Dirigent, Solisten, Chor und Orchester auf der Bühne des Konzerthauses © Barbara Kier
Heinz Ferlesch führt Barucco, drei exzellente Solisten und die Wiener Singakademie zu einer lebendigen, kontrastreichen Wiedergabe von Haydns „Jahreszeiten“
Der Dirigent wusste liebevolle Detailmalerei mit gefühlsvollem Ausdruck und mitunter überbordender Fröhlichkeit zu vereinen. Der Abschlusschor machte auf ergreifende Weise Hoffnung auf ein ewiges Leben jenseits der wandelbaren irdischen Jahreszeiten.
Joseph Haydn
Die Jahreszeiten
Oratorium für Soli, Chor und Orchester, Hob. XXI/3
Hanne: Johanna Wallroth, Sopran
Lukas: Patrick Grahl, Tenor
Simon: Martin Häßler, Bass
Barucco
Wiener Singakademie
Dirigent: Heinz Ferlesch
Wiener Konzerthaus, 8. März 2025
von Dr. Rudi Frühwirth
Schon mit dem ersten harten Paukenschlag wird klar, dass Heinz Ferlesch auf Weichzeichner verzichtet und auf Kontraste setzt. Und an Kontrasten mangelt es in Haydns „Jahreszeiten“ keineswegs. Das zarte Erwachen des Frühlings, das Ungewitter, das uns von einem quälend heißen Sommertag erlöst, die fröhliche Jagd und das berauschende Trinkgelage im Herbst, die klirrende Kälte und die warme Stube im Winter – Ferlesch im Verein mit allen Mitwirkenden erweckte sie liebevoll und detailreich zum Leben.
Der Text stammt von Gottfried van Swieten, der die Vorlage „The Seasons“ von James Thomson übersetzte und modifizierte. Mit der Einteilung in Rezitative, Arien, Cavatinen, Duette, Terzette und mächtige Chöre lieferte der Librettist dem Komponisten eine ideale Vorlage. Es lässt sich freilich nicht leugnen, dass der Text heute mitunter etwas betulich und altbacken wirkt. Haydns bewundernswerte, unerschöpfliche Erfindungsgabe und sein immer wieder aufblitzender genialer musikalischer Humor lassen über diese Mängel aber leicht hinwegsehen. Die reichlich gesäten lautmalerischen Effekte der Partitur bringen wohl auch die ernsteste Zuhörerin zum Schmunzeln.
Die Stimmung der jeweiligen Jahreszeit wird in der orchestralen Einleitung vorbereitet. Barucco, das von Ferlesch und dem Oboisten Andreas Helm gegründete Originalklangorchester, lässt uns ahnen, wie das Werk bei seiner ersten Aufführung im Jahr 1801 geklungen haben mag. Die Streicherbesetzung ist relativ klein, bei den Bläsern sind alle damals verfügbaren Instrumente vertreten; die Hörner sind sogar vierfach besetzt und treten in der herbstlichen Jagdszene markant hervor. Der Orchesterklang zeichnet sich durch wenig Vibrato bei den Streichern, farbige Klänge bei den Holzbläsern und ungestüme, manchmal raue Akzente bei den Naturhörnern, Naturtrompeten und Posaunen aus.
Die Rezitative und Arien sind vorwiegend Naturbeschreibungen, wobei die Natur auch die Menschen einschließt, die ihren der Jahreszeit angemessenen Tätigkeiten nachgehen.
Im Sommer geht allerdings die bloße Schilderung unversehens in ein Duett über, in dem Johanna Wallroth als Hanne und Patrick Grahl als Lukas ihre treue Liebe besingen. Gesanglich ohne Makel, fanden sie durchwegs die rechte Mischung von Leichtigkeit und Ausdruck. Wallroths heller Sopran glänzte mit sicherer Intonation auch in der hohen Lage; das reizende Lied, mit dem sie die Gesellschaft in der Spinnstube unterhält, gelang ihr wunderbar. Patrick Grahl war mit seinem leichten gelenkigen Tenor ideal für die die Rolle des Lukas. Besonders eindrucksvoll gestaltete er die Arie im letzten Teil, dem Winter, in der ein Wanderer zunächst mutlos durch den Schnee irrt, während im Orchester ängstliches Herzklopfen pulsiert. Dann aber beginnt sein Herz wieder freudig zu pochen, als er die rettende Hütte erspäht. Die wechselnden Gefühle spiegeln sich in der Gesangsstimme wie im Orchestersatz dramatisch wider.
Den Simon sang Martin Häßler, kurzfristig eingesprungen für den erkrankten Alexander Grassauer. Seine ausdrucksvolle Mittellage und sichere Höhe ließen leichte Schwierigkeiten in der Tiefe rasch vergessen. Auch die anspruchsvollen Koloraturen in zweien seiner Arien meisterte er glänzend. Obwohl die Protagonisten textlich wenig Eigenleben besitzen, sind sie dennoch von Haydn sehr individuell charakterisiert – Simon als sachlicher Kommentator, Lukas als schwärmerischer Jüngling, Hanne als selbstsicherer Ruhepol. In den Terzetten fanden die drei zu schönem Zusammenklang.

Die musikalischen Höhepunkte des Werks sind ohne Zweifel die Chöre.
Die Lobpreisung Gottes am Ende des Frühlings, der prachtvolle Sonnenaufgang und das Ungewitter im Sommer, die Jagd und das Trinklied im Herbst, und besonders der hymnische Aufschwung am Ende gehen über bloße Naturschilderungen weit hinaus und geben dem Werk eine philosophische Grundierung, einen Einblick in unsere singuläre Stellung auf dieser Erde, die ja heute wieder intensiv diskutiert wird.
Die perfekt vorbereitete Wiener Singakademie untermauerte abermals ihre Stellung als einer der führenden Chöre im österreichischen Musikleben. Im Trinklied stachelte Ferlesch seinen Chor zu bacchantischer Ausgelassenheit an, in den Fugen und fugierten Passagen herrschte beispielhafte Klarheit und Transparenz.

Der starke Eindruck, den Werk und Aufführung hinterließen, ist zu einem guten Teil der temperamentvollen Gesamtleitung von Heinz Ferlesch zu verdanken. Er vereinte liebevolle Detailmalerei mit schwärmerischem Ausdruck und mitunter überbordender Fröhlichkeit, und gab uns am Ende ergreifende Hoffnung auf eine transzendente Existenz, unberührt vom ewigen Kreislauf des Wandels und der irdischen Jahreszeiten.
Das Publikum dankte ihm und allen Mitwirkenden mit hochverdientem stürmischem Beifall.
Dr. Rudi Frühwirth, 10. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at