Jan Lisiecki. Foto: © Holger Hage
Schleswig Holstein Musik Festival
13. Juli 2021
Norderstedt Tribühne
Jan Lisiecki
CAMERATA Salzburg
Wolfgang Amadeus Mozart
Konzert für Klavier und Orchester Nr.20 d-Moll KV 266
Sinfonie Nr. 41 C-Dur KV 551 „Jupiter“
von Elżbieta Rydz
Das Konzert in der Norderstedter Tribühne im Rahmen des SHMF ist Corona-konform vorbereitet: zügige Anweisungen zum Durchlenken der Besucher zu ihren Plätzen, kein Aufenthalt im Foyer, viele freie Plätze, um den behördlichen Auflagen gerecht zu werden. Unter den Konzertbesuchern sieht man keine Vertreter der jüngeren Generation, abgesehen von meiner 14-jährigen Tochter. Und auch wenn kurz vor dem Konzert nochmal der Klavierstimmer den Steinway-Flügel stimmt, so recht stellt sich meine Vorfreude auf die Musik nicht ein. Nach 20 Monaten Corona-Pandemie: Alles ist anders.
Hélène Grimaud, die das Konzert spielen sollte, hat wegen Einreisebeschränkungen abgesagt. Das d-Moll-Konzert spielt der 26-jährige Jan Lisiecki, den ich zum ersten Mal bei seinen grandiosen Chopin-Interpretationen vor 7 Jahren in der Laeiszhalle gehört habe.
Mozarts d-Moll-Konzert entstand 1785 und wurde am 11. Februar desselben Jahres von ihm selbst aufgeführt. Es ist das erste seiner beiden in Moll komponierten Konzerte von insgesamt 27 Werken dieser Gattung. Dieses Werk, streckenweise von erschreckender Düsternis, bietet kein geistvolles Spiel oder glanzvolle gesellschaftliche Unterhaltung. Die klassische Ausgeglichenheit existiert hier nicht mehr.
Im ersten Satz Allegro weisen rollende Bässe und zuckende Synkopen auf den inneren persönlichen Kampf in der individuellen Welt hin, während das begleitende Orchester die Außenwelt darstellt. Der Satz endet im Piano aber der Konflikt ist nicht gelöst, nur verschoben.
Ein erster Beschwichtigungsversuch in B-Dur wird in der Romanze unternommen: leicht anmutig, unschuldig, beschwichtigend. Die Illusion währt nicht lange: Schon wieder bricht es los, wahrhaftige Sturzbäche aus den inneren und äußeren Stürmen. Dunkle Elemente des 1. Satzes manifestieren sich in den Akkordzerlegungen im stürmischen Mittelteil in g-Moll. Die wiedereinkehrende Romanzenstimmung überrascht, verheißt aber nichts Dauerhaftes. Es hilft nichts: Schmerzhafte Akzentuierungen untermauern den Kampf der inneren Welt im schmerzlichen Aufschrei.
Der Ausklang stellt sich im dritten Teil nicht ein: Selbst wenn das Rondo im Orchester in D-Dur endet, setzt das Klavier dem Schluss eine erschütternde Dissonanz entgegen.
Jan Lisiecki überzeugt mit seiner Mozart-Interpretation, die musikalische Darstellung des inneren Kampfes gefällt dem Publikum ausgezeichnet. Mich selbst überraschen diese Ausdruckskontraste im Werk: Bis jetzt sah ich ausschließlich im Requiem das tiefgründige Komponieren verwirklicht.
Als Zugabe spielt Jan Lisiecki Chopin: und da fühle ich mich angefasst, verwundbar, zerbrechlich. Die Sorgen, Ängste, Ungewissheit brechen sich die Bahn. Auch in diesem zweiten Corona-Jahr bleibt meine unerfüllte Sehnsucht selbst auf der Bühne zu stehen, selbst Teil des SHMF zu sein und mit dem Chor und der Musik meine ganze Menschlichkeit auszudrücken, und hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.
Nach dieser Interpretation manifestiert sich ein persönlicher Wunsch. Ich möchte mein Herz aus der d-Moll-Tonart, in der es seit Beginn der Corona-Pandemie steckt, aus diesem sehr dunklen, ozeantiefen und kalten Nachtblau hinausführen in den Dur-Schluss. Und selbst die letzte Dissonanz des Klaviers würde mir ganz sicher meine optimistische Leichtigkeit und Unbeschwertheit des Seins nicht wieder nehmen.
Die „Jupiter“-Sinfonie wurde wohl zu Mozarts Zeiten nicht gespielt. Die initiale und zündende Idee aber aus dem Schlusssatz kein Kehraus, sondern ein polyphon sprühendes Hauptstück zu machen, war geboren, um in die Welt getragen und angewendet zu werden.
In dem gut gelaunten Tutti des Allegro vivace sticht besonders die muntere Unterhaltung zwischen den Violinen und Bässen hervor. Hier zeigt die Camerata Salzburg ihr Können: aufeinander hören, gemeinsam atmen, den begonnenen Faden aufgreifen und weiterspinnen. Sehr persönlich und vertraulich präsentieren sich im Andante cantabile die Geigen mit Dämpfer. Die Ausführung der fünffachen Fuge im Schlusssatz ist gekonnt theatralisch und überzeugend.
Nach 65 Minuten verlässt das Publikum Corona-konform den Raum. Zeit für Gespräch, Austausch, Reflexion ist nicht da. Alles bleibt anders.
Elzbieta Rydz, 13. August 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at