Lübecks GMD Stefan Vladar feiert mit beiden Brahms Klavierkonzerten seinen 60. Geburtstag

Johannes Brahms, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-Moll und  Nr. 2 B-Dur  MUK Lübeck, 23. November 2025

Stefan Vladar © Olaf Malzahn

Herzlichen Glückwunsch, Stefan Vladar! Lübecks GMD schenkt sich und dem Publikum zweimal Brahms zum Geburtstag

Johannes Brahms
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-Moll op. 15 und
Nr. 2 B-Dur op. 83


Roberto Paternostro
, Dirigent

Stefan Vladar, Klavier
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck

Lübeck, Musik- und Kongresshalle, 3. Symphoniekonzert, 23. November 2025

von Dr. Andreas Ströbl

Zum Geburtstag gibt’s Geschenke, klar. Wenn man sich aber selbst etwas schenkt, das klingt, und wozu man ein nicht ganz kleines Instrument und ein größeres Orchester benötigt, dann haben auch die anderen etwas davon. So überreichte Lübecks GMD Stefan Vladar am 23. November 2025 einem begeisterten Publikum die beiden Klavierkonzerte von Johannes Brahms zu seinem 60. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!

Ein düsterer Kraftakt

„Außerordentliche physische Leistungen“ würden dem Solisten in Brahms’ Klavierkonzert Nr. 1 abverlangt, so der Musikwissenschaftler Walther Siegmund-Schulze. Passend zu dieser Einschätzung empfindet Stefan Vladar beide Klavierkonzerte als „große sinfonische Werke, die einen als Pianisten zum Wettstreit mit den Gewalten eines großen Orchesters herausfordern“, wie er im Programmheft-Interview bekennt. In der Tat ist es eine enorme Kraftanstrengung, gleich beide Stücke aufs Mal aufzuführen, was man dem Pianisten bei der hochengagierten Wiedergabe auch ansieht.

Opus 15 ist zwar ein Frühwerk des Komponisten, dessen „Sturm-und-Drang“-Phase musikalisch mitunter noch zuwenig Reife zugesprochen wird. Von seiner emotionalen Sprache her ist das Konzert ein Zeugnis früher Erfahrung von Düsternis und Tragik – man hat es immer wieder mit seiner unglücklichen Liebe zu Clara Schumann in Verbindung gebracht.

Dirigent Roberto Paternostro nimmt in seiner Interpretation mit dem Philharmonischen Orchester der Hansestadt Lübeck diese finstere Intonation ganz bewusst auf; das Tempo zu Beginn des Kopfsatzes ist getragen und vermittelt eine deutliche Schwere. Vladars Anschlag ist sehr sensibel und ungemein differenziert; mitunter wechselt er innerhalb eines Takts dessen Stärke. Schöner warmer Blechklang vermittelt eine elegische Stimmung, die etwas gnädiger wirkt, als der Beginn.

Der Pianist wechselt zu deutlicherem Ausdruck, perlende Läufe wachsen mit entschiedenem Anschlag zu energischem Gestus; lyrische Streicher-Momente erhellen zeitweise die Szenerie, aber dieses „Maestoso“ erzählt von einer dunklen Majestät.

Das folgende Adagio ist dynamisch und vom Tempo her gemessen, ja fast beschaulich und leicht in sich gekehrt. In herbstlicher Tristesse wird hier ein Bild tiefer Wehmut, aber auch inniger Sanftheit gemalt. Es klingt alles nach Abschiedsstimmung und Traurigkeit.

Dem ganz klar gegenübergesetzt ist das finale Rondo, in dem Hoffnung erblüht und sich kämpferisch vorandrängt. Es ist eine gewisse Trotzigkeit, die ganz offensichtlich die Düsternis zu überwinden trachtet; die Fuge spielt Vladar dynamisch ausgefeilt, mit brillantem, funkelndem Ton. Ganz klar ist das Klavier in diesem Wettstreit vorne dran und wirkt wie ein Motor des Miteinander. Hoffnung und Zuversicht brechen sich Bahn, wie die Erfüllung einer Sehnsucht, unterstrichen durch lebhafte Triller des Klaviers.

Ein anwesender Pianist wird dem Kollegen im Pausengespräch technische Brillanz und hohes Einfühlungsvermögen in die Partitur bewundernd attestieren.

Clara Schumann gefiel das Konzert, wie Vladar betont. Erhört hat sie Brahms aber nicht.

Siegerpose statt Tragik

Ganz anders in der Grundhaltung – von der gestalterischen Finesse abgesehen – tritt das 22 Jahre später entstandene Zweite Klavierkonzert auf. Sanfte Hornklänge schaffen im Allegro non troppo eine romantische Atmosphäre, flott entgegengesetzt sind zackige Klavier-Linien mit Energie und deutlichem Bekenntnis zu kämpferischem Selbstbewusstsein. Stakkato-Passagen vermitteln eine gewisse Kompromisslosigkeit. Das ist gehämmerter Wille, der sich durch temporeiche Läufe durch das von den Holzbläsern getragene Thema schraubt, um es dann selbst aufzunehmen.

Das Allegro appassionato kommt melancholisch daher, aber auch hier wächst aus einer wehmütigen Stimmung eine Entschiedenheit; die Bewegung ist durch Dur-Moll-Wechsel illustriert, in phantastischer Farbigkeit und Frische.

Im Andante brilliert das Cello von Hans-Christian Schwarz mit warmer Schmiegsamkeit und tonstreichelnder, samtiger Zartheit. Ja, und dann geht das Licht im Saal an und auf dem Podium aus. Eigentlich dürften Solist und Orchestermitglieder die Noten kaum mehr sehen, aber alle spielen mit bewundernswerter Souveränität weiter. Es gibt sehr intime Momente, in sich ruhende Inseln des Wohllauts. Irgendwann ist der technische Fehler behoben, aber die Mitwirkenden haben sich nach wie vor keine Irritation anmerken lassen.

Perlender Optimismus sprudelt aus dem finalen Allegretto mit dem treffenden Zusatz „grazioso“; ein klares Bächlein strömt hier durch lichte Aue, anmutig und liebenswert ist diese Musik. Flinke Klaviertriller geben hier muntere Akzente, eingebettet in typische Brahms-Schwelgerei, die immer wieder an seine ungarischen Anleihen gemahnt. Dieser Satz krönt gleichsam den Beginn, mit der frohgemuten Aufnahme seines dort noch etwas zweifelnd charakterisierten Themas. Strahlend und mit lachender Siegerpose endet dieses Werk.

Roberto Paternostro und Stefan Vladar © Andreas Ströbl

Zahlreiche Bravo-Rufe und langanhaltender Beifall sind die schönste Gratulation für den Pianisten, aber würdigen ebenso Orchester und Dirigenten. Also nochmal – herzlichen Glückwunsch! Auf viele weitere glänzende Konzerte!

Dr. Andreas Ströbl, 24. November 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Auf den Punkt 78: Hör mal, wer da hämmert… MUK Lübeck, 23. November 2025

CD-Besprechung: Johannes Brahms/Francesco Piemontesi, Klavier klassik-begeistert.de, 23. September 2025

CD-Besprechung: Brahms/Levit/Thielemann klassik-begeistert.de, 15. November 2024

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert