EUYO Grafenegg 2024 © Michael Giefing
Grafenegg gibt schon seit Jahren dem exzellenten European Youth Orchestra eine musikalische und physische Heimat, wo sich die exzellenten jungen Musiker mit prominenten Dirigenten und Solisten auf interessante Konzertprogramme vorbereiten können. Auch 2024 kann das Grafenegger Publikum von interessanten Konzerten profitieren; hier einmal unter Iván Fischer.
Anna Clyne: „Masquerade“ für Orchester (2013)
Ernst von Dohnány: „Variationen über ein Kinderlied“ für Klavier und Orchester in C-Du
Gustav Mahler: Symphonie Nr. 1 in D-Dur
Isata Kanneh-Mason, Klavier
European Union Youth Orchestra (EUYO)
Iván Fischer, Dirigent
Wolkenturm, Grafenegg, 3. August 2024
von Herbert Hiess
Die britische und aktuell in USA lebende Komponistin Anna Clyne komponierte dieses Musikstück 2013 und wurde eigentlich – so liest man – von den Promenadenkonzerten in London im 18. Jahrhundert inspiriert. Deswegen wurde das interessante Werk auch in London bei den Proms uraufgeführt.
Frau Clyne wollte in diesem einsätzigen, fünfminütigen Werk die Synthese zwischen Musik und Tanz darstellen, was ihr exzellent gelingt. Sehr dicht instrumentiert und in tonalem Stil gehalten erzeugte das Werk pure Freude beim Grafenegger Publikum. Hier spielte das Orchester hochkonzentriert und folgte Maestro Iván Fischer auf jede Fingerbewegung. Wirklich beeindruckend.
Danach kam die farbige Pianistin Isata Kanneh-Mason (die Schwester des bekannten Cellisten Sheku Kanneh-Mason) aufs Podium und brillierte bei den interessanten und selten gespielten „Variationen über ein Kinderlied“ von Ernst von Dohnány.
Dohnánys Werk ist genauso interessant wie leider allzu selten gespielt. Der ungarische Komponist ist übrigens der Großvater des bekannten Dirigenten Christoph von Dohnány (um den es leider allzu still geworden ist).
Für großes Orchester gesetzt beginnt das Stück mit einer gewaltigen Einleitung für das ganze Orchester, um dann mit dem Kinderlied-Thema fürs Klavier zu beginnen. Da handelt es sich um das Lied „Morgen kommt der Weihnachtsmann“, das Frau Kanneh-Mason gekonnt darstellte. Dann steigert sich das Werk von Variation zu Variation und wird auch für das Klavier immer komplexer. Großartig, wie der Komponist Dohnány die einzelnen Instrumente einsetzte. Viele Variationen überraschen mit eigenen Instrumentationen; phantastisch beispielsweise der Dialog zwischen Harfe und Klavier.
Frau Kanneh-Mason zeigte hier ihre große Geläufigkeit, wenn auch sie manchmal fast zu distanziert spielte. Beispielsweise bei der Walzer-Variation hätte sie viel musikantischer sein können.
Und danach kam für das Orchester die große Bewährungsprobe namens „1. Symphonie von Gustav Mahler“. Das geniale Werk ist immer für ebensolche Effekte bekannt und verfehlte auch an diesem Abend im Wolkenturm seine Wirkung nicht.
Jedoch muss man hier „die Kirche im Dorf“ lassen und ein paar Bemerkungen anbringen. Zugegebenermaßen ist die schwierige und elektronisch unterstütze Akustik auch für Weltklasseensembles eine gewaltige Herausforderung.
Und für das EUYO war es dieses Mal sehr schwierig zu bewältigen. Im Wolkenturm klingen Bläser und Schlagwerk im Vergleich zu den Streichern überproportional stark; was auch manchmal unpräzise Akkorde und Einsätze brutal offenbart. Und interessanterweise waren die Paukerinnen bei Mahler fast überfordert; der Klang der Instrumente war viel zu dünn und passte so gar nicht zum restlichen Orchester. Auch die Paukensolostelle am Schluss des ersten Satzes war etwas unbeholfen. Schade, denn die Pauken sollten der „Motor des Orchesters“ sein.
Das bedeutet, dass der Dirigent auch akustisch im Wolkenturm intensiv mit den Musikern arbeiten sollte; insofern schade, weil es ansonsten eine Weltklasseaufführung gewesen wäre. Traumhaft, wie Iván Fischer musikalisch gestaltete; Referenzcharakter vor allem das Trio des zweiten Satzes und der komplette dritte Satz.
Chapeau vor der Kontrabasssolistin die in diesem Satz das „Frère Jaques“-Thema souveränst präsentierte; nicht minder besser die anderen Soloinstrumente (Fagott, Tuba, Harfe usw.). Fischer machte aus diesem Satz fast ein „jüdisches Volksfest“. Selten noch hörte man so beeindruckend die Klezmer-Atmosphäre. Und mehr als berührend die Passage aus den „Liedern eines fahrenden Gesellen“ (Die zwei blauen Augen). Da beim „Lindenbaum“ blieb kein Auge trocken.
Fazit:
Ein großartiges Ensemble, das jede Bemühung und jeden Cent wert ist; Dank auch an Grafenegg, wo seit zwei Jahren dieses Orchester seine Residenz haben kann. Nur sollten ALLE Instrumentengruppen gleichwertig „gecoacht“ werden; und im Hinblick auf die schwierige Akustik ist die beinharte Präzision gefragt.
2016 gelang dies dem Orchester unter Bernard Haitink – da hörte man beispielsweise einen Paukisten, der so nur in einem Spitzenorchester spielen kann.
https://www.evolver.at/musik/Grafenegg_Musikfest_2016092
Mag. Herbert Hiess, 4. August 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Nächster Termin mit diesem Orchester ist am
18/08/2024 So 19.30 Uhr
EUROPEAN UNION YOUTH ORCHESTRA
GIANANDREA NOSEDA
SIMON / BRITTEN / STRAUSS
KARFREITAGSKONZERT: Richard Wagner, Parsifal Grafenegg, Auditorium, 29. März 2024
Wiener Philharmoniker, Jakub Hrůša, Dirigent Wolkenturm, Grafenegg, 3. September 2023