Kammermusik in der Laeiszhalle: Höchste Zeit, dass auch die Lunchkonzerte wiederkommen!

Kammerkonzert der Symphoniker Hamburg,  Laeiszhalle Hamburg, Kleiner Saal, 22. April 2022

Laeiszhalle Kleiner Saal, (c) Thies Rätzke

Der facettenreiche Klang dieser Kammermusik ist das perfekte Mittel, sich ein wenig aus den Stunden des hektischen Alltags abzuschalten. Höchste Zeit, dass auch die Lunchkonzerte wiederkommen! Am besten im Foyer, so wie früher.

Laeiszhalle Hamburg, Kleiner Saal, 22. April 2022

Symphoniker Hamburg

Paweł Kisza, Violine
Olivia Rose Francis, Violine
Hsiang-Hsiang Tsai, Viola
Theresia Rosendorfer, Violoncello

Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Anton Webern und Alexander Borodin

von Johannes Karl Fischer

Was war das für eine wundervolle Borodin-Notturno! Nach der singenden Melodie in himmlisch hoher Cello- und Violinlage einmal richtig Dampf in der Mitte. So schwungvoll schwebend habe dich diesen Satz noch nie gehört, und finde es immer noch sehr mutig, das Tempo da so heftig anzuziehen. Das hat richtig gut funktioniert und richtig Spaß gemacht, dabei zuzuhören. Sehr eindrucksvoll, was man mit einem so bekannten Satz alles machen kann. Genau der Gegenwind, den man fühlt, wenn man mit runtergekurbeltem Fenster durch eine idyllische Auenlandschaft fährt. Tonmalerei vom Allerfeinsten.

Dass der hauptberufliche Chemiker die Nocturne mit drei weiteren Sätzen zu seinem zweiten Streichquartett D-Dur verziert hat, wird leider allzuoft vergessen. Vor allem das lebhafte Scherzo ist eine wahre Sternstunde dieser Gattung. Springende Geigen über dem pizzicato-Cello, fröhlicher geht es kaum.

Ich hebe bei Streichquartetten ungern Einzelleistungen hervor, aber Theresia Rosendorfers Cello-Soli im Kopfsatz waren allerfeinste Sahne. Und wenn wir schon mal dabei sind: Auch die anderen Stimmen waren sehr stark besetzt. Eine wahre Zusammenschmelzung der Mittelstimmen von  Olivia Rose Francis (2. Violine) und Hsiang-Hsiang Tsai (Viola), so, wie sich das bei guter Kammermusik gehört. Paweł Kisza (1. Violine) hatte hier und da ein paar Intonationsprobleme, meisterte seine Aufgabe – die Melodie zu tragen – unterm Strich aber souverän.

In der ersten Hälfte das d-Moll Quartett KV 421 von Mozart. Trotz der düsteren Tonart ein sehr sanfter Klang, wie es sich für Mozart gehört. Von den „Wehklagen“, die das Programmheft in diesem Werk verspricht, keine Spur. Wären meiner Einschätzung nach auch fehl am Platz in der Musik des gebürtigen Salzburgers. Selbst die große g-Moll Sinfonie lebt von ihrer Eleganz!

Stattdessen schwebende melodische Linien, langgezogene Bögen und sanfte Sprünge. Eine halbe Stunde seelische Ruh‘, ein Ausflug in eine utopische Fantasiewelt. Und ein völliger Kontrast zu dem, was in der – leider realen – Außenwelt gerade alles passiert.

Zwischen Mozart und Borodin der Langsame Satz für Streichquartett von Anton Webern. Anders als die Borodin-Nocturne wurde dieser Satz tatsächlich als Einzelwerk geschrieben und veröffentlicht. Wer sich normalerweise von dem Namen „Webern“ im Programm abschrecken lässt – leider immer noch zu viele in der Klassik-Szene –, braucht hier keine Angst zu haben. Dieser Einzelsatz wurde 8 Jahre vor dem berüchtigten Skandalkonzert komponiert und ist noch Welten von den dissonanten Zwölftonklängen Weberns späterer Werke entfernt. Ein etwas überspielter Satz, musikalisch deutlich im Schatten der Borodin- und Mozart-Quartette. Trotzdem sehr schön musiziert.

Vor kurzem habe ich mir sagen lassen, die Hamburger Symphoniker waren vor wenigen Jahren kurz vor der Insolvenz. Ein Abkommen mit der Musikhochschule soll ihnen dieses Schicksal erspart haben. Was wäre das für ein herber Verlust für die Hamburger Konzertszene, würde es die Kammerkonzerte in der Laeiszhalle nicht mehr geben. Kammermusik ist immer noch einer der unterschätztesten Gattungen der Klassik, warum auch immer. Die facettenreiche Tonpaletten inmitten eines intimen Klangs mit wenigen Instrumenten ist doch das perfekte Mittel, sich ein wenig aus den hektischen Stunden des Alltags abzuschalten. Etwas, was ein noch so mitreißender Wagner-Klang nicht leisten kann. Höchste Zeit, dass auch die Lunchkonzerte wiederkommen! Am besten im Foyer, so wie früher.

Johannes Karl Fischer, 23. April 2022 für
klassik-begeistert.de und Klassik-begeistert.at

 

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert