Foto: Opera Leśna Sopot. Foto: Taiyo Europe (c). Festspielort des Baltic Opera Festival im Juli 2021. The so-called Forest Opera and open-air amphitheatre is located in Sopot, Poland, with a capacity of 4400 seats with a perfectly fitting membrane roof.
Obwohl er eigentlich Regisseur werden wollte, landete er bei der Musik – quasi zufällig, wie er sagt. Der polnische Bassbariton Tomasz Konieczny singt an allen bedeutenden Opernhäusern dieser Welt. Zumindest, wenn es die Corona-Auflagen erlauben, wie in Spanien. Ab 13. Februar singt Konieczny am Teatro Real Madrid. Nicht irgendeine Partie, sondern seine “Lebensaufgabe”, wie er sie nennt: den Wotan (sprich Wanderer) im “Siegfried”. Darüber und über das Baltic Opera Festival in Polen, dem er in diesem Sommer als künstlerischer Leiter vorstehen wird, sprach Tomasz Konieczny mit klassik-begeistert.
Interview: Jürgen Pathy
Klassik-begeistert: Grüß Sie, Herr Konieczny. Sie proben gerade im Teatro Real Madrid den “Siegfried”, den dritten Teil des “Rings des Nibelungen” von Richard Wagner. Was sind die ersten Worte, die Ihnen dazu einfallen?
Tomasz Konieczny: Wir sind die Auserwählten. Ich bin den Politikern sehr dankbar, dass man in Spanien noch vor Publikum singen darf. Obwohl es mir um die anderen Künstler sehr leid tut, die nicht auftreten können. Im Rest der Welt, wie Sie ja wissen, haben die Opernhäuser fast überall geschlossen. Nicht so in Spanien. Im Gegensatz zu anderen Ländern ist den Spaniern die Kultur noch wichtig. Obwohl man schon dazu sagen muss, dass es hier bereits wärmer ist. Dennoch ist das unglaublich, was im Rest der Welt gerade passiert. Entbehrt es doch jeder Grundlage. Man hat doch gesehen, dass die Sicherheitskonzepte gegriffen haben. Mehrere Studien zeigen, dass die Konzertsäle und Opernhäuser keinesfalls gefährlich sind.
Auch auf der Bühne ist es Unsinn, aufgrund der Sicherheit keine Vorstellungen zu erlauben. Ich lasse es mir noch einreden, wenn man gewisse Opern mit großem Chor nicht spielt. Aber Werke wie “Die Walküre” oder “Siegfried”, wo maximal zwei bis drei Personen gleichzeitig auf der Bühne stehen, sollten überhaupt kein Problem sein.
Klassik-begeistert: Obwohl Sie im November 2020 positiv auf Corona getestet wurden. Wie ist es Ihnen ergangen?
Tomasz Konieczny: Es war nicht tragisch, aber auch nicht einfach. Nachdem ich zwei, drei Tage Schnupfen und Husten hatte, ließ ich mich testen. Nach dem dritten Tag habe ich den Geschmacks- und Geruchssinn verloren. Insgesamt hat es rund zehn Tage gedauert, davon hatte ich einen Tag Fieber.
Wegen der Sorge, wie das am Flughafen sein könnte, bin ich auch mit dem Auto nach Madrid gefahren. Um auf Nummer sicher zu gehen. Das war schon eine Herausforderung. Ich bin es gewohnt, viel mit dem Auto zu fahren. Bin in letzter Zeit viel damit unterwegs gewesen. In Mailand und anderen Städten. Bis 2000 km ist das okay, doch von Warschau nach Madrid sind es 3000 km.
Klassik-begeistert: Wie sieht der Probenalltag im Teatro Real Madrid aus?
Tomasz Konieczny: In den Proben singen wir mit Masken. Es ist ein wenig merkwürdig, aber besser als nichts. Für den Wotan (Wanderer) ist das im “Siegfried” nicht so schlimm. Für den Siegfried hingegen, den Andreas Schager singt, ist das eine andere Hausnummer.
Klassik-begeistert: Wie wird das bei den Vorstellungen ab dem 13. Februar ablaufen? Welche Restriktionen sind auferlegt?
Tomasz Konieczny: Wir werden jede Woche getestet. Das Haus darf 65 Prozent der Karten verkaufen. Um die Ausgangssperre, die ab 22:00 Uhr in Kraft tritt, nicht zu verletzen, müssen die Aufführungen früher angesetzt werden. Aber generell ist das alles kein Problem. Die Spanier sind sehr diszipliniert. Sie tragen die Masken auch auf der Straße. Klar, in Kneipen, die auch geöffnet sind, werden sie an den Tischen abgenommen.
Das Orchester hat ebenfalls einige Auflagen zu erfüllen. So werden die Bläser extra auf einer Seite in den Logen platziert, die Harfen auf der anderen Seite.
Klassik-begeistert: Was sagen Sie zur “Siegfried”-Inszenierung von Robert Carsen?
Tomasz Konieczny: Ich liebe seine Regie. Ich hab ja schon in mehreren seiner Produktionen gespielt. Zum Beispiel “La Bohème” in Mannheim. Zu seiner Arbeit beim “Siegfried” möchte ich sagen, dass sie sehr speziell ist. Die Avantgardisten mögen sie genauso wenig wie die Orthodoxen. Wichtig ist jedoch, dass die Menschen sie mögen.
Es gibt deutliche Anspielungen an die NS-Zeit. Jedem, der sich ein wenig auskennt, ist das klar. Walhall ist eine indirekte Andeutung an den Obersalzberg, wo Hitlers Berghof stand. Auch der Wotan ist ganz in Grau gekleidet. Im “Siegfried” finde ich das in Ordnung. In Carsens “Die Walküre” ist mir das ein wenig zu viel, zu plakativ.
Klassik-begeistert: Apropos Regie: Sie planen das Baltic Opera Festival (19. – 26. Juli 2021) aus dem Boden zu stampfen, wo Sie auch Regie führen werden. Woher nehmen Sie die Kraft, das in diesen schwierigen Zeiten umzusetzen?
Tomasz Konieczny: Meine Kraft kommt erstens von der existenziellen Sorge! In dieser schwierigen Situation müssen wir Künstler etwas unternehmen. Zweitens liebe ich Wagner. Wir werden den “Fliegenden Holländer” auf die Bühne bringen. Dabei werde ich nicht nur die Titelpartie singen, sondern auch Regie führen. Und drittens ist es der polnische Stolz. Wir planen auch so etwas wie eine Verbindung zwischen Deutschland und Polen. Der polnische Präsident hat bereits die Schirmherrschaft übernommen. Vor einer Woche habe ich erst mit Katharina Wagner gesprochen. Neben Dominique Meyer wird sie im Ehrenkomitee sein.
Klassik-begeistert: Wo wird das Baltic Opera Festival stattfinden?
Tomasz Konieczny: Zentraler Spielort wird die Waldbühne der Kurstadt Sopot (deutsch: Zopott) sein. Das liegt im Norden Polens an der Ostseeküste. Es ist eine wunderschöne Freiluftbühne, die Platz für 5047 Personen bietet. Die Bühne ist rundherum umgeben von Wald, die Plätze sind vollständig überdacht. Sogar Wolfgang Wagner hatte einst geplant, im “Bayreuth des Nordens”, wie Sopot genannt wird, Opern zu spielen. Die Akustik ist super. Im Umkreis gibt es auch viele Übernachtungsmöglichkeiten. Deshalb rechne ich mit einem großen Zuspruch des Publikums – auch aus Österreich und Deutschland.
Der Keim, die Idee, entstand während der Weinviertler Festspiele in Niederösterreich, wo ich den Holländer gesungen habe. Dort werde ich übrigens erst wieder auftreten, wenn die Sache rund um die nicht bezahlten Gagen geklärt sein wird. Aber die Idee, das Konzept, haben mich begeistert. Es bewegt sich wieder zurück zum Ursprung. Nicht zu viel Technik. So wird es auch in Sopot. Oper soll wieder einfach sein.
Klassik-begeistert: Wie sieht der Spielplan des ersten Baltic Opera Festival aus?
Tomasz Konieczny: Auf dem Plan stehen drei Bühnenwerke. Neben “Der fliegende Holländer” werden wir in Sopot noch “Die Zauberflöte” von Wolfgang Amadeus Mozart spielen. “Die Männerlotterie oder der Bräutigam Nr. 69”, ein Werk von Szymanowski, das an den Wiener Operettenstil erinnert, spielen wir im Shakespeare-Theater Danzig. Zum Ende planen wir eine Gershwin-Gala, bei der auch zwei Amerikaner dabei sein werden. Wer sonst noch singt, möchte ich nicht verraten. Nur so viel: Wagner-Fans werden nicht traurig sein, wenn sie die Namen hören werden!
Jürgen Pathy, 12. Februar 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at