Die Intendantin des Festivals Junger Künstler Bayreuth Dr. Sissy Thammer (Mitte) mit ihren beiden Nachfolgern: Sonali Trauner und Prof. Fredrik Schwenk © Olga Gassan
75 Jahre Festival junger Künstler Bayreuth
Jolanta Łada-Zielke im Gespräch mit Prof. Fredrik Schwenk, dem neuen künstlerischen Direktor des Festivals Junger Künstler Bayreuth.
klassik-begeistert: Wie lange sind Sie schon mit dem Festival Junger Künstler Bayreuth verbunden?
Prof. Fredrik Schwenk: Ich kenne Dr. Sissy Thammer seit 40 Jahren und habe Mitte der Achtzigerjahre zum ersten Mal mit dem Festival zu tun gehabt. Damals erhielt ich den Auftrag, Paul Hindemiths frühe Opern – „Mörder, Hoffnung der Frauen“, „Nusch‑Nuschi“ und „Sancta Susanna“ – für eine kleine Besetzung zu arrangieren. Es war von Beginn an eine inspirierende Erfahrung, die mich mit dem Festival bis heute verbindet.
klassik-begeistert: Es war also eine richtige Entscheidung, die künstlerische Leitung des Festivals in Ihre Hände zu legen. Dr. Sissy Thammer war aber die Intendantin, also mehr als künstlerische Leiterin des Festivals?
Prof. Fredrik Schwenk: Wir haben zahlreiche Bewerberinnen und Bewerber geprüft, doch keine der Personen hatte das Profil im Sinne einer „Intendanz“. Daher hat der Vorstand zusammen mit Sissy Thammer beschlossen, Aufgaben zu übernehmen und die Ämter aufzuteilen. In diesem Zusammenhang ist mir die Aufgabe zugefallen, die künstlerische Leitung zu übernehmen. Für den Bereich Organisation und Verwaltung ist Frau Sonali Trauner verantwortlich. Anstelle der bisherigen künstlerischen und verwaltungstechnischen „Personalunion“ tritt ein Tandem. Dr. Thammer mit ihrer langjährigen Erfahrung und ihren unersetzlichen Kontakten bleibt dem Team erhalten.
klassik-begeistert: Soweit ich weiß, zieht sich Dr. Thammer nicht ganz zurück, sondern kümmert sich als die „Festival-Mama“ um die Veranstaltung weiter?
Prof. Fredrik Schwenk: Dr. Sissy Thammer wird eine wichtige Position einnehmen und ihre Landes‑ und Bundesnetzwerke nutzen und alle repräsentativen Aufgaben übernehmen. Da ich in Hamburg bleibe, ist ihre Unterstützung vor Ort unverzichtbar.
klassik-begeistert: Sie beginnen Ihre künstlerische Leitung im Jubiläumsjahr des Festivals, das im August 2025 zum 75. Mal stattfindet. Planen Sie aus diesem Anlass besondere Events?
Prof. Fredrik Schwenk: Wir arbeiten gerade an einem vielseitigen Programm, das unsere Stärken betont. Vieles hängt von den finanziellen Mitteln ab, die uns zur Verfügung stehen werden. Mein Plan ist, eine Art „Klangdach“ zu entwickeln, unter dem die verschiedenen musikalischen Gruppen das Festival an vielen Spielorten innerhalb und außerhalb Bayreuths repräsentieren. Es erwarten Sie ein Marionettentheater, ein großes Chorprojekt, ein Musical-Workshop und klassische Kammermusik in unterschiedlich besetzter Form. So feiern wir 75 Jahre mit der ganzen Bandbreite unserer bisherigen Festivals.
klassik-begeistert: Der Titel des diesjährigen Festivals lautet „E-motion“, was ein Wortspiel ist, und sowohl „Emotion“ im Sinne „Gefühl“ als auch „Digitalgang“ bedeutet, was diese getrennte Vorsilbe „e“ zeigt?
Prof. Fredrik Schwenk: Ja, das Wortspiel ist ganz bewusst gewählt. „Emotion“ stellt die emotionale Wirkung der Musik auf menschliche Gefühle dar. Wir wollen ein Festival mit „Herz und Blut“ auf allen Ebenen. Das „e“ steht für Elektronik und digitale Formate. Auch hier wollen wir uns weiterentwickeln. Unsere Social-Media-Expertin Olga Gassan produziert kurze Video-Spots, führt Interviews hinter den Kulissen und macht das Festival ganzjährig für ein internationales Publikum sichtbar – nicht nur während des Monats in Bayreuth.

klassik-begeistert: Ich halte den „Dialog zwischen dem Orient und dem Occident“ für eines der wertvollsten Projekte, die Dr. Sissy Thammer während des Festivals durchgeführt hat. Haben Sie vor, es fortzusetzen?
Prof. Fredrik Schwenk: Wir bleiben unserem Austauschgedanken treu, auch wenn sich das Motto verändert. Politische Umstände machen die Zusammenarbeit mit manchen Ländern zunehmend schwieriger. Es ist uns wichtig, dass die Teilnehmende aus möglichst vielen Ländern unsere Art und Weise kennenlernen, wie wir im Dialog mit Fragen zu Kunst und Ästhetik, aber auch in anderen Bereichen miteinander umgehen. Eines der spannendsten Projekte des letzten Jahres war die Teilnahme dreier iranischer Musikerinnen. Noch zwei Tage vor ihrer Ankunft haben wir nicht gewusst, ob sie überhaupt kommen können. Für mich war das einer der bewegendsten Momente, als diese Frauen, die in ihrem Land nicht öffentlich auftreten dürfen, ihre Musik in Bayreuth vor vielen begeisterten Menschen vollkommen frei präsentieren konnten. Das ist für mich das Schönste, was das Festival leisten kann. Auch in dieser Richtung muss es weitergehen.
klassik-begeistert: Trotz ihrer Tätigkeit bei den Wagner-Festspielen hat Oksana Lyniv den Kontakt zu dem Festival Junger Künstler Bayreuth nicht abgebrochen und leitete vor zwei Jahren ein Jugendorchester. Werden auch dieses Jahr die Stars aus dem Grünen Hügel bei Euch auftreten?
Prof. Fredrik Schwenk: Wir können in diesem Jahr zwar kein großes Orchester einladen, bleiben aber in engem Kontakt mit Oksana Lyniv. Für nächstes Jahr planen wir ein skandinavisches Jugendorchester. Vielleicht wird sie es dirigieren. Von den großen Stars, die am Grünen Hügel tätig sind, wird dieses Jahr Camilla Nylund bei uns singen. Das ist eines unserer „Highlights“, auf das ich mich besonders freue, weil ich das Glück habe, das neue Werk „Hver“ für Trompete, Sopran und Streichsextett für diese Ausnahmesängerin zu schreiben. In Zukunft wollen wir jährlich prominente Gäste der Wagner‑Festspiele nicht nur zu Talks, sondern auch künstlerisch einladen.
klassik-begeistert: Gibt es eine Hoffnung, dass das Festival Junger Künstler Bayreuth wieder die Eintrittskarten für die Wagner-Festspiele erhalten wird?
Prof. Fredrik Schwenk: Junge Studierende haben heute einen anderen Fokus während ihres meist nur kurzen Aufenthalts beim Festival. Meine Zuversicht geht in die Richtung, dass man durch geschickte Gespräche zumindest ein kleines Kartenkontingent für die Wagner-Festspiele zurückgewinnen kann, nicht zuletzt, um diese Nähe zu den Festspielen zu stärken. Was am Grünen Hügel geschaffen wird, ist doch einzigartig. So ermöglichen wir unseren Studierenden, die einzigartige Atmosphäre des Festspielhauses zu erleben – oft eine prägende Erfahrung fürs ganze Leben.
klassik-begeistert: Wie vereinbaren Sie diese neue Funktion mit Ihren Aufgaben an der Musikhochschule und Ihren kompositorischen Aktivitäten?
Prof. Fredrik Schwenk: Ich muss sagen, der Einstieg in die künstlerische Leitung des Festivals ist für mich eine große Herausforderung. Ich habe es aus Liebe zu dieser Veranstaltung getan, ohne zu wissen, was nicht nur an organisatorischer Arbeit dahintersteht; eine enorme künstlerische Verantwortung.
Bis Sommer 2027 bin ich noch an der Hochschule, danach kann ich mich voll auf Bayreuth konzentrieren. Derzeit gelingt das durch vereinte Kräfte sowohl von der Bayreuther als auch von der Hamburger Seite. Wir gestalten unsere Arbeit organisatorisch und künstlerisch so effektiv wie möglich. Während des Festivals werde ich da sein und viele Repräsentationsfunktionen übernehmen. Die großen Projekte sind auf dem Weg, Künstlerinnen und Künstler eingeladen. Verschiedene Ensembles studieren Werke ein. Die neue Bayreuther Kulturreferentin Eva Christina Bär war, so unser Eindruck, von der Bedeutung dieses nach allen Seiten offenen und innovativen Festivals überzeugt. Und so hoffen wir, dass auch die Stadt Bayreuth uns weiterhin nicht nur finanziell unterstützt.
klassik-begeistert: Vielen herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg in Ihrer neuen Position!
Jolanta Łada-Zielke, 21. April 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.de
Interview: Jolanta Łada-Zielke im Gespräch mit Dr. Frank Piontek klassik-begeistert.de, 11. Mai 2024
Interview: Jolanta Łada-Zielke und Dr. Frank Piontek klassik-begeistert.de, 12. September 2024