese Rolle einfach eine fantastische Erzählung. Ich habe schon meine Bilder im Kopf, was ich damit gerne erzählen würde, ich hoffe, dass das zustande kommt.

Wagner als Nicht-Muttersprachler ist natürlich schon ein bisschen speziell. Ich habe Deutsch gelernt, Sprachprüfungen gemacht und verstehe eigentlich alles. Aber Wagner-Deutsch ist nochmal eine sehr eigene, sehr sinnliche Sprache. Wagner kreiert mit seiner eigenen Grammatik – die anders ist als im formalen, modernen Deutsch – und seinem Wortschatz eine ganz eigene Ästhetik. Das lässt sich auch als Nicht-Muttersprachler so wahnsinnig gut singen. Alles hat seinen Platz, es ist wirklich ein fantastisches Kunstwerk aus Wörtern und Musik.

Fliegende Holländer Erik Québec 2019 Louise Leblanc

klassik-begeistert: Die Sprache ist natürlich ein sehr spezielles Thema in der Oper. Aber nochmal zurück zur Regie, macht das für Sie einen Unterschied, was für ein Regiestil verwendet wird? Sie haben ja zum Beispiel auch schon mit Barrie Kosky gearbeitet…

Eric Laporte: …die Zusammenarbeit mit Kosky war einer der Höhepunkte meiner Karriere. Das war ja Weill/Brecht an der Komischen Oper Berlin, das ist natürlich wie Eishockey in Kanada“. Damals in Berlin hatten wir jeden Abend ein volles Haus. Gerade in der Brecht-Stadt Berlin schien das alles so natürlich. Und die Bilder, mit denen Kosky erzählt hat, waren auch sehr Brechtmäßig, eigentlich sehr klassisch, aber immer mit einem gewissen Sarkasmus und einer Ironie. Man brauchte das kaum zu spielen, es war alles so natürlich erzählt. Ich habe diese Produktion geliebt, und auch von der anderen Seite des Vorhangs nur gutes gehört. Als ich danach nach Montréal geflogen bin, habe ich am Flughafen in Paris Leute gesehen, die zwanghaft nach ihren Kreditkarten griffen, um ein Chanel- oder Dior-Produkt zu kaufen. Da dachte ich, „was bin ich reich, diesen Abend in Berlin erlebt zu haben“, diesen Reichtum an Kultur und überhaupt Brecht und Weill. Das war einer der schönsten Momente meines Lebens.

klassik-begeistert: Brecht ist ja doch sehr anders als Wagner – eine befreundete Schauspielerin meinte mal, Brecht und Weill in Berlin sei auch für sie, völlig außerhalb der Opernwelt, der Karrieregipfel schlechthin. Ist die Vorgehensweise für Sie bei Weill sehr anders als bei Wagner?

Freischütz Max Hanovre 2015 Thomas M. Jauk

Eric Laporte: Gar nicht so sehr, komischerweise. Natürlich sind das zwei Welten, eine völlig andere Zeit und Ästhetik. Brecht verwendet auch viel weniger Worte als Wagner und Weill war sehr ökonomisch mit der Musik. Übrigens, man sagt ja immer sehr oft einfach Brecht und selten Weill, aber Weill und Brecht sind als Team zusammen wie Wagner. Die beiden haben so eng zusammengearbeitet, dass ihre Werke in einer Art von Osmose zusammenkommen, fast wie bei Wagner. Es gab keinen „schreib mir was“-Vertrag, die beiden haben zusammen geschaffen. Das war die Stärke von Wagner wie auch Weill/Brecht. Ich liebe auch Mozart oder Rossini, sie haben große Opern geschrieben, aber ihre Auftragslibretti machen sie zu weniger symbiotischen Werken. Bei Wagner und Weill/Brecht ist das alles schlüssiger, meiner Empfindung nach doch reicher zu spielen und zu inszenieren.

klassik-begeistert: Die Kombination Wagner mit Weill/Brecht ist ja eher selten…

Eric Laporte: Naja, der Jim ist schon ein jugendlicher Heldentenor – eigentlich ein Anti-Held, ein Loser, wie alle Heldentenöre. Aber ich verstehe nicht, warum Jim und Tannhäuser nicht der gleiche Typ sein können. Ein jugendlicher Heldentenor ist ein lyrischer Tenor, der aber auch emotionale Ausbrüche haben kann. Und das ist in beiden Rollen nötig. Ganz anders der Tristan, das hängt sehr vom Markt ab, was die Leute und Intendanten sich da für eine Stimme wünschen. Also ob der einfach nur laut sein soll oder eher nuanciert. Wenn man Wagners Schriften über seine Musik liest, er wollte viele Nuancen haben. Und im richtigen Team würde ich den Tristan auch machen. Aber ein brüllender Tristan werde ich nie sein. Das ist so eine sinnliche Musik. Die Fortes in dieser Partitur werden vor allem über viele Piani erreicht.

klassik-begeistert: Würden Sie sich wünschen, dass wieder alle alles singen, wie früher?

Eric Laporte: Ganz klares ja! Es ich nicht gesund, weder ästhetisch noch physisch, sich auf eine Sprache – egal ob musikalisch oder wortwörtlich sprachlich – zu spezialisieren. Das ist keine Spezialisierung, das ist Armut. Wie viele anderen Sänger werde ich mit Etiketten konfrontiert – ich zum Beispiel werde oft mit dem französischen, oder auch dem deutschen Repertoire assoziiert. Aber eigentlich habe ich genauso viele italienische wie deutsche Rollen gesungen, vor allem viel Puccini, Verdi würde ich mir ein bisschen mehr wünschen. Diese Komponisten haben sich alle gekannt und einander beeinflusst, das ist eine europäische Musik. Wenn ich jetzt nur Wagner singen würde, wäre ich auch nicht der traurigste Mensch der Welt, aber mir würde was fehlen. Ich bin Musiker. Wobei am Ende ist man für das, was die Leute hören wollen, engagiert.

Johannes Fischer, 1. April 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Teil 3 des Interviews lesen Sie Mittwoch, 2. April 2025, hier auf klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at.

Interview: kb im Gespräch mit Eric Laporte, Tenor – Teil 1 klassik-begeistert.de, 30. März 2025

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