Camilla Nylund: „Die Isolde und die Brünnhilde sind einfach auf mich zugekommen“

Interview mit Camilla Nylund von Johannes Karl Fischer  klassik-begeistert.de, 2. Oktober 2023

Camilla Nylund © Anna S

Die finnische Sopranistin Camilla Nylund gehört zu den absoluten Überfliegern ihres Fachs. Zu ihren Paraderollen gehören Partien wie die Feldmarschallin (Der Rosenkavalier), die Titelpartie in Ariadne auf Naxos oder Elsa (Lohengrin), mit denen sie an nahezu allen bedeutenden Häusern der Welt – darunter die Wiener Staatsoper, die Metropolitan Opera und natürlich bei den Bayreuther Festspielen – gastiert. Zwischen zahlreichen Wagner und Strauss-Auftritten sorgte die nächstjährige Bayreuth-Isolde jüngst auch mit ihrem Debüt als Katerina Ismailowa (Lady Macbeth von Mzensk) für Furore. In unserem Interview spricht sie über den Spaß einer Rosalinde und natürlich über die neue Zürcher Götterdämmerung, in der sie ihr Debüt als Brünnhilde abschließt.

Camilla Nylund im Interview mit Johannes Karl Fischer

klassik-begeistert: Frau Nylund, in gut einem Monat debütieren Sie als Brünnhilde in Richard Wagners Götterdämmerung. Wie läuft die Vorbereitung für die Premiere?

Camilla Nylund: Eigentlich sehr gut, die Vorbereitung läuft ganz nach Plan. Die Szenen mit Siegfried und Waltraute hatte ich ja schon im Frühjahr geprobt, wir hatten also schon vorgearbeitet. Jetzt sind wir mit dem zweiten Aufzug auch fertig, es fehlen nur noch die Tarnhelm-Szene und natürlich die Schlussszene. Aber wir sind auf einem guten Weg. Die Proben sind sehr emotional, es ist sehr gefühlssensibel, was Brünnhilde da alles erleben und verarbeiten muss. Dennoch fühlt es sich gut an und ich bin sehr gespannt, wie es wird, die ganze Rolle und natürlich nächstes Jahr die zwei Zyklen zu singen.

Camilla Nylund © Anna S

klassik-begeistert: Wir sind alle auch sehr gespannt auf Ihre Götterdämmerungs-Brünnhilde. Mit dieser Rolle haben Sie dann alle großen Wagner-Partien Ihres Fachs im Repertoire. Was bedeutet das für Sie?

Camilla Nylund: Ehrlich gesagt kann es ich es gar nicht wirklich fassen, dass ich diese Rollen mit meiner lyrischen Stimme singen kann. Das hätte ich mir so nie erträumt. Diese Rollen sind einfach auf mich zugekommen, es ist ein Glück, dass ich sie alle geschafft habe. Ich singe immer mit meiner Stimme und versuche nicht, sie irgendwie größer zu machen oder sie zu verdunkeln.

American Songbook / Photo by: Suzy Stöckl

klassik-begeistert: Warum ausgerechnet Zürich? Gibt es da eine Wagner-Luft?

Camilla Nylund: [lacht] Ich weiß nicht, warum gerade in Zürich. Natürlich gibt es hier eine Wagner-Tradition. Wagner war ja in Zürich und mochte die Stadt auch sehr gerne. Aber man hat mir die Rollen einfach angeboten, und dann dachte ich, warum nicht? Es ist ja auch nicht so, dass man ein Angebot für eine Rolle bekommt und die dann im nächsten Jahr gleich singt. Das Angebot für die Brünnhilde kam 2018, gleich danach das für die Isolde. Und dann habe ich gedacht, ich probiere auch die Isolde hier aus. Ich hatte zwar schon vorher Angebote, die Isolde zu singen, aber das hat immer einfach nicht in meinen Kalender gepasst. Und jetzt kommt die Isolde 2024 ja gleich in zwei verschiedenen Produktionen, erst im Januar Dresden und dann im Sommer in Bayreuth.

klassik-begeistert: Wie ist das für Sie anders, wenn sie diese großen Rollen an einem kleineren Haus in Zürich singen als anderswo mit einer größeren Akustik?

Camilla Nylund: Ich glaube, das macht keinen Unterschied. Auch an einem kleinen Haus singt es sich akustisch nicht immer so leicht. Aber hier haben wir ein sehr gutes Bühnenbild, das hilft sehr. Und mein nächster Ring ist auch schon geplant, den werde ich in Mailand singen. Es geht also weiter mit der Brünnhilde, da freue ich mich auch schon.

klassik-begeistert: Sie haben in den letzten anderthalb Jahren Isolde, Lady Macbeth von Mzensk und Brünnhilde debütiert. Was kommt danach, oder –besser gefragt – was kann danach überhaupt noch kommen?

Camilla Nylund: Es gibt viele Partien, die ich gerne noch ein zweites Mal singen würde. Die Lady Macbeth habe ich erstmals nicht in meinem Kalender, das finde ich sehr schade. Oder auch die Erwartung von Arnold Schönberg: damit habe ich ja in Frankfurt debütiert, es war eine fantastische Produktion, leider mitten während Corona und daher mit wenig Publikum. Da steckte so viel Arbeit drin, das ist dann sehr schade, wenn man diese Rollen nicht weiterverfolgen kann. Neu kommt in einigen Jahren die Turandot dazu. Das ist zwar keine lange Rolle, aber solange ich die Höhe und keine Probleme mit den hohen Cs habe, möchte ich diese Partie unbedingt singen.

Camilla Nylund, Dmitry Golovnin © Monika Rittershaus

klassik-begeistert: Können Sie sich vorstellen, nach der Brünnhilde weiterhin auch Sieglinde oder sogar Senta zu singen?

Camilla Nylund: Auf jeden Fall, die Senta bleibt in meinem Repertoire, die werde ich weiterhin singen. Sieglinde habe ich erstmals nicht in meinem Kalender, aber die ist auch nicht mehr so interessant, nachdem man die Brünnhilde gesungen hat. Sowas hängt natürlich auch immer von der Besetzung ab, aber ich bin trotzdem sehr froh, dass ich jetzt die Brünnhilde weiterentwickeln kann.

klassik-begeistert: Die Götterdämmerung in Zürich ist ja weitestgehend ausverkauft, das ist im Moment leider die Ausnahme. Was müsste sich ändern, um wieder mehr Leute in die Zuschauerräume zu kriegen?

Camilla Nylund: Ich blicke sehr besorgt auf die verschiedenen Häuser, gerade jene, die nicht einen so regen Publikumsstrom haben. Es braucht vor allem kluge Köpfe, die die Häuser leiten und verstehen, was das Publikum so sehen möchte. Man muss natürlich gute Sänger, tolle Dirigenten und auch interessante Inszenierungen haben. Vor allem muss das Gesamtkonzept stimmen. Das Publikum sollte das Gefühl haben, wenn ich das nicht gesehen habe, habe ich was verpasst. Es bringt nichts, wenn die Leute nach einer Aufführung verärgert sind und sich fragen, warum sie hierfür jetzt Geld ausgegeben haben.

klassik-begeistert: Ich glaube, wir sind und alle einig, dass es kluge Köpfe und tolle Sänger braucht. Aber wie wichtig sind allein die Namen, die auf den Plakaten stehen? Kann man damit Häuser füllen oder braucht man auch größere Konzepte?

Camilla Nylund: Naja, man kann immer sagen, mit Namen kann man die Häuser füllen. Das ist heutzutage mit Social Media, Instagram usw. halt so. Aber hoffentlich siegt am Ende die Qualität. Oper ist Hochkultur, es kostet unheimlich viel Geld, eine Oper aufzuführen. Und das Publikum muss die Vorstellungen auch schätzen können. Seit der Pandemie haben viele Häuser damit zu kämpfen, dass die Leute die Lust an der Oper verloren haben. Ich war im Juni in San Francisco, da waren die Vorstellungen alle sehr gut besucht. Die spielen zwar nicht das ganze Jahr und auch nicht so viele Stücke. Aber die Häuser in Amerika haben zusätzlich damit zu kämpfen, dass dort alles nur privat finanziert wird. In Europa haben wir das Glück, dass der Staat einsieht, wie wichtig Kultur ist und dass sie gefördert werden soll. Man muss natürlich auch neues Publikum gewinnen, dafür gibt es verschiedene Ideen und Konzepte. Viele Leute sind nicht mehr bereit, was Schlechtes anzuschauen, wo einfach irgendein Regisseur sich auf der Bühne austobt.

Strauss, Rosenkavalier, Marschallin / Photo by: Ruth Walz

klassik-begeistert: Kommen wir noch kurz zur Fledermaus, sie werden zu Silvester ja die Rosalinde in Wien singen. Wie ordnen Sie die Rosalinde zwischen Brünnhilde, Chrysothemis und Isolde ein?

Camilla Nylund: Die Rosalinde begleitet mich seit meiner ersten Spielzeit in Hannover, 1995 habe ich damit debütiert. Sie bereitet mir einfach Spaß, vor allem den Csárdás habe ich immer irrsinnig gerne gesungen. Operetten sind schwierig zu spielen.  Da muss man sich reinschmeißen und nicht Jedermann kann das. Es hält mich sehr gesund, nach einer Brünnhilde auch die Rosalinde zu singen und zu spielen.  Das ist eine ganz andere Welt, vielleicht – könnte man sagen – auch ein bisschen klischeehaft. Aber ich finde es einfach lustig, in eine andere Welt hineinzutauchen. Und in Wien ist es einfach auch Tradition.

klassik-begeistert: Wie viel Rosenkavalier-Marschallin steckt in der Rosalinde?

Camilla Nylund: Naja, Rosalinde ist eine Sängerin, die geheiratet hat, dagegen steht die Marschallin in einem ganz anderen Licht und einer ganz anderen Position. Trotzdem sind sie einander sehr ähnlich. Denn die Marschallin hat einen Liebhaber und die Rosalinde einen verflossenen Liebhaber. Eisenstein möchte natürlich seine Abenteuer erleben. Den Feldmarschall sieht man zwar nicht, aber er hat sicherlich auch seine Abenteuer. Wie das Leben halt so spielt. Es ist eben beides K&K und daher schon sehr ähnlich.

 klassik-begeistert: Eine Wagner-Oper haben Sie noch nicht gesungen: Parsifal. Kommt noch die Kundry?

Camilla Nylund: Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Das ist eher eine Mezzo-Partie.

klassik-begeistert: Dann wünsche ich Ihnen weiterhin viel Erfolg mit der Brünnhilde und allen anderen Partien auch.

Wir danken sehr herzlich für das interessante Gespräch!

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