Foto: St. Nikolai am Klosterstern, Hamburg (c) Stazol
Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern, 19. Dezember 2019
Johann Sebastian Bach, Das Weihnachtsoratorium
Hamburger Camerata
von Harald N. Stazol
„Ein recht karger Kirchenraum“ sagt meine durch und durch hanseatische Freundin B. – sie hat mich ins „Weihnachtsoratorium“ von Johann Sebastian Bach eingeladen, die Hamburger Camerata soll brillieren wie der einzigartige Trompeter vieler Rezitative, doch dazu kommen wir noch – der „recht karge“ Kirchenraum von St. Nikolai am Klosterstern schwingt sich in ungeahnter Höhe wie eine Blüte jener, wie ich antworte, „Fünfziger, Schatz. Man hatte wenig Sex.“
Der arme Johann Sebastian, solch Geschwätz hat er nicht verdient. Und das gute Bürgertum um uns herum auch nicht: Es hat eine wundersame Allure schon am Klosterstern, wo die Musikliebenden auf die Gemeinde treffen, in ruhiger Anmut, und manche vielleicht sogar fromm. Ein Oratorium wie dieses, ja eigentlich unvergleichliche, ist für mich denn auch reiner Gottesdienst, zum Glück bin ich auch am Samstag im Michel dabei (s.u.)
Und es fragt sich, ob man dem protestantischen Werk des Meisters so etwas wie reine Magie zu unterstellen hat, aber irgendwann, nein, schon beim „Jauchzet, frohlocket“ fliegen die bösen Wolken mit den schwarzen Augen davon, nein, sie werden vom strahlenden Antlitz des Herrn geradezu aus dem Felde geschlagen! „Es begab sich aber zu einer Zeit“… und dann gleich Augustus – soviel zu Epiphanien.
Zum Rezitator: Das höchste bislang, das ich aus Peter Schreier in der damaligen Musikhalle (wie ich sie übrigens weiter bezeichnet wissen würde) hören durfte, es muss Anfang der Neunziger gewesen sein.
Matthias Hoffmann-Borggrefe, der Dirigent des Abends leidenschaftlich und souverän, mit soviel Verve, dass es den Maestro tatsächlich in leichtem Sprunge aus den Lackschuhen hebt – allein, das Ergebnis zählt. Da moduliert er die Tempi, ja, das ganze Klangspektrum und auch die Lautstärke der schönen “Kantorei St.Nikolai”, souverän nicht minder.
Nimmt man das und die vollbesetzte Kirche, deren Bankreihen von brennenden Kerzen flankiert sind, und über allem das wunderbare Mosaik von Oskar Kokoschka den Raum beherrscht, den Heiland am Kreuze, als man ihm Essig reicht, dann kommt ja die Geburt des Herrn zu seiner Apotheose, dem Tod am Kreuz.
Eine derartige Trompete, wie sie die Hamburger Camerata ihr eigen zu nennen das Glück hat, hört man selten. Die Wechselspiele in den kurzen Einwürfen des Sopran – dieser kam an diesen Abend bedauerlicherweise nicht ganz auf den notwenigen Höhen, sie klang ermattet matt – erfordern höchste Virtuosität ohnehin, die der Blechbläser nun auch noch zu meinem Entzücken mit so mancher, zahlreicher, barocker Verzierung versieht.
Auch die Konzertmeisterin ist zu loben, und ein Dirigent, der sich nicht zu fein ist, ihr, nach einem Solo im Stehen, den Notenständer wieder hinunterzustellen.
Ich weiß nicht, was Hoffmann-Borggrefe nach dem frenetischen, unter der Muschel der Decke bis an die Turmempore hinauf brandenden Applause, seinen Jungs und Mädels sagen würde: „Heute waren wir besser, als wir eigentlich sind!“, wie einst Herbert von Karajan zu seinen Wienern?
Wie aber diese gestern Abend wundervolle Aufführung des Bach´schen Weihnachtsoratorium am Samstag im Michel mit den Symphonikern Hamburg zu vergleichen sein wird, lesen Sie dann hier!
Harald N. Stazol, 19. Dezember 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at