Frauenpower im Doppelpack: Elisabeth Leonskaja und Joana Mallwitz im Berliner Konzerthaus

Elisabeth Leonskaja  © Marco Borggreve

Zoltán Kodály: Tänze aus Galánta

Edvard Grieg: Konzert für Klavier und Orchester op.16

Antonín Dvořák: „Die Mittagshexe“. Sinfonische Dichtung op.108

Zoltán Kodály: Suite aus der Musik zu dem Singspiel „Háry János“

Elisabeth Leonskaja, Klavier
Joana Mallwitz, Musikalische Leitung

Konzerthaus Berlin,  24. Februar 2024

von Kirsten Liese

Rein äußerlich erscheinen die beiden Frauen sehr unterschiedlich: Elisabeth Leonskaja, Jahrgang 1945, etwas korpulent und robust, thront gravitätisch am Flügel und musiziert ohne große Attitüde. Joana Mallwitz, 38 Jahre jung, gertenschlank und hochgewachsen, verströmt ihre Energie sehr körperlich, mal mit großen Ausfallschritten bis zum äußersten Rand des Podests, mal mit Impulsen aus der Rückenlage à la Christian Thielemann, ausladenden Armbewegungen oder, selten einmal, aus dem Stand auf  Zehenspitzen. „Elisabeth Leonskaja Klavier, Joana Mallwitz musikalische Leitung
Konzerthausorchester Berlin, 24. Februar 2024“
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Elisabeth Leonskaja lullt ihr Publikum in weiche Töne

Leonskaja Elisabeth © Marco Borggreve

Zoltán Kodály, Tänze aus Galánta

Edvard Grieg, Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 16

Antonín Dvořák, Die Mittagshexe

Zoltán Kodály, Suite aus der Musik zu dem Singspiel „Háry János“

Konzerthausorchester Berlin
Joana Mallwitz, Dirigentin
Elisabeth Leonskaja, Klavier

Erster Abend der Hommage an Elisabeth Leonskaja,
Konzerthaus Berlin, 23. Februar 2024

von Sandra Grohmann

Es ist schon bitter: Da sitzt man im Konzerthaus, lauscht dem zarten Anschlag der Leonskaja in Griegs Klavierkonzert und hört – ja, was hört man: rechts hinten Husten im Wechsel mit dem Knistern von Bonbonpapier. Und links hinten Hände, die immer wieder über die Satinhose streichen. Ich kann nicht anders als mich umzudrehen, was an der Geräuschkulisse nichts ändert. Alles, was ich davon habe, sind absurde Gedanken über Alters-ADHS und über unkultivierte Sitznachbarn. Meine Konzentration aufs Konzert ist erstmal futsch.

Ich beuge mich also nach vorn und wünschte, ich könnte meine Löffel aufstellen wie ein Feldhase, um auf diese Weise nur die mir genehmen Töne einzufangen. Es gelingt mir nicht. Bin ja auch kein Hase.

„Erster Abend der Hommage an Elisabeth Leonskaja
Konzerthaus Berlin, 23. Februar 2024“
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Ein stolzes, hinreißendes Frauenteam begeistert für Kurt Weills Todsünden

Foto: Joana Mallwitz (Foto: Simon Pauly)

Wirklich hochadelig aber sind und bleiben, mehr als alles andere, die heute versammelten Künste. Mögen sie es, in Freiheit, bleiben.

Richard Strauss, Tanz der sieben Schleier aus der Oper Salome

Kurt Weill, Sinfonie Nr. 2

Kurt Weill, Bertolt Brecht, Die sieben Todsünden, Ballett mit Gesang

Joana Mallwitz, Dirigentin

Katharine Mehrling, Gesang
Yui Kawaguchi,
Tanz
Michael Porter, Tenor
Simon Bode, Tenor
Michael Nagl, Bariton
Oliver Zwarg, Bassbariton

Katrin Sedlbauer, Regie

Konzerthausorchester Berlin

Konzerthaus Berlin, Premiere am 2. Februar 2024

von Sandra Grohmann

Neid, Völlerei, Habgier.
Wollust, Hochmut, Trägheit.
Und Zorn.

Die alten Bezeichnungen der sieben Todsünden, die in Kurt Weills und Bertolt Brechts gleichnamigen „Ballett mit Gesang“ zu Faulheit, Stolz, Zorn, Völlerei, Unzucht, Habsucht und Neid modernisiert werden, mahnen den katholisch geprägten Teil der Menschheit – wozu auch Brecht gehörte – seit etwa 1500 Jahren daran, Triebe zu zügeln und sich anständig zu benehmen. Und was auch immer wir unter anständig oder unanständig verstehen mögen – es ist jedenfalls höchst erfreulich, dass musikalische Hingabe, Spiel und Tanz nicht zu diesem uralten Katalog der inkriminierten Verhaltensweisen gehören.

Nur zur Erinnerung: Im reformierten Genf den 16. Jahrhunderts oder im heutigen Afghanistan war bzw. ist dies anders. Und im Nazideutschland 1933 waren auch Komponisten, war auch Kurt Weill von der Bücherverbrennung betroffen und verfemt. Weill emigrierte sofort und ging zunächst nach Paris.

„Konzerthausorchester Berlin, Joana Mallwitz
Konzerthaus Berlin, Premiere am 2. Februar 2024“
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Karina Canellakis lässt mit Beethovens Neunter Silvesterschauer über die Rücken rieseln

Rundfunkchor Berlin, Foto © Marcel Köhler/Rundfunkchor Berlin


Ludwig van Beethoven
Symphonie Nr. 9 d-moll für vier Solostimmen, gemischten Chor und Orchester op. 125 mit Schlusschor über Schillers Ode „An die Freude“

Karina Canellakis, musikalische Leitung

Siobhan Stagg, Sopran
Sophie Harmsen, Alt
Andrew Staples, Tenor
Michael Nagy, Bass

Rundfunkchor Berlin
Justus Barleben, Einstudierung
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin

Konzerthaus Berlin, Sonntag, 31. Dezember 2023

 von Sandra Grohmann

Was für ein Jahresabschluss: Dass mit Beethovens Neunter dem Elend der Welt die hoffnungsfrohe Botschaft der Freude entgegengesetzt würde, war zwar beim Kartenkauf klar. Aber dass das bedeutete, Satz für Satz zu erschauern und gelegentlich ein Tränchen zu verdrücken, damit hatte ich keineswegs gerechnet.

„Ludwig van Beethoven, Symphonie Nr. 9 d-moll
Konzerthaus Berlin, Sonntag, 31. Dezember 2023“
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Gautier Capuçon betet, selbst anbetungswürdig, mit Joana Mallwitz und dem Konzerthausorchester Berlin

Joana Mallwitz & Konzerthausorchester Berlin © Simon Pauly

Richard Strauss    Till Eulenspiegels lustige Streiche

Joseph Haydn        Konzert für Violoncello und Orchester C-Dur Hob VIIb:1

Peter Rusicka         Metarmorphosen über ein Klangfeld von Joseph Haydn

Joseph Haydn         Sinfonie Nr. 82 C-Dur Hob I:82 „L’ours“

Konzerthausorchester Berlin
Joana Mallwitz  Dirigentin
Gautier Capuçon  Violoncello

Konzerthaus Berlin, 11. November 2023


von Sandra Grohmann

„La musique exprime ce qui ne peut pas s’exprimer avec des mots et sur quoi il est impossible de se taire“. – Die Musik drückt aus, was mit Worten nicht gesagt werden und worüber man nicht schweigen kann. 

Den Aphorismus von Victor Hugo zitiert Gautier Capuçon, der – um es gleich zu sagen – anbetungswürdige Solist des Abends; und zwar kündigt er damit die Zugabe an, den Vogelgesang (El cant dels ocells) von Pau Casals, dem katalanischen Jahrhundertcellisten, der unter dem von ihm nicht akzeptierten Namen Pablo Casals weltberühmt wurde.

„Konzerthaus Berlin, Joana Mallwitz mit Gautier Capuçon
Konzerthaus Berlin, 11. November 2023“
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„Aber unser Gott ist im Himmel, er schaffet alles was er will...“

Vinzenz Weissenburger © Neda-Navaee, Staatsoper Berlin

Konzerthaus Berlin, 4. Juli 2023

Felix Mendelssohn Bartholdy   „Paulus“ – Oratorium für Soli, Chor und Orchester op. 36

Chor des Jungen Ensembles Berlin
Prometheus Ensemble Berlin

Evelina Dobraceva
Nadine Lehner
Stephan Rügamer
Bernhard Hansky

Leitung    Vinzenz Weissenburger

von Iris Röckrath

Mit diesem wunderbaren Chorsatz, den das Junge Ensemble so beseelt gesungen hat, dass man gar nicht anders kann, als dem Schöpfer des Himmels zu danken, möchte ich meinen Eindruck des Abends gern einleiten.

Die Leistung des Chorleiters und Dirigenten des Abends, Vinzenz Weissenburger, ist nicht genug zu würdigen, hat doch der Chor unter seiner Leitung erst vor 14 Tagen beim Chorwettbewerb in Hannover mit einem anspruchsvollen Programm den 1. Preis in der Kategorie „große gemischte Chöre ab 32 Mitwirkende“ gewonnen. „Felix Mendelssohn Bartholdy, „Paulus“ – Oratorium für Soli, Chor und Orchester op. 36
Konzerthaus Berlin, 4. Juli 2023“
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Die hohe Kunst des vollendeten Klavierspiels: Elisabeth Leonsjaka zelebriert russische und sowjetische Komponisten

Elisabeth Leonskaja (Foto: Marco Borggreve)

Konzerthaus Berlin am Gendarmenmarkt, Großer Saal, 15. März 2022

Elisabeth Leonskaja, Klavier

Sergej Prokofjew (1891–1953)
„Sarkasmen“ op. 17


Dmitri Schostakowitsch (1906–1975)
Klaviersonate Nr. 2 h-Moll op. 61

Alfred Schnittke (1934–1998)
Variationen über einen Akkord

Pjotr Tschaikowsky (1840–1893)
Klaviersonate G-Dur op. 37

Zugaben
Pjotr Tschaikowsky
Valse sentimentale op. 51

Sergej Rachmaninoff (1873-1943)
Prélude cis-moll op. 3 Nr. 2

von Tony Kliche

Die Fassade des Berliner Konzerthauses am Gendarmenmarkt erstrahlt solidarisch in den Farben der ukrainischen Flagge und empfängt dieser Tage zu einer Dmitri Schostakowitsch gewidmeten Hommage „Ein Leben ZWISCHEN WELTEN“ (15. bis 27. März 2022) mit vielfältigen Programmpunkten zum Leben und Schaffen des großen Komponisten.

Ein musikalisch hochkarätiger Auftakt hierzu war das Solo-Klavierrezital von Elisabeth Leonsjaka, deren komplex-vielschichtiges Programm mit Schwerpunkt auf sowjetischen Komponisten das Berliner Publikum in Beifallsstürme versetze. Leonskaja, die weltweit gefeierte Pianistin, ist quasi  eine Zeitgenossin von drei der von ihr interpretierten Tonschöpfer.

Den Auftakt bildeten Sergej Prokofjews fünfteilige, charakterlich sehr unterschiedliche „Sarkasmen“ op. 17 aus den Jahren 1912 bis 1914, die sich auch heutigen Hörgewohnheiten nicht unmittelbar erschließen aber von Leonskaja mit erschütternd klarer Direktheit und Nahbarkeit gespielt wurden. Die gerade einmal sieben Minuten dauernden und sehr selten aufgeführten miniaturartigen „Variationen über einen Akkord“ von Alfred Schnittke führten gewissermaßen Prokofjews stürmisch-groteske Gedanken fort.

Als Höhepunkte des Klavierabends sind die zwei großen pianistisch überaus anspruchsvollen Klaviersonaten von Schostakowitsch und Tschaikowsky anzusehen. Erstgenannter widmete seine Sonate in h-Moll seinem 1942 verstorbenen Klavierlehrer Leonid Nikolajew und reflektierte in grüblerisch-melancholischer Weise über die in seinem Schaffen bis dahin lange vernachlässigte Kunstform. Elisabeth Leonskaja vermochte es die großen motivisch-thematisch Bögen im frei gestalteten zweiten Satz mit ihrer ruhigen Erscheinung und einer beeindruckenden Konzentration sinngebend zu gestalten. Was in der finalen Chaconne musikalisch gedankenverloren zu zerfallen droht, einte sie konsequent und geradezu plastisch veranschaulicht. „Elisabeth Leonskaja, Prokofjew, Schostakowitsch, Schnittke, Tschaikowsky,
Konzerthaus Berlin, 15. März 2022“
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Vladimir Jurowski setzt deutliche Zeichen: So politisch kann Musik sein

Foto: 220115_RSB_Jurowski©PMeisel

Konzerthaus Berlin, 26. Februar 2022

Mychaljlo Werbyzkyj
Nationalhymne der Ukraine
Sinfonische Ouvertüre Nr.1

Anton Rubinstein
Konzert für Violoncello und Orchester Nr.2

Dmitri Smirnow
Concerto piccolo für Violoncello und Orchester (Uraufführung)

Pjotr Tschaikowsky
Sinfonie Nr. 5 e-Moll

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Vladimir Jurowski Dirigent

Alban Gerhardt Violoncello

 von Peter Sommeregger

Das Konzert des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin an diesem denkwürdigen Wochenende, an dem fast eine halbe Million Menschen in der Stadt für das Ende des der Ukraine aufgezwungenen Krieges demonstriert, erhielt durch sein Programm und die entschlossene Positionierung des Chefdirigenten Vladimir Jurowski einen durchaus politischen Charakter. Jurowski, der mit Putin nicht mehr als den Vornamen gemein hat, handelte im Vorfeld den Umständen entsprechend klug. Ein martialischer  Marsch Tschaikowskys wurde durch die Ukrainische Nationalhymne ersetzt, das Publikum erhob sich dabei geschlossen von den Sitzen und applaudierte demonstrativ. Um dem Komponisten der Hymne, Michaljo Werbyzkyj gerecht zu werden, spielt man anschließend noch dessen Sinfonische Ouvertüre, die durchaus gefiel. „Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Vladimir Jurowski,
Konzerthaus Berlin, 26. Februar 2022“
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Mit Vladimir Jurowski durch drei Jahrhunderte der Musikgeschichte

Foto: RSB, Jurowski, Cho © PMeisel

Konzerthaus Berlin,
15. Januar 2022

Jelena Firssowa
„Der Garten der Träume“ (Hommage an Schostakowitsch) für Orchester op. 111

Robert Schumann
Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 54

Dmitri Schostakowitsch
Sinfonie Nr. 15 A-Dur op. 141

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Vladimir Jurowski  Dirigent
Seong-Jin-Cho  Klavier

von Peter Sommeregger

An diesem bleigrauen Hochwintertag in Berlin erweist sich einmal mehr die Musik als die große Seelentrösterin. Auch für dieses Konzert hat Vladimir Jurowski ein interessantes und facettenreiches Programm ausgewählt.

Es beginnt mit einer Komposition der russischen Komponistin Jelena Firssowa, die in dieser Saison Artist in Residence des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin ist. Ihr Werk „Der Garten der Träume“ soll eine Hommage an den verehrten Landsmann Dmitri Schostakowitsch zu dessen 100. Geburtstag sein. An einigen Stellen versteckt sie kleine Zitate aus Werken des Meisters, das musikalische Motto ist DSCH, also die Initialen von Schostakowitsch. Besonders eindrücklich gelingen ihr großflächige Passagen für Streicher, darin ihrem verehrten Vorbild ähnlich. „Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Vladimir Jurowski, Seong-Jin-Cho  Klavier,
Konzerthaus Berlin, 15. Januar 2022“
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Kraftvolle Vitalität und Kontrolle der Töne: Der Pianist Denis Matsuev begeistert in Berlin

Konzerthaus Berlin, 10. November 2021

Denis Matsuev, Pianist

Foto: Denis Matsuev © Berin Iglesias Art

  1. Schumann: „Kinderszenen“ op.15
  2. Beethoven: Sonate c-Moll op. 111
  3. Liszt: Sonate h- Moll

von Tony Kliche

Der russische Pianist Denis Matsuev evozierte am Mittwochabend im Berliner Konzerthaus phänomenale Klangmomente voller elektrisierender musikalischer Spannung, technischem Können und fantastisch-brillantem Spiel.

Mit Robert Schumanns beliebtem Zyklus „Kinderszenen op. 15“ eröffnete Matsuev seinen Klavierabend. Für einen Pianisten seines Formats war die Abfolge der kurzen romantischen Charakterstücke nicht nur reine Fingerübung zum Warmwerden, sondern viel mehr zeichnete sich seine Interpretation hier durch eine gewisse Introvertiertheit und Zartheit aus.

In freier Tempogestaltung phrasierte Matsuev verträumt und gedankenversunken aber niemals ohne den Zusammenhalt der fragilen Miniaturen zu verlieren. Die berühmte „Träumerei“ wirkte dadurch fast schwerelos schwebend und gelöst von jeglicher Bodenhaftung. Beim Hören vermittelte sich der Eindruck, die Stücke seien eben spontan in diesem Moment entstanden. „Denis Matsuev, Schumann, Beethoven, Liszt,
Konzerthaus Berlin, 10. November 2021“
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