Die Zauberflöte © Wiener Staatsoper
Unruhe, lautes Knistern, an allen Ecken wird genuschelt. Was Operngeher an „normalen“ Spielbetriebstagen zur Weißglut treiben würde, an diesem Tag ist alles erlaubt. „Die Zauberflöte für Kinder“ – und alle, die es geblieben sind – ist ein einzigartiges Spektakel. Über die „Leistungen“ der Protagonisten möchte ich mal bewusst schweigen. Im Mittelpunkt steht was anderes: Ein Heranführen, ein Herantasten an die Welt der Oper. Der Magie, der Märchen, der unerschöpflichen Fantasie, damit der Nachwuchs vielleicht Feuer fängt.
Kinderoper
Die Zauberflöte von Emanuel Schikaneder (Libretto)
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart
Wiener Staatsoper, 28. Februar 2025
von Jürgen Pathy
An der Wiener Staatsoper nimmt man das sehr ernst. „Schau, da ist der Yamen Saadi“, seines Zeichens Konzertmeister des Wiener Staatsopernorchesters. „Und da drüben – Erwin Falk, der Solopaukist“. Ja, die weltberühmten Wiener Philharmoniker sitzen am Pult. Dieses Mal nicht im Graben des Hauses, sondern mitten im Parkett, auf Augenhöhe mit allen anderen. Nur Dirigent Cornelius Meister steht minimal erhöht. Auf einer Art Wahlurne mit Schlitz. Stolpergefahr, denk ich mir, während ich durch das Haus schlendere. Alles ist offen. Abstecher zur Kantine, die Gänge, die Zugänge zu den Büros – niemand kontrolliert einen. Selbst die Tür des Direktors wäre zum Greifen nahe.
Chaos im Parkett, Magie im Gepäck
Irgendwie Ausnahmesituation – fast so wie am Tag der offenen Tür. Nur, dass der ganze Saal mit Kindern gefüllt ist. Die sitzen auf dem Boden, umrandet mit Gaffa-Tape-Markierungen, die sie bitte nicht verlassen sollten. Denn Tamino, Pamina & Co laufen durch die schmalen „Gänge“, die sich dazwischen auftun. Die Sitze hat man weggeräumt, den Graben ebenso auf Parketthöhe geebnet. Bis weit hinter den üblichen Bühnenbereich, wo sonst kein Besucher etwas zu suchen hat. Ein Überbleibsel von der Vornacht – Wiener Opernball, für alle, die hinter dem Mond leben sollten. Der lief da noch über die Bühne, von Kamerateams für ein Millionenpublikum übertragen.
Heute stehen andere im Mittelpunkt. Die Kinder, die Oper und Wolfgang Amadeus Mozart. Für rund 1 Stunde, in kindergerechte Happen zerteilt, präsentieren Ensemblemitglieder die wichtigsten Arien. „Pa-Pa-Pa-Pa Papageno“, darf ebenso wenig fehlen wie die Bildnisarie des Tamino, oder die Pamina-Arie in g-Moll, die einen Wendepunkt im „Singspiel“ symbolisiert. Die Rezitative hat man fast zur Gänze gestrichen.

Dafür ein kleines ABC für Musik- und Instrumentenkunde eingeschoben. Die Geige sei das kleinste Streichinstrument, gefolgt von der Bratsche und dem Cello. „Mein Lieblingsinstrument“, da er es selbst mal gespielt habe, so Dirigent Cornelius Meister. Die Solisten des Orchesters spielen darauf kurze Auszüge aus unterschiedlichen Werken. Bach, will ich da rausgehört haben – kann mich aber auch irren.
Mini-Mozarts im Ausnahmezustand
Benötigen die Kinder womöglich gar nicht. Den „Taamiiiiiiinooo“ und den „Papaageeeeenoo“ kennen die sowieso schon alle. Wien eben, da weiß bereits der Dreikäsehoch, was sich in der Oper so abspielt, könnte man meinen. Die Augen glänzen auf jeden Fall. Die Arie der Königin der Nacht singen sie lautstark mit. Beim Auftritt der überlebensgroßen Schlange bricht Geschrei los. Genau wie zu Beginn, als nur das Saallicht gedimmt wird. Ein Zeichen – gleich geht’s los. So viel Jubel, bevor überhaupt ein Ton gespielt wird, erlebt man sonst nicht. Die Spannung und die Aufregung ist eben groß.

Mag man Direktor Bogdan Roščić noch so viel vorwerfen. Verkopft sei er. Den Untergang der Wiener Staatsoper würde er vorantreiben. An Tagen wie diesen sieht die Welt noch anders aus. Wenn hunderte Kinder aus vollem Hals mitsingen, zwischen Parkett und Bühne herumtollen, wirkt der Abgesang auf die Oper plötzlich ziemlich kleinlaut. Vielleicht ist genau hier der Anfang von morgen. Und Mozart der beste Komplize dafür.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 2. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte Wiener Staatsoper, 30. Januar 2025
Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte Staatsoper Hamburg, 1. Januar 2025
Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte Staatsoper Hamburg, 21. Dezember 2024