Es tut mir im Herzen weh, dass es außer Vivaldis Musik und der Bühnenpräsenz der Kinder per se wenig gab, was die Matinee sehenswert und hörenswert machte

Kinderkonzert Hamburger Camerata, Streicherensemble und Rhythmikgruppe der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg,  Laeiszhalle Hamburg, Großer Saal

Foto: Kinderkonzert Hamburger Camerata © Evelina Kislych
Laeiszhalle Hamburg, Großer Saal, 
28. Oktober 2018,
Hamburger Camerata
Streicherensemble und Rhythmikgruppe der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg

von Teresa Grodzinska

Am ersten Sonntag nach der Zeitumstellung auf die Winterzeit ging ich um 8 Uhr morgens mit dem Hund spazieren. In der Nähe der Laeiszhalle sah ich einen Mann, neben ihm ein kleines Mädchen – sie standen am offenem Heck eines Autos. Es sah von weitem aus, als ob sie eine dritte Person (Mutter?) aus dem Gepäckraum ausluden. Ich schaute genauer hin – es war keine Person, es war ein Kontrabass. Das Mädchen lud sich „die Mama” auf den Rücken und begab sich in Richtung Künstlereingang der Laeiszhalle. Das Kind ging zielstrebig, keine Spur von Zögern, Trödeln, nach Ausflüchten suchen, wie das so oft auf dem Schulweg der Fall ist. Sie hatte etwas Großes vor – einen musikalischen Auftritt in der Laeiszhalle Hamburg.

Musik als Hobby und Form des persönlichen Ausdrucks gewinnt in der modernen Gesellschaft wieder an Bedeutung. Seit dem berühmten „Rhythm is it” von und mit Sir Simon Rattle wissen alle, dass Musik in jungen Jahren ein Korrektiv für vieles sein kann. In einer Situation, in der beinahe zwanzig Prozent der Kinder zwischen 8 und 17 Jahren in Deutschland psychische Auffälligkeiten aufweisen und/oder mit Fettleibigkeit kämpfen, ist jedes Kinderkonzert ein Gewinn.

Wie ich erfahren habe, liefen an diesem Morgen in der Elbphilharmonie drei – drei! – Kinderkonzerte. Macht nichts, in einer Millionenstadt wird der Saal schon voll, dachte ich mir. Kinder haben die Gelegenheit vor einem nicht immer objektiven, aber sehr aufmerksamen Publikum ihr Können zu präsentieren. Die Kammermusiker haben ihren Spaß. Alles wird gut!

Leider war das Wunschdenken von mir. Die „Vier Jahreszeiten” von Vivaldi litten enorm unter einem vermaledeiten Bühnen– und Regiekonzept. Es tut mir im Herzen weh, dass es außer Vivaldis Musik und der Bühnenpräsenz der Kinder per se wenig gab, was die Matinee sehens- und hörenswert machte.

Allein das Solo der zwei Schwestern Vaginsky: Dore an der Querflöte und Lir an der Violine – 10 und 15 Jahre alt – verdienten den Namen „Auftritt”. Da wehte ein Hauch Ahnung, was das Konzert sein könnte, durch den Saal. Die restlichen Darbietungen der Kinder – allen voran die Rhythmikgruppe – waren einfach nur peinlich. Den Kindern merkte man ihren Unmut an: Sie waren arg unterfordert!

In Zeiten von „DSDS” und YouTube wissen die Kids am besten, auf welchem Niveau man als 3– bis 138-Jähriger auf der Bühne agieren kann. Die Qualität der Musik, die gespielt wird, ist hier nicht das Kriterium – das Können ist es. Wer auf die Bühne geht und Geld dafür nimmt, muss etwas können, oder die Gelegenheit bekommen sein Können fremden Menschen zu präsentieren und ihnen Applaus abzuluchsen. Das versteht jedes Kind!!!

Für Kinder muss man schreiben wie für Erwachsene, nur besser! Bei diesem Konzert hat man alles falsch gemacht. Oder war das einfach der falsche Ort? Diese Darbietung – ohne Hamburger Camerata – würde in der Aula der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg wahrscheinlich gut gefallen können. Aber nicht als Konzert in der Laeiszhalle, mit Preisen zwischen 9 und 28 Euro. Als Werbung für die Staatliche Jugendmusikschule Hamburg taugte die Matinee am allerwenigsten.

Ich begründe meine Behauptungen diesmal nicht. Zerpflücken des Konzepts, jammern über maue Witze wäre einfach, aber unfair. Hier hat nicht das Können der kleinen Musikanten – zwischen 8 und 15 Jahren –, sondern die Eitelkeit und das künstlerische Unvermögen der Erwachsenen eine nette Stunde in der Laeiszhalle vergeigt.

Mir tut nur Anna-Malu Brekenfeld so leid. Sie kann bestimmt mehr, als ihren Kontrabass auf die Bühne tragen, gefühlte zwanzig Sekunden spielen und ihn wieder von der Bühne tragen. Schämen Sie sich, sehr geehrter Herr künstlerischer Leiter Andreas Peer Kähler!

Teresa Grodzinska, 29. Oktober 2018, für
klassik-begeistert.de

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