Interview mit der Primaballerina Heather Jurgensen und Yaroslav Ivanenko Teil III: Der Anfang war nicht ganz einfach, aber jetzt sind wir in Kiel erfolgreic

kb im Gespräch mit Heather Jurgensen und Yaroslav Ivanenko – Teil III  klassik-begeistert.de, 20. Dezember 2024

Heather Jurgensen und Yaroslav Ivanenko im Ballettbüro des Theaters Kiel, am 10. Dezember 2024 (Foto: RW)

Interview mit der Primaballerina Heather Jurgensen und ihrem Ehemann Yaroslav Ivanenko, dem Kieler Ballettdirektor, Teil III

von Dr. Ralf Wegner

Wie schafft man es, mit einer kleinen Companie große klassische Ballette aufzuführen?

klassik-begeistert: Ihr Programm in Kiel ist sehr ambitioniert. Wir haben hier im letzten Jahr Othello und in diesem Frühjahr Giselle bewundern dürfen. Klassische Ballette wie Giselle oder jetzt Schwanensee werden in der Regel von größeren Kompanien aufgeführt. Wie schaffen Sie das mit ihren 19 Tänzerinnen und Tänzern?

 Yaroslav: Das schaffen wir nicht, wir brauchen Gäste. Die bekommen wir auch von unserer an das Kieler Theater angebundenen Ballettakademie, vor allem Tänzerinnen. Die werden bei uns häufiger im Repertoire eingesetzt.

Schwanensee beim Ballett Kiel (Foto: Olaf Struck)

Heather: Bei Giselle tanzten Mädchen aus der Akademie, genau wie jetzt im Schwanensee. Sie werden auch bei den Gouvernanten im ersten Akt eingesetzt. Uns helfen auch die Kleinen, um die Bühne zu füllen, und Statisten sind bei fast jedem Stück dabei.

Yaroslav: Die Produktion ist ziemlich groß. Anders als bei Othello, einem mehr zeitgenössischem Ballett, brauchen wir bei Giselle oder jetzt beim Schwanensee mehr Frauen. Ideal wäre es natürlich, wenn wir 30 Tänzerinnen und Tänzer hätten. Aber die Zeiten sind jetzt, nicht nur in Deutschland, recht kompliziert. Obwohl ich zugestehen muss, dass wir aktuell zwei Extraverträge zugebilligt bekommen haben.

Heather: Es handelt sich um zwei Tänzerinnen aus der Ukraine. Die kamen zunächst als Gast zu uns. Dann hat die Stadt es uns ermöglicht, sie fest anzustellen.

Wir sind mit unseren Ballett-Vorstellungen in Kiel erfolgreich geworden

klassik-begeistert: Wie hat sich seit dem Beginn Ihrer Direktion das Publikumsinteresse entwickelt?

Yaroslav: Das war anfangs nicht ganz einfach. Als wir kamen gab es hier eher Tanztheater. Das Repertoire war ganz anders.  Wir wollten etwas Neues bringen, und das kam gut an. Die Companie sollte klassisch aufgebaut sein, aber auch auf Herausforderungen reagieren können. Jetzt nach 14 Jahren kann ich von Erfolg sprechen. Wir haben unsere Zuschauer gefunden. Wir wollen zusätzlich noch versuchen, ein jüngeres Publikum an uns zu binden.  Deshalb möchte ich in der nächsten Spielzeit die Ballettakademie stärker einbinden.

Heather: Die von Victoria Lane Green geleitete Ballettakademie ist hier am Haus angesiedelt. Die Schülerinnen und Schüler kommen zwei Tage die Woche zu uns. Die Ausbildung ist für sie kostenfrei und sie haben natürlich auch den Wunsch, hier bei uns auf der Bühne aufzutreten.

Giselle beim Ballett Kiel, nach der Vorstellung (Foto: RW)

klassik-begeistert: Wie viele Aufführungen gibt ihr Ballett je Saison?

Yaroslav: In der letzten Spielzeit hatten wir 66 Aufführungen, diese Saison wohl 60. Manchmal sind es weniger, manchmal mehr. Wir haben zwei Premieren pro Saison. Ich choreographiere gerne Handlungsballett. Wir treten auch in Lübeck auf. In der letzten Saison mit Cinderella. Die 10 Vorstellungen waren alle ausverkauft. Wir gehen mit unserer Ballett-Truppe diese Spielzeit nach Catania, Sizilien. Und wir tanzen im Sommer auch beim Nervi-Festival in Genua. Darauf freuen wir uns sehr. Eine Woche davor sind wir in Greifswald bei einer Ballettgala mit unserer Companie aufgetreten. Unterwegs zu sein ist toll für die Gruppe.

In der letzten Spielzeit hatten wir auch ein Musical produziert, West Side Story. Was ich nicht gedacht hätte, etwa 60% unserer Tänzerinnen und Tänzer haben Stimme. Die Aufführung war mehrsprachig, in Deutsch, Englisch und Spanisch. Unsere Leute sind nicht nur Tänzer, sondern auch gute Schauspieler. Das war eine besondere Erfahrung für uns.

Foto: Theater Kiel (Foto: RW)

 John Neumeier war ein Glück für Hamburg

klassik-begeistert: Wie sehen Sie die Gesamtentwicklung beim Ballett?

Yaroslav: Ich glaube manchmal, beim Ballett kommt eine andere Zeit. In Leipzig wird jemandem das Ballett anvertraut, der selber nicht choreographiert. Auch in Berlin gibt es einen Wechsel und in Hamburg geht es mit Demis Volpi wohl auch in eine etwas andere Richtung. 

Heather: John Neumeiers Credo war es immer, die ganze Compagnie tanzen zu sehen. Ab und zu hat er mal gesagt, natürlich wäre es spannend für mich, auch mal ein Stück für fünf Personen zu kreieren. Das hätte ihm schon gereicht. Aber er hat es nie gemacht. Er wollte eben, dass alle tanzen. Er sagte, ein Tänzer, der nicht auf der Bühne steht, ist unglücklich. Wenn John Neumeier in seinem Tanzelement war, ging er darin auf.

Yaroslav: John Neumeier war ein Glück für Hamburg.

klassik-begeistert: Da können wir nur voll zustimmen. Eine Abschlussfrage habe ich aber noch, wie gefällt es Ihnen in Kiel, abgesehen vom Ballett? Haben Sie noch Kontakt zu Ihren ehemaligen Hamburger Kolleginnen und Kollegen?

Heather: Wir sind sehr gerne noch im Hamburg, wir empfinden Hamburg immer noch als unser Zuhause, aber auch Kiel. Kiel ist wunderbar für eine Familie mit Kind, es gibt viel zu tun. Wir waren am Wochenende häufig am Strand oder mit den Fahrrädern unterwegs. Das ist sehr schön und das brauchen wir auch.

klassik-begeistert:  Frau Jurgensen und Herr Ivanenko, wir bedanken uns ganz herzlich für dieses informative Gespräch.

Dr. Ralf Wegner, 20. Dezember 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

kb im Gespräch mit Heather Jurgensen und Yaroslav Ivanenko – Teil I klassik-begeistert.de, 18. Dezember 2024

kb im Gespräch mit Heather Jurgensen und Yaroslav Ivanenko – Teil II klassik-begeistert.de 19. Dezember 2024

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