İlyun Bürkev: „Für mich ist das viele Reisen in 88 Tasten um die Welt ein Kindheitstraum“

Interview: kb im Gespräch mit İlyun Bürkev, Teil I  klassik-begeistert.de, 14. September 2025

İlyun Bürkev © berkaybayram2002

Die sechzehnjährige türkische Pianistin İlyun Bürkev gehört zu den überragenden Musiktalenten ihrer Generation. Mit 13 begann sie ihr Studium am Salzburger Mozarteum bei Pavel Gililov, inzwischen gastiert sie mit renommierten Orchestern auf wichtigen Bühnen wie dem Konzerthaus Berlin und dem Mariinski-Theater. Im ersten Teil unseres Interviews sprechen wir über Salzburger Gassen, Griegs Klavierkonzert und natürlich die Atmosphäre in der Elbphilharmonie.  

Johannes Karl Fischer im Gespräch mit İlyun Bürkev, Teil I

klassik-begeistert: Frau Bürkev, Sie haben gestern Abend Ihr Debüt in der Hamburger Elbphilharmonie gegeben. Wie lief das Konzert und wie die Erfahrung für Sie in diesem Saal zu spielen?

İlyun Bürkev: Für mich ist mit dem gestrigen Konzert ein Traum in Erfüllung gegangen, eigentlich war es mehr als ein Traum. Seit der Eröffnung 2017 verfolge ich die Entwicklungen der Elbphilharmonie, dieser Saal ist meine größte Inspiration. Ich liebe daran vor allem den Weinberg-Stil, man ist vom Publikum umgeben. Und auch akustisch ist das einer der besten Konzertsäle der Welt. Gestern waren der Klang und die Atmosphäre einfach perfekt, und ich habe eine besondere Verbindung zum Orchester und zum Publikum gespürt.

klassik-begeistert: Wie spielt sich die Akustik im Vergleich zu anderen Konzertsälen, in denen Sie bislang gespielt haben?

İlyun Bürkev: Vor zwei Jahren war ich mit der Klassischen Philharmonie Bonn auf Tournee, damals haben wir erst im Berliner Konzerthaus und dann im Münchner Herkulessaal gespielt. Ein anderes Mal bin ich im Mariinski-Theater aufgetreten und letztes Jahr habe ich zur Eröffnung des Istanbul Music Festivals mit Cem Mansur, der übrigens auch gestern am Pult stand, gespielt. Das war ein großes Glück, auch schon in jungen Jahren in diesen großartigen Konzertsälen zu spielen. Aber die Elbphilharmonie ist anders. Ich fühle mich mit ihr sehr verbunden und ich bewundere diesen Saal sehr. Gerade als Gesamtpaket betrachtet – die Architektur, aber auch die Lage direkt an der Elbe – ist das einer der ikonischsten Konzertsäle der Welt

klassik-begeistert: Sie haben gestern das Grieg-Klavierkonzert gespielt. Was bedeutet dieses Werk für Sie?

İlyun Bürkev: Also erstmal ist das eine der größten Klavierkonzerte, das je geschrieben wurde. Man hört in diesem Werk auch viel von Griegs Leben, zum Beispiel sind im dritten Satz viele Spuren von norwegischen Volkstänzen. Auch den Einfluss der Natur hört man sehr deutlich, und dann fühlt man in dieser Musik auch eine sehr große Vielfalt an Emotionen. Ich bin eine Person, die Emotionen generell sehr stark wahrnimmt: Wenn ich glücklich bin, dann oft vollkommen überglücklich, wenn ich traurig bin, manchmal zu traurig. Deswegen fühle ich mich mit diesem Werk sehr verbunden. Es ist eine große Freude, mit diesem Werk und vor dem Publikum in der Elbphilharmonie aufzutreten.

klassik-begeistert: Warum haben Sie dieses Werk für Ihre Elbphilharmonie-Debüt gewählt?

İlyun Bürkev: Ich habe damals dem Orchester einfach mein Repertoire geschickt und dann wollten sie dieses Konzert. Für das Orchester ist das Werk auch sehr effektiv, Grieg hat das wirklich fantastisch instrumentiert! Man spürt die Instrumente alle auf eine sehr besondere Art, deswegen war das eine sehr gute Wahl.

klassik-begeistert: Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Sie haben mit 13 angefangen am Mozarteum zu studieren, wie sind Sie dorthin gekommen?

İlyun Bürkev: Mit sieben habe ich angefangen in der Türkei am Konservatorium zu studieren, mit neun dann erstmals in Salzburg an Meisterkursen teilgenommen. In Salzburg war ich auch bei der Sommerakademie und habe die Atmosphäre dieser Stadt schon in einem sehr jungen Alter kennengelernt, dafür bin ich sehr dankbar. Ein Jahr bevor ich angefangen habe, am Mozarteum zu studieren, habe ich dann Prof. Pavel Gililov kennengelernt.

Schon in meinem ersten Meisterkurs bei ihm hat er mir sein für mich einzigartiges Verständnis der Musik und der Klangqualität beigebracht. Als ich dann 13 war, meinte er, er würde mich gerne als Studentin aufnehmen. Ich habe die Pre-College-Aufnahmeprüfung gemacht und bestanden. Seit drei Jahren arbeite ich jetzt mit ihm und er hat meine Interpretation der Musik komplett verändert. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.

klassik-begeistert: Sie kennen Salzburg, seitdem Sie neun sind. Wie nehmen Sie Musikszene in dieser Stadt wahr, vor allem wenn nicht gerade Festspiele sind?

İlyun Bürkev: Salzburg eine der wichtigsten Musik-Hotspots der Welt, gerade natürlich wegen der Festspiele und der Mozartwoche. Aber auch unter dem Jahr gibt es viele Konzerte mit den besten MusikerInnen. Die Salzburger sind sehr eng mit der Musik verbunden, die Musik gehört da einfach zum Alltag. Überall in den Gassen spürt man die Liebe zur klassischen Musik.

Und natürlich ist das Mozarteum eine der größten und besten Musikhochschulen der Welt! Die Instrumente in den Überäumen, die Aufführungsmöglichkeiten und die Unterstützung, die wir hier kriegen, das ist alles einfach unglaublich fantastisch. Salzburg ist eine sehr kleine Stadt, alles sehr kompakt, aber es ist alles sehr verbunden. Das ist eine sehr besondere Atmosphäre und ich kann die Stadt jedem nur ans Herz legen, auch, wenn man vielleicht kein Instrument spielt.

klassik-begeistert: Für die Musik und Ihre Karriere sind Sie auch viel und in aller Welt unterwegs. Ist das Reisen für Sie stressig?

İlyun Bürkev: Natürlich ist es anstrengend, manchmal muss ich innerhalb sehr kurzer Zeit sehr weite Strecken zurücklegen. Aber ich liebe das, ich mag es, neue Orte, neues Essen oder neue Kulturen kennenzulernen. Das viele Reisen in 88 Tasten um die Welt ist für mich ein Kindheitstraum. Und auch die verschiedenen Konzertsäle sind immer sehr spannend.

klassik-begeistert: Gibt es einen Konzertsaal, mit dem Sie eine besondere Erinnerung verknüpfen?

İlyun Bürkev © berkaybayram2002

İlyun Bürkev: Das Eröffnungskonzert meiner Tournee mit der Klassischen Philharmonie Bonn im Berliner Konzerthaus. Das war nicht nur meine erste Tournee, sondern auch mein erstes großes internationales Konzert. Auch das Mariinski-Theater hatte eine ganz besondere Atmosphäre, das war eine andere Welt. Die Musiker dort investieren so viel Energie in ihre Kunst. Und das Konzert gestern war natürlich der Höhepunkt meines bisherigen Lebens!

klassik-begeistert: Welche Konzertsäle stehen ganz oben auf Ihrer Wunschliste?

İlyun Bürkev: Sicher das Concertgebouw, vielleicht die Berliner Philharmonie, auch die Carnegie Hall und natürlich der Wiener Musikverein. Das sind alles meine Traumsäle.

klassik-begeistert: Gibt es etwas, das Sie in ihrer musikfokussierten Karriere vermissen?

İlyun Bürkev: Prof. Gililov sagt immer, als Musiker und Musikerinnen lernen wir sehr früh, erwachsen zu werden. Für das Musikerleben braucht man eine sehr starke Persönlichkeit und natürlich ist es auch nicht immer einfach. Ich glaube, es ist wichtig, einen gewissen Ausgleich im Leben zu behalten. Für mich bedeutet das eine Balance zwischen meiner Übezeit, meiner Schularbeit und meiner Freizeit.

Wenn man als Individuum frei und glücklich ist, klingt die Musik auch viel besser und freudiger.

klassik-begeistert: Herzlichen Dank für das Gespräch!

Johannes Fischer, 14. September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Teil II dieses Interviews können Sie Dienstag, 16. September 2025,
hier auf klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at lesen.

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