Igor Levit, Foto Patrik Klein
Elbphilharmonie, 4. Februar 2024
Bock auf Béla Bartók
Haben Sie Bock auf Béla Bartók? Sollten Sie und werden Sie spätestens bekommen, wenn Sie in eines der vielen Konzerte in dieser Woche in der Elbphilharmonie Hamburg gehen. Es gibt auch eigentlich gar keinen Grund, kein Geburts- oder Todesjubiläum oder sonst irgendetwas. Die verschiedenen Klangkörper des NDR haben einfach Bock Bartók zu spielen. Weil er ein klasse Komponist war.
Bartók bescherte uns einen facettenreichen Kosmos neuer Klänge. Er lebte in Zeiten zweier Weltkriege im Übergang von der Tradition in die Moderne. Als Individualist ging er seinen eigenen Weg, der ihn so besonders macht. Im Fokus dabei waren immer wieder die Volksmusik aus Ungarn und osteuropäische Tänze. Er entwickelte einen neuen Musik- und Kompositionsstil auch als Völkerverständigung gegen die diversen Kriege seiner Zeit. Er komponierte aus dem Exil in der Schweiz und später in den USA.
Das erste Stück entstand 1939 in der Schweiz. Es stellte gehobene Unterhaltungsmusik im neoklassizistischen Stil dar. Lustig, leicht und mit einer spielfreudigen Stimmung machten sich die Streicher des NDR Elbphilharmonie Orchesters Hamburg ans Werk. Alan Gilbert machte mit ihnen daraus ein fantastisches, transparentes und luftiges Erwachen im Klangwunder Bartók.
Das dritte Klavierkonzert wurde 1945 im Exil in den USA geschrieben. Es enthält autobiographische Züge, denn es entstand in Bartóks Todesjahr 1945. Hoffnung auf Genesung und zarteste Melodik eines altersmilden und todkranken Komponisten werden in ihm zu Klängen geformt. Der Pianist, Weltstar und politischer Aktivist Igor Levit ließ im Saal jeden den Atem anhalten, als er mit halsbrecherischer furioser Technik und feinster Zartheit über die Tasten huschte, und dabei sein kleines Notennotebook immer wieder perfekt umblätterte. Standing Ovations.
Das dritte Stück kommt dann wie eine Sinfonie daher. Von der Mitte der Sätze aus gedacht ging es musikalisch um Verzweiflung, Geldsorgen und Krankheit. Später dann neue Kraft schöpfend, heiter und erlösend werdend. Instrumentenweise werden Spiele der Paare realisiert. Fagotte, Oboen, Klarinetten und Flöten spielen miteinander. Bartók macht sich lustig über Schostakowitschs siebte Sinfonie und beschreitet eine Reise aus der Düsternis. Bestens gelaunt dann das Finale, ein orchestraler Wirbelwind wie eine Fahrt durch Manhattan oder ein wilder Volkstanz. Das Orchester atemberaubend an diesem Abend. Mal wieder. Spätestens jetzt hatte man Bock auf Bartók.
NDR Elbphilharmonie Orchester
Igor Levit, Klavier
Dirigent: Alan Gilbert
Béla Bartók:
Divertimento für Streichorchester Sz 113
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 Sz 119
Konzert für Orchester Sz 116
Der Klassik-begeistert-Autor Patrik Klein ist ein leidenschaftlicher Konzert- und Opernfreak, der bereits über 300 Konzerte (Eröffnungskonzert inklusive) in der Elbphilharmonie Hamburg verbrachte, hunderte Male in Opern- und Konzerthäusern in Europa verweilte und ein großes Kommunikationsnetz zu vielen Künstlern pflegt. Nicht immer nimmt er sich Pressekarten im offiziellen Modus, sondern lauscht oder schaut privat, zwanglos und mit offenen Augen und Ohren. Die daraus entstehenden meist emotional noch hoch aufgeladenen Posts in den Sozialen Medien folgen hier nun auch regelmäßig bei Klassik-begeistert – voller Leidenschaft – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – aber immer mit großem Herzen!