Das Abschlusskonzert des Kammermusikfestes Oberlausitz beglückt mit einem anspruchsvollen Programm und unbändiger Spielfreude

Kammermusikfest Oberlausitz  Ev.-luth. Kirche Baruth, 15. September 2023

Marlene Wendl, Nils Mönkemeyer, Nikolaus Branny und Jan Vogler © Mechthild Lehmann

Kammermusikfest Oberlausitz
Abschluss- und Kooperationskonzert mit dem Moritzburg Festival

Robert Schumann: „Märchenerzählungen“ op. 132

Ludwig van Beethoven: „Duett mit zwei obligaten Augengläsern“ Es-Dur WoO 32 und „Gassenhauer“-Trio B-Dur op. 11

Max Bruch: Drei Stücke aus „Acht Stücke“ op. 83

Johannes Brahms, Trio a-Moll op. 114, Fassung für Viola, Violoncello und Klavier

Nils Mönkemeyer, Viola
Jan Vogler, Violoncello
Marlene Wendl, Klarinette
Nikolaus Branny, Klavier

Ev.-luth. Kirche Baruth, 15. September 2023

von Pauline Lehmann

Mit dem Kammermusikfest Oberlausitz (KMO) lädt neben dem Lausitz Festival eine weitere Veranstaltungsreihe ein in den Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien, in die ländliche Region zwischen den Städten Dresden und Görlitz, Hoyerswerda und Zittau. Vom 8. bis zum 15. September 2023 fanden in sechs Schlössern sowie in den Kirchen von Baruth, Ebersbach und Hochkirch insgesamt zehn Konzerte mit 100 Musikerinnen und Musikern aus zwölf Nationen statt.
Vor Ort wurden die Konzerte von über 100 ehrenamtlich Engagierten vorbereitet und begleitet. Intendant ist der Düsseldorfer Dr. Hagen W. Lippe-Weißenfeld, Geschäftsführender Gesellschafter der Kultur-Beratungsgesellschaft ProjektSchmiede GmbH. Die Geschichte um den einstigen Sitz seiner adligen Familie in Baruth lädt den 48-Jährigen dazu ein, sich in der Region vielfältig kulturell zu engagieren. Das noch junge Kammermusikfest Oberlausitz geht aus einem Benefizkonzert zugunsten der Glocken der Baruther Kirche im Frühjahr 2019 hervor. Ein besonderes Anliegen des Intendanten ist es, die Kirchen und Schlösser als geschichtsträchtige Orte der Begegnung zu bewahren.

Das Kammermusikfest Oberlausitz wechselt sich im Zweijahresmodus mit der dazugehörigen Akademie ab, die in ihrer zweiten Ausgabe vom 14. bis zum 18. Februar 2024 stattfinden wird. Die künstlerische Leitung hat der Bratschist Nils Mönkemeyer inne, der bereits im Jahr 2016 gemeinsam mit der Caritas Bonn das Kammermusikfestival „Klassik für Alle“ ins Leben rief, welches sozial schwächeren Familien eine kulturelle Teilhabe ermöglichen möchte. Die „KMO-Akademie“ kooperiert mit den Musikschulen in Bautzen, Görlitz und Hoyerswerda sowie mit der Musikschule Dreiländereck. Das in diesem Jahr erstmals durchgeführte Projekt „KMO meets school“ möchte den musikalischen und gesellschaftlichen Bildungsauftrag auf die allgemeinbildenden Schulen ausweiten, über die „KMO-Baumpatenschaften“ steht auch die Umweltproblematik im Fokus.

Bei spätsommerlichem Wetter gestalten die Schülerinnen und Schüler der Kreismusikschule Bautzen das Vorprogramm im Kirchgarten. Mit dem Pianisten Nikolaus Branny (geb. 2000) und der Klarinettistin Marlene Wendl (geb. 1998) stehen Nils Mönkemeyer und Jan Vogler im Konzert selbst zwei enthusiastische und versierte Nachwuchsmusiker gegenüber. Nikolaus Branny ist diesjähriger Teilnehmer der Moritzburg Festival Akademie, Marlene Wendl gehörte bereits im vorigen Jahr zu den Stipendiaten.

Baruther Kirche © Pauline Lehmann

Unter allen Kammermusikkonzerten, die ich bisher gehört habe, sind Verve und Leidenschaftlichkeit vom gestrigen Abend einzigartig. Die besondere klangliche Couleur der Besetzung ist empfindsam austariert – besonders wenn der Klavierpart von Nikolaus Branny zwischen diffizilen, perlenden Begleitfigurationen in solistisch geführte melodiöse Passagen übergeht. Nils Mönkemeyer und Jan Vogler moderieren die einzelnen Stücke kurzweilig an, das Publikum in der bis fast unters Dach gut besuchten Kirche ist hellauf begeistert. Der Abend verheißt kammermusikalische Sternstunden, die mit einem gemeinsam mit dem Publikum musizierten „Der Mond ist aufgegangen“ schließen.

Zu Beginn des Abends erklingen Robert Schumanns „Märchenerzählungen“ op. 132 mit einer seicht-schimmernden Phrase, die von der Bratschen- zur Klarinettenstimme wandert. In besonderer, traumwandlerisch schöner Couleur von Bratsche, Klarinette und Klavier entführen Nils Mönkemeyer, Marlene Wendl und Nikolaus Branny mit musikalischer Neugier und Spontanität in die fantasievollen Klangwelten der vier Charakterstücke. Die Instrumentation sei „von ganz eigenthümlicher Wirkung“, schrieb Robert Schumann über die Miniaturen, die er Anfang Oktober 1853 komponierte und die ein Novum in seinem Schaffen darstellten. Die Stücke sind darüber hinaus auch sein letztes kammermusikalisches Werk, das zu seinen Lebzeiten gedruckt wurde. Ihn inspirierte wahrscheinlich Mozarts „Kegelstatt“-Trio, das er seiner Zeit in Düsseldorf gehört hatte und das ursprünglich für diesen Abend auf dem Programm stand, jedoch durch Beethovens „Gassenhauer“-Trio ersetzt wurde.

Ludwig van Beethovens „Duett mit zwei Augengläsern“ in Es-Dur für Viola und Violoncello entstand wohl zwischen 1795 und 1798, als sich der Komponist über Duo, Trio und Quintett an die Königsdisziplin der Kammermusik schlechthin, das Streichquartett, heranarbeitete. Wie schon der kuriose Titel, so wirkt das ganze Stück wie ein klug-gewitzter und pointierter, aber auch mal ernster Dialog der beiden Streichinstrumente. Laut Nils Mönkemeyer bezieht sich der Titel auf den humoristischen Rat des Komponisten an die beiden Interpreten, doch die Brille aufzusetzen, um die virtuosen Passagen, die das Stück durchaus in nicht geringer Zahl bereithält, zu meistern. Beethovens „Gassenhauer“-Trio glänzt durch wunderbare kantable Passagen im zweiten Satz, im Klavierpart blitzen verzierende Passagen hervor.

Marlene Wendl und Nils Mönkemeyer malen in drei ausgewählten Stücken aus Max Bruchs op. 83 eine elegisch-expressive Klangwelt, ein stilles Jauchzen und Sehnen. Max Bruch komponierte die Stücke im Jahr 1908; anlässlich des 70. Geburtstages seines Vaters wünschte sich sein ältester Sohn Felix ein Kammermusikwerk, welches sich mit Schumanns „Märchenerzählungen“ und Mozarts „Kegelstatt“-Trio in ein Konzert einbetten ließe. Wie Nils Mönkemeyer erzählt, so hat einer Legende nach die im 5. Stück verarbeitete „Rumänische Melodie“ über die Oberlausitz ihren Weg zu Max Bruch nach Hamburg gefunden.

Den Abschluss des Konzerts bildet Johannes Brahms’ Trio in a-Moll op. 114, das er im Sommer 1891 im oberösterreichischen Bad Ischl zeitgleich mit dem Quintett op. 115 komponierte, nachdem er im März den Meininger Klarinettisten Richard Mühlfeld begeistert gehört hatte und seine kompositorische Laufbahn eigentlich als abgeschlossen betrachtet hatte. In Baruth erklingt jedoch die Fassung für Viola, Violoncello und Klavier – nicht minder farbenreich als die Klarinettenfassung als rundes Finale eines wunderbaren Konzertabends.

Pauline Lehmann, 16. September 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

https://klassik-begeistert.de/?s=Pauline+Lehmann

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