"Meine Vision: Ich singe in der Wiener Staatsoper die Kundry mit Tomislaw Muzek als Parsifal, und Christian Thielemann dirigiert"

Interview: Magdalena Anna Hofmann, Sopran,  klassik-begeistert.de

Die polnisch-österreichische Sopranistin Magdalena Anna Hofmann wurde in Warschau geboren. Nach ihrem Gesangsstudium am Wiener Konservatorium war sie zunächst als Mezzosopran erfolgreich, unter anderem an der Mailänder Scala, dem Theater an der Wien oder den Bregenzer Festspielen. Nach ihrem Wechsel ins Sopranfach wurde sie in den großen Partien des deutschen und slawischen Fachs, aber auch in Mozart- und Operettenrollen sowie moderner Musik auf unzähligen nationalen und internationalen Bühnen gefeiert. Am 10. März 2020 sang sie noch die Leonore in Ludwig van Beethovens „Fidelio“ in Heidelberg. Aktuell verbringt sie ihre Zeit gemeinsam mit ihrem ebenfalls freiberuflich tätigen Mann und dem vierjährigen Sohn im häuslichen Umfeld in Wien.

Interview: Petra Spelzhaus, Fotos: Stefan Panfili (c)

Klassik-begeistert.deWas haben sie vor einem Jahr getan, und wie sieht ihr Alltag heute aus?

Magdalena Anna Hofmann: Vor einem Jahr befand ich mich mitten in den Proben von Tristan und Isolde in Hagen. Ich hatte ein reges soziales Leben und war  als Sängerin vielbeschäftigt. Jetzt befinde ich mich zuhause mit meinem Mann und Kind. Unser Sohn braucht natürlich viel Aufmerksamkeit und mein Mann und ich wechseln uns mit der Betreuung ab, genießen aber auch sehr die sonst rare Zeit zu dritt. Ich bemühe mich, als Sängerin im Training zu bleiben, aber es ist manchmal doch schwer sich zu motivieren, wenn monatelang der Kalender gezwungenermaßen leer bleibt. Als Sänger bereitet man sich ähnlich wie ein Sportler auf eine Großveranstaltung vor- regelmässiges Training ist unumgänglich. Andererseits baut mich das Üben auch seelisch auf und gibt mir Energie. Im Augenblick muss ich ja keine Partie dringend vorbereiten und das gibt mir die Freiheit spontan zu entscheiden, was ich an dem Tag singen möchte. Gestern waren es Schubert-Lieder.

Nennen Sie bitte drei Schlagworte, wenn sie das Wort Corona hören…

Unsicherheit, Einschränkung, Chance.

Was sind die einschneidendsten Veränderungen seit Ausbruch der Corona-Pandemie? Können Sie ihr auch etwas Positives abgewinnen?

Die Situation ist natürlich furchtbar und schwer berechenbar. Es gibt massive Einschränkungen kulturell, sozial sowie finanziell, dazu die Angst wie es in den kommenden Monaten weitergehen wird. Andere wichtige Themen, wie die Flüchtlingskrise, geraten leider in den Hintergrund. Andererseits kann man die Corona-Pandemie auch als „Reset-Knopf“ für die Welt sehen, als Chance. Wir haben die Möglichkeit, innezuhalten, Qualitäten und Werte neu zu evaluieren, festzustellen, auf was wir vielleicht verzichten können. Und womöglich kann sich die eine oder andere Opernstimme durch die erzwungene Pause richtig gut erholen!

Womit verdienen Sie sich normalerweise ihre Brötchen? Wie ist die Situation nach dem Aussetzen sämtlicher kultureller Veranstaltungen?

Ich arbeite als freischaffende Künstlerin. Ich erhalte von den Opernhäusern entweder eine Anstellung für eine bestimmte Produktion oder arbeite auf Honorarbasis. Da ich viel unterwegs bin, gebe ich nur sporadisch Gesangsunterricht. Aktuell fallen durch die Corona-Krise alle Engagements und somit alle Einnahmen aus. Die österreichische Regierung hat bereits angekündigt mit Sonderregelungen und einem Hilfsfond freischaffende Künstler zu unterstützen. Die rechtliche Lage sieht für Künstler momentan nicht sehr gut aus. Wir haben ein kleines finanzielles Polster und bleiben zuversichtlich, dass bessere Zeiten kommen werden.

Wie gelingt es einem Sänger, ohne Publikum bei Laune zu bleiben?

Der eigentliche Auftritt ist für mich im Vergleich zum Probenprozess beziehungsweise Vorbereitung einer Partie nur ein Teil des Ganzen. Ich vermisse die Probenzeit, das Miteinander. Der Auftritt ist dann das Sahnehäubchen, das folgerichtige und schöne Resultat eines Prozesses, der mal kürzer oder länger ist. Der zentrale Gedanke für mich ist das gemeinsame Musizieren. Das fehlt ungemein. Nun heißt es: Dranbleiben und Weiterüben.

Foto: Stefan Panfili

Eine Frage, die mich als Ärztin sehr interessiert: Mit welchem Musikwerk stimulieren Sie ihr Immunsystem?

Ich höre recht wenig klassische Musik und wenn, dann mit voller Aufmerksamkeit. Um mich aufzubauen, höre ich gerne Jazzmusik. Kurt Elling ist einer meiner Lieblinginterpreten. Besonders genieße ich jedoch die Ruhe, insbesondere, da ich ein kleines Kind habe.

Momentan verbringen viele Musikliebhaber viel Zeit in ihren eigenen vier Wänden. Gibt es ein Buch, eine CD oder auch Streamingangebot, das sie uns dringend empfehlen würden?

Zum Glück bieten viele Opernhäuser, TV-Sender und Veranstalter aufgezeichnete oder gestreamte Opernaufführungen- das ist toll! Ich beschäftige mich zur Zeit auch mit spirituellen Themen und Fragen: Was ist der Zweck meiner Existenz? Wie führe ich ein sinnvolles Leben? Ich empfehle Meditationen, Bücher von Prof. Johannes Huber und Joe Dispenza oder für alle, die sich neu-orientieren möchten auch ein Online-Coaching oder workshop mit Sandra Jahnke.

Kommen wir zur ersten Frage zurück: Wo sehen sie sich in einem Jahr?

Die Corona-Situation hat sich deutlich entspannt. Die Gesellschaft hat sich wirtschaftlich und psychisch-sozial erholt. Ich befinde mich in Proben für eine Opernproduktion. Meine Familie und Freunde sind gesund. Ich bin trotz der finanziellen Verluste gut durchgekommen.

Es gibt Zukunftsforscher, die nach überstandener Corona-Krise eine Verbesserung des Weltklimas -ökologisch wie sozial- prophezeien. Teilen sie diese Einschätzung? Wie ist ihre Vision?

Die wirtschaftlichen Folgen sind nicht absehbar, aber werden massiv sein. Viele Experten befürchten einen Zusammenbruch der Wirtschaft und des Finanzwesens. Aus spiritueller Sicht halte ich die Corona-Krise für wegweisend und auch als Chance in vielen Bereichen. Ich glaube, dass das Klima sich erholen wird und wir etwas Wertvolles aus der Situation mitnehmen können.

Schauen wir in die Glaskugel: Die Heilige Corona, u. a. Schutzpatronin gegen Seuchen, hat ein Einsehen mit uns und beendet die Pandemie. Alle Musikclubs, Theater und Opernhäuser öffnen wieder. Für ihren ersten Auftritt haben sie drei Wünsche frei: Wo, in welcher Produktion und mit wem teilen sie die Bühne?

Think big!! Ich singe an der Wiener Staatsoper eine meiner Lieblingsrollen, Kundry im „Parsifal“ von Richard Wagner. Parsifal wird von meinem großartigen Kollegen Tomislaw Muzek gesungen, Dirigent ist Christian Thielemann. Ich habe allerdings soeben einen Vertrag für die Staatsoper in Hannover unterschrieben und werde dort im Oktober eine andere Herzens-Partie singen: Isolde in Tristan und Isolde! Darauf freue ich mich sehr! Da muss die Oper in Wien wohl noch warten 😉

Ich bedanke mich für dieses Interview.

Das Interview führte Petra Spelzhaus am 25. März 2020.

Dr. Petra Spelzhaus, 27. März 2020, für
klassik-begeistert.de  und klassik-begeistert.at

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert