Junge Stimmen singen alte italienische Meister mit Leidenschaft

Jubiläumskonzert des Vocalensembles Pinneberg   Pinneberg, Lutherkirche, 28. Juni 2024

Das Vocalensemble Pinneberg mit seinem Leiter Klaus Schöbel (rechts), Foto: privat

Jubiläumskonzert des Vocalensembles Pinneberg  – 20 Jahre Vocalensemble

Hanna Ramminger – Sopran
Stefan Kuhlich –
Tenor

Susanne Horn – Viola da Gamba, Rainer Lanz – Continuo, und dem Vocalensemble Pinneberg

Klaus Schöbel, musikalische Leitung

Pinneberg, Lutherkirche, 28. Juni 2024

von Jolanta Łada-Zielke

Die Geschichte des Vocalensembles Pinneberg begann vor 20 Jahren, als Klaus Schöbel, der Kantor und Organist der dortigen Lutherkirche, mit einer kleinen Gruppe interessierter Sänger einen neuen Chor gründete. Diese Menschen hatten Lust auch weltliche Werke, wie Madrigale, Tanz-, Liebes-, oder sogar Fress- und Sauflieder (wie „Le Tourdion“) zu singen, die nicht unbedingt zur Kirchenmusik gehören.
Da sich die Musikgeschichte jedoch zum größten Teil auf Kirchenmusik gründet, und das Vocalensemble bald große Freude an früher mehrstimmiger Musik empfand, gelangten bald auch Stücke von Josquin oder Johann Walter in das Repertoire des jungen Chores. Der erste Auftritt dieser Formation fand dann anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Lutherkirche in Pinneberg statt und war ein großer Erfolg. Heute führt das Ensemble die Werke vom Mittelalter bis zur Gegenwart, viel feinstimmige a cappella-Stücke, aber ebenso Kantaten, Messen und Oratorien auf.

Das Vocalensemble Pinneberg lädt die Musikliebhaber in die Lutherkirche Pinneberg am Freitag, 28. Juni um 19:30 Uhr zu seinem Jubiläumskonzert ein, dessen Programm mehrere Schattierungen der frühen italienischen Musik zeigt. Der Höhepunkt ist das auf biblischer Geschichte basierte Vokal- Instrumentalstück „Jephte“ von Giacomo Carissimi (1605-1674), welches das Ensemble auch in seinem Gründungsjahr aufführte. Man kann es als ein Mini-Oratorium bezeichnen. Der Protagonist Jephte, ein israelitischer Richter und Krieger, bittet Gott um Hilfe im Kampf gegen die Ammoniten. Wenn die Israeliten unter seiner Führung siegen, verspricht er, die erste Person Gott zu opfern, die ihn nach der Schlacht begrüßen wird. Unglücklicherweise stellt es sich heraus, dass dies seine eigene einzige Tochter ist.

Die Musik spiegelt das Dilemma des unglücklichen Vaters und seiner zu opfernder Tochter wider. Die Titelrolle (Jephte) singt Tenor Stefan Kuhlich und die Tochter Jephtes (it. Filia) die Sopranistin Hanna Ramminger, Stipendiatin des Richard-Wagner-Verbands sowie Neustart Kultur. Sie ersetzt hier Magdalena Huhn, die kurz zuvor ihre Teilnahme an dem Konzert absagen musste.

In den Arien und Rezitativen von „Jephte“ drücken die Sänger eine ganze Palette von Gefühlen in kurzer Zeit aus. Am Anfang singt Filia voller Freude, dass ihr Vater siegesreich zurückkehrt. Dann kommt es zu einem großen Bruch, weil sie erfährt, dass er sie opfern soll. Die beiden sind verzweifelt; der Vater, dass er seine Tochter verlieren wird, und diese auch, dass sie in den Tod gehen muss. In der letzten Arie äußert die Sängerin eine weitere Emotion: die Wut. Diese äußert sich durch die schnelleren Passagen, von starker Dramatik geprägt. Mehrere Echos verstärken zusätzlich diese emotionale Partie.

Hanna Ramminger © Andrea Lang / fotografiehamburg.de

Es gibt noch eine dritte Figur in „Jephte“: Einen Erzähler – Historicus. „Hier greift Carissimi eine alte Tradition auf, den Erzähler manchmal mehrstimmig zu besetzen. Heinrich Schütz hat das schon nach altem italienischem Vorbild genauso gemacht. Diese Partien singen die Mitglieder des Vocalensembles. Nahezu alle unsere Sänger haben privaten Gesangsunterricht, also sind sie in der Lage, auch ab und zu Solo-Partien zu singen“, so Klaus Schöbel.  

Passacaglia – ein musikalisches Sandwich mit scharfen Zutaten

Am Konzertabend, 28. Juni 2024, erklingen ebenfalls zwei gesungene Passacaglien. Eine von ihnen – von Frescobaldi – nennt Klaus Schöbel ein interessantes „Sandwich aus Text und Musik“.  In diesem Stück besingt eine Frau ihren „Ex“, und ihre Einsätze gleichen schier endlos immer wiederholenden Schmähtiraden. Die andere Passacaglia komponierte Giuseppe Caruso (17. Jahrhundert) für Chor, und sie besteht aus Variationen der Fronleichnam-Sequenz „Lauda Sion Salvatorem“. Dies ist ein steigernder Lobpreis, der sich wiederholt – ein „musikalisches Sandwich“ der anderen Art.

© Vocalensemble

Im Programm des Vocalensembles Pinneberg steht, dass es erfahrene Sängerinnen und Sänger mit jungen Stimmen sind. Laut Klaus Schöbel hängt die „Jugendlichkeit“ der Stimme nicht unbedingt vom Alter des Sängers ab. „Es kommt darauf an, wie man die Stimme pflegt, und wie man sie kontrolliert. Unsere Sänger sind im verschiedenen Alter, viele haben Familien und feste Arbeitsstellen. Die Tatsache, dass sie privaten Gesangsstunden nehmen, trägt gute Früchte, von denen die ganze Gruppe profitiert. Ich bewundere ihr Verantwortungsbewusstsein für die Qualität unseres Klanges. Als ich für längere Zeit ausfiel, haben sie eine Gesangslehrerin engagiert, um mit ihr zusammen zu trainieren.

Außerhalb der Kirche treten wir eher selten auf. Es gibt für uns genug zu tun, weil wir außer Gottesdiensten noch die Auftritte für Weihnachts-, Osterzeit und verschiedene Feste unserer Gemeinde vorbereiten“.

Das Vocalensemble Pinneberg tritt gerne in erster Linie mit den dem Musikstil adäquaten Instrumenten zusammen auf: bei der älteren Musik mit historischen und bei der neueren mit modernen.

Im Jubiläumskonzert sind das Viola da Gamba (Susanne Horn) und Truhenorgel (Rainer Lanz). Das Konzert wird unter der Leitung von Klaus Schöbel stattfinden.

Jolanta Łada-Zielke, 26. Juni 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

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