Joana Mallwitz triumphiert mit Schuberts großer C-Dur in Berlin

Konzerthausorchester Berlin/Joana Mallwitz/Kian Soltani  Konzerthaus Berlin, 7.Juni 2025

Joana Mallwitz © Simon Pauly

Dass Joana Mallwitz eine besondere Vorliebe für Franz Schubert hegt, den sie als ihren Lieblingskomponisten bezeichnet, allen voran dessen berühmte C-Dur Sinfonie, weiß ich, seit ich einen Dokumentarfilm über sie gesehen habe.

Wenn jemand dieses Werk dann noch so emotional von innen heraus durchlebt wie Mallwitz, ist das Glück perfekt. Die treffliche Wiedergabe dieser Sinfonie mit all ihren Widersprüchlichkeiten wurde zu recht frenetisch mit rhythmisiertem Beifall gefeiert.

Lili Boulanger:  „D’un matin de printemps“ für Orchester

Pjotr Tschaikowsky:  Nocturne d-moll für Violoncello und Streichorchester bearbeitet vom Komponisten
Variationen über ein Rokoko-Thema für Violoncello und Orchester op. 33

Franz Schubert:  Sinfonie C-Dur D 944 („Große“)

Konzerthausorchester Berlin
Musikalische Leitung:  Joana Mallwitz

Kian Soltani  Violoncello

Konzerthaus Berlin, 7.Juni 2025

von Kirsten Liese

Sie ist in aller Munde und unter Dirigentinnen, die immer zahlreicher werden, eine der erfolgreichsten. Schon allein deshalb kann sich das Berliner Konzerthausorchester glücklich schätzen, sie an Land gezogen zu haben.  Selten hat es in seiner Geschichte soviel Aufmerksamkeit erfahren wie jetzt, und das ist allein schon im Hinblick auf den Fortbestand in einer bangen Zukunft, in der kräftig gespart werden muss, nicht unerheblich.

Da zahlt es sich aus, als erstes Berliner Orchester eine Frau zur Chefdirigentin zu haben, um die ein Hype entbrannt ist, die nebenher erfolgreich bei den Berliner Philharmonikern und an der New Yorker Met debütieren konnte und ab 2026 zusammen mit Klaus Mäkelä die Osterfestspiele in Baden-Baden leitet.  Wie lange die gefragte, viel umworbene Stardirigentin noch zu halten sein wird, ist freilich eine ganz andere Frage.

Viel Aufmerksamkeit dank Publicity

Vielleicht deshalb hat das Konzerthaus die charismatische Künstlerin bei ihrem Antritt mit zahlreichen großformatigen Werbeplakaten geehrt, sie in einer Weise hofiert, als wäre sie der einzige Star, den diese Stadt aufzubieten hätte.

Soviel Publicity trägt Früchte. Nicht, dass das Konzerthaus früher schlecht besucht gewesen wäre, aber selten einmal war der große Saal mit diesem Orchester ausverkauft wie diesmal. Und das hatte gewiss mit der Reputation zu tun, rangierte das Konzerthausorchester doch zuvor zumindest meinen Eindrücken nach hinter den Berliner Philharmonikern und der Berliner Staatskapelle, den ersten Orchestern der Metropole.

Wobei ich zugeben muss, dass mich Publicity nicht beeindruckt. Mir ist egal, ob Frau oder Mann gehypt wird, für Schlagzeilen taugt oder nicht. Für mich zählt allein die künstlerische Qualität. Umso mehr freut es mich nach diesem Konzert sagen zu dürfen, dass bei Joana Mallwitz beides zusammenläuft: eine große künstlerische Leistung und berechtigter Jubel!

Joana Mallwitz © Simon Pauly

Lili Boulanger als schmackhafter Aperitif

Dass sie für jede Handschrift das richtige Fingerspitzengefühl besitzt, vermittelt sich bei Mallwitz schon in dem nur fünfminütigen „D’un matin de printemps“ von Lili Boulanger, original für Klaviertrio. Eine duftige Impression in schillernden Farben, die stilistisch ein wenig an Ravel oder Debussy erinnert, durchsetzt von reizvollen Melodien, beschert da den schmackhaften Aperitif zu einem von großen Gegensätzen bestimmten Programm.

Mit dem 1992 in Bregenz geborenen, aus einer persischen Familie stammenden Cellisten Kian Soltani war der geeignete Partner dafür gefunden. Seine Schwermut in dem Nocturne op. 19/4, dem ersten von zwei Werken Tschaikowskys, kommt direkt vom Herzen, berührt mit der tiefen Innigkeit und dem warmen, seidenen Ton seines Stradivari-Cellos.

Kian Soltani © Marco Borggreve

Perfektes Zusammenspiel

Aber nicht nur im Lyrisch-Melancholischen blüht der 33-Jährige auf, brilliert er doch kurz darauf als perfekter Virtuose in den spritzigeren, luftigen Rokoko-Variationen, in denen er mit schlafwandlerischer Sicherheit über sein Griffbrett surft, bis hoch hinauf in die Daumenlage und zu perfekt ansprechenden Spitzentönen im Flageolett. Dass es dabei keineswegs nur um die Demonstration großen technischen Könnens geht, zeigt sich vor allem immer wieder an den Stellen, an denen Solo-Cello und erste Flöte in einen Dialog treten – im perfekten Zusammenspiel unterstützt dabei von Mallwitz mit federleichten sparsamen Tupfern aus ihrem linken Handgelenk.

Beseelt und leise klang dieser Celloblock mit einem elegischen persischen Liebeslied als Zugabe aus.

Lieblingskomponist Franz Schubert

Dass Joana Mallwitz eine besondere Vorliebe für Franz Schubert hegt, den sie als ihren Lieblingskomponisten bezeichnet, allen voran dessen berühmte C-Dur Sinfonie, weiß ich, seit ich einen Dokumentarfilm über sie gesehen habe.

Wenn jemand dieses Werk dann noch so emotional von innen heraus durchlebt wie Mallwitz, ist das Glück perfekt. Bis auf den Anfang des Andantes, das ich mir noch leiser und geheimnisvoller gewünscht hätte, gelang eine bewegende Achterbahnfahrt der Gefühle. Mit jeder Faser ihres Körpers, mit Haut und Haaren verschrieb sich Mallwitz der Musik, der man ihre genaue Beschäftigung mit der Partitur anmerkt, die sie plastisch formt.

Joana Mallwitz & Konzerthausorchester Berlin © Simon Pauly

Vitale Körpersprache

Die langen Arme der etwas jungenhaft anmutenden Frau, die in ihrer Beweglichkeit bisweilen anmuten wie Schlingpflanzen, streckt sie oftmals ganz weit aus, um dann mit einem gebogenen Finger ein Instrument hervorzuheben. Zu den energischen, majestätischen Themen steht sie stolz erhobenen Hauptes kerzengerade wie eine Eins, In den kräftigen Forte-Passagen gerät auch schon einmal ihr ganzer Körper in Schwingung. Aber wo andere nur etwas beliebig mit den Armen rudern, wirkt hier jede Bewegung wie auf die Musik zugeschnitten.

Verdienter Jubel

Und wird es bisweilen ganz leise, geht die hochgewachsene Frau tief in die Knie. Nur habe ich gelegentlich das Gefühl, dass das Orchester noch nicht so leise spielt, wie es sich Mallwitz anzeigt, vielleicht muss sie das in den Proben noch energischer von ihren Musikern einfordern.

Aber solche kleinen Abstriche fielen kaum ins Gewicht, alles in allem gelang eine treffliche Wiedergabe dieser Sinfonie mit all ihren Widersprüchlichkeiten. Dafür wurde Mallwitz am Ende zu recht frenetisch gefeiert.

Einen Wunsch habe ich noch: Dass Joana Mallwitz sich einmal Schuberts Messen vornehmen möge, die kaum aufgeführt werden außer – selten genug – von dem großen Schubert-Connaisseur Riccardo Muti mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und dem Bayerischen Rundfunkchor. Es sind wahre Juwelen, die die meisten Spitzenorchester liegen lassen. Mallwitz wäre die richtige dafür.

Kirsten Liese, 8. Juni 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

WDR Sinfonieorchester, Cristian Măcelaru, Kian Soltani Kölner Philharmonie, 20. Oktober 2023

Anna Vinnitskaya Klavier, Joana Mallwitz Dirigentin Philharmonie Berlin, 6. März 2025

Debussy und Bartók, Konzerthausorchester Berlin, Joana Mallwitz, Dirigentin Konzerthaus Berlin, 19. September 2024

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