Diesem Sänger ist die Musikalität, die warme wohlklingende Stimme (und vor allem der Umgang damit), die feine, bescheidene, sympathische, humorvolle Ausstrahlung in die Wiege gelegt worden.
Elbphilharmonie, Großer Saal, Hamburg, 17. September 2024
Jakub Józef Orliński – Countertenor
Foto: https://www.jakubjozeforlinski.com/#block-bartik-views-block-about-section-block-1
Il Pomo d’Oro
„Beyond“ – Arien und Instrumentalstücke von Monteverdi, Cavalli, Strozzi, Frescobaldi, Caccini u.a.
von Iris Röckrath
„Beyond“ nennt sich das Album aus der Welt des italienischen Barock, das Ende 2023 erschienen ist und mit dem sich das Originalklang-Ensemble Il Pomo d’Oro zusammen mit dem Countertenor Jakub Józef Orliński auf Europatour befindet. An diesem Abend ist nun endlich Hamburg an der Reihe.
Mit den ersten noch etwas verhalten präsentierten beiden Arien von Claudio Monteverdi taucht das Publikum ein in den Sog der wunderbaren Musik aus dem 17. Jahrhundert. Ich gebe zu, die meisten Namen der Komponisten habe ich noch nie gehört, umso bereicherter fühle ich mich am Ende des Konzertes, sie auf diese Weise wenigstens kurz kennengelernt zu haben. Zuhause wartet schon die CD zum Nachhören.
Das Zusammenspiel und die Intensität zwischen dem zart und nie aufdringlich begleitenden Instrumentalensemble in Verbindung mit der instrumental geführten klaren Stimme von Orliński ist ein Ohrenschmaus sondergleichen. Jede Musikerin und jeder Musiker wirkt verwachsen mit dem jeweiligen Instrument, der solistische, auch der Tutti-Klang sind schmeichelnd und wunderbar anzuhören.
Die choreografische Aufbereitung für die Elbphilharmonie inclusive einem Ausflug Orlińskis in die Zuschauerränge mit einem Beleuchtungsstab auf der Suche nach „ihr“ lässt dem Publikum den Atem anhalten. Es ist mucksmäuschenstill im Saal während der 70minütigen Performance.
So, wie die Melodien und Texte im Laufe des Abends permanent ihre Farben wechseln, so taucht auch Orliński in die unterschiedlichen Stimmungen des Abends ein, indem er mal nachdenklich am Bühnenrand sitzt, ein anderes Mal Schuhe und Strümpfe abstreift, ausgestreckt auf dem Boden liegt, um der Sonate für zwei Violinen F-Dur von Johann Caspar Kerll zu lauschen oder eine Breakdance-Einlage zu Antonio Sartorios „La certezza di tua fede“ gibt. Überhaupt sind es die ausdrucksstarken tänzerischen Bewegungen, die diesen besonderen Abend nicht nur zu einem musikalischen Hochgenuss werden lassen.
Ein großer Umhang als Requisit wird zu Beginn als Mantel auf den Schultern getragen, ein anderes mal zu Tanzschritten in den Armen gehalten und gewogen, und schließlich zu Rock und Kopftuch umfunktioniert, um ein altes Mütterchen darzustellen, das „Je älter eine Frau wird, desto mehr seht sie sich nach einem Ehemann“ krächzt.
Diesem Sänger ist die Musikalität, die warme wohlklingende Stimme (und vor allem der Umgang damit), die feine, bescheidene, sympathische, humorvolle Ausstrahlung in die Wiege gelegt worden.
Am Ende der 70minütigen Vorstellung nimmt das Ensemble den lautstarken Jubel des Publikums entgegen. Anscheinend hat es noch eine Zugabe vorbereitet: „It’s incredible, why not singing another one?“ fragt Orliński verschmitzt? Nun zeigt er auch noch sein Entertainment-Talent. Nach der dritten Zugabe in den Beifallssturm spielt er mit dem Publikum: „You have no choice – we start together from the beginning“ sagt er und natürlich ist das Gejubel riesengroß und will nicht enden.
An diesem Abend hat er eine völlig andere Seite gezeigt als bei seinem umjubelten Soloabend mit Klavierbegleitung im Mai des Jahres in der Staatsoper Hamburg. Ich bin gespannt auf meine nächste Begegnung mit Jakub Józef Orliński.
Von mir aus hätte der Abend gern noch einmal von vorn beginnen dürfen…
Iris Röckrath, 18. September 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at