Foto: Jaap van Zweden © Brad Trent
Johannes Brahms
Symphonie Nr. 3 F-Dur op. 90 (1883)
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Symphonie Nr. 4 e-moll op. 98 (1884–1885)
Wiener Symphoniker
Jaap van Zweden, Dirigent
Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 26. Februar 2023
von Kathrin Schuhmann
Am vergangenen Sonntagvormittag war es soweit, der Kreis hat sich geschlossen, der Brahms-Zyklus um genau zu sein. So hatten sich die Wiener Symphoniker vorgenommen, in insgesamt zwei Konzerten jede der vier Symphonien des großen Meisters der Romantik dem Publikum des Wiener Konzerthauses zu Gehör zu bringen. Konnten sie für das erste Konzert im Januar Andrés Orozco-Estrada als Dirigenten gewinnen, stand für das zweite Konzert Jaap van Zweden, vielgefeiert Chefdirigent der New York Philharmonic, am Pult.
Es ist kein Geheimnis, dass es Brahms in seiner dritten und vierten Symphonie gelingt, sich von dem Einfluss des Riesen Beethovens weitestgehend zu befreien und sich sowohl in Hinblick auf die Ton- als auch die Formensprache voll und ganz selbst zu verwirklichen. Es ist nachvollziehbar, dass so manch einer von Brahms’ Zeitgenossen so seine Probleme mit den beiden Symphonien hatte. Man kann nur erahnen, wie überraschend und vermutlich frappierend die Gesamtkonzeption allein der 3. Symphonie auf die Hörer gewirkt haben wird, dauern ihre beiden Mittelsätze zusammen doch nicht einmal so lang wie einer der beiden Rahmensätze allein. Dank ihrer pastoralen und melodisch akzentuierten Gestalt konnte sie aber unterm Strich dennoch in der breiten Öffentlichkeit reüssieren – was man über die 4. Symphonie nicht sagen konnte. Selbst Eduard Hanslick, der damals wie heute gern als ‚Kritikerpapst‘ apostrophierte Fahnenführer der formalästhetischen Partei, wusste mit diesem Klanggebilde kaum etwas anzufangen. Zu gestückelt, hieß es in der Kritik, sei das Werk, es käme nicht in den richtigen Fluss, genießen könne man das kaum.
Zweifelsohne hat sich das Bild der Rezeption dieses Werkes im Laufe der Zeit gewandelt. Es ist von den Programmzetteln der weltweit führenden Orchester nicht mehr wegzudenken. Dass das Konzert am Sonntag nur wenig gefallen hat, lag demnach nicht am Werk, sondern an dessen Darbietung. Van Zweden hat weder dem Orchester noch dem Publikum einen Gefallen damit getan, dass er für alle Sätze verhältnismäßig rasche Tempi wählte, die Musik kaum atmen und Übergänge also häufig überspielen ließ, er förmlich durch die Musik hetzte. Dass zudem insbesondere in der 4. Symphonie auch die Intonation immer wieder zu wünschen übrigließ, war für die Gesamtwirkung ebenso wenig zuträglich. Der Schusssatz der 4. Symphonie bestach leider auch weniger durch die bei Brahms so wichtige Durchhörbarkeit der für ihn so charakteristischen durchbrochenen Kompositionstechnik, sondern irritierte viel mehr aufgrund der unausgewogenen dynamischen Balancierung zwischen Bläsern und Streichern. Dass die Triangel in ihren Einsätzen tatsächlich das komplette Orchester übertönte, statt als frischer instrumentatorische Klangeffekt der Musik in diesen Passagen einen zusätzlichen Reiz zu geben, gab der Darbietung den Rest.
Verglichen mit der 2. Symphonie, welche am vergangenen Freitag von den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Thielemann im Musikverein gegeben wurde, kann man nach der Darbietung der Symphoniker leider nur ein sehr nüchternes Fazit ziehen. Welche Gründe auch immer für die ungewohnt unbefriedigende Qualität der Darbietung dieses Orchesters auch ausschlaggebend gewesen sein werden – dem Konzertbesucher bleibt mit einem faden Nachgeschmack zurück. Hoffen wir, dass das Orchester in Zukunft zu seiner gewohnten und viel geschätzten Form zurückfinden wird!
Kathrin Schuhmann, 3. März 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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CD- Rezension: Brahms, Symphonien 3 & 4, Gewandhausorchester Herbert Blomstedt klassik-begeistert.de