La Fanciulla del West  – diese Minnie ist ein Engel

La Fanciulla del West, Giacomo Puccini  Bayerische Staatsoper, Nationaltheater München, 23. Oktober 2022

Foto: M. Byström, J. Kaufmann © W. Hoesl

Da Jonas Kaufmann sich in der Hamburgischen Staatsoper rar macht, sind wir kurzerhand nach München gereist, um ihn einmal live in einer Opernaufführung in seiner Heimat erleben zu dürfen.

La Fanciulla del West  (Giacomo Puccini)
nach dem Schauspiel „The Girl of the Golden West“ von David Belasco

Bayerisches Staatsorchester
Bayerischer Staatsopernchor
Daniele Rustioni, Dirigent

Inszenierung           Andreas Dresen
Regie-Mitarbeit    Frauke Meyer
Bühne                  Mathias Fischer-Dieskau
Licht                          Michael Bauer
Chor                           Kamila Akhmedjanova
Dramaturgie          Lukas Leipfinger

Minnie                              Malin Byström
Jack Rance                       Claudio Sgura
Dick Johnson                 Jonas Kaufmann

und  viele phantastische Goldgräber, Agenten, Kellner sowie weitere  Männer des Lagers

Bayerische Staatsoper, Nationaltheater München, 23. Oktober 2022
Premiere 16. März 2019, Repertoirevorstellung nach Wiederaufnahme

von Iris Röckrath

Kurz zur Ankunft in München. Die „Visitenkarte“ einer Stadt konnten wir rund um den Bahnhof und entlang des alten Botanischen Gartens leider nicht finden. Eher erschreckend ist das Bild, dass sich dem Besucher dort bietet. Achtlos in Hecken und auf Wege geworfene Flaschen, Papier, Tischtennisplatten waren wohl kürzlich für ein Mahl benutzt worden, kurzum München scheint ein Müllproblem zu haben.

Der Blick auf die Säulen des wunderschöne Nationaltheaters versöhnt dann schnell. Der Platz ist phänomenal anzusehen. Ergriffenheit macht sich breit und Ehrfurcht, die Stufen zu diesem geschichtsträchtigen Gebäude hochzusteigen. Der 2100 Zuschauer fassende Publikumssaal in Form eines Rondells mit Königsloge im Zentrum und glanzvollen Verzierungen rundum zieht einen direkt in den Bann. Hier wurden also bereits 1781 Mozarts Idomeneo sowie 1865 Richard Wagners Opern Tristan und Isolde, 1862 Meistersinger, 1869 das Rheingold und die Walküre uraufgeführt.

Der sympathisch wirkende  italienische Dirigent Daniele Rustioni betritt den Orchestergraben und zieht das Publikum augenblicklich in die Goldgräbergeschichte hinein. Ausnahmslos alle Figuren sind mit Personen besetzt, denen man stimmlich und darstellerisch ihre auszufüllenden Rollen abnimmt. Sie spielen Karten, sie streiten, sie trinken, sie rauchen, sie beklagen ihr Fortsein von zuhause und sie sprechen immer wieder von Minnie. Und dann hat Puccini einen Moment komponiert, der die Gänsehaut gar  nicht wieder vergehen lässt. Minnies Auftritt. Liegt es an der unglaublich intensiven farbenprächtigen Musik oder liegt es an der schwedischen Sopranistin Malin Byström, die mit ihrer Bühnenpräsenz und ihrer Stimme augenblicklich das Publikum in ihren Bann zieht?

Das Mädchen aus dem goldenen Westen, das einerseits so zart besaitet wirkt, wartet auf die große Liebe, andererseits lieben die Männer aus dem Camp sie für ihre Stärke. Sie wollen sie beschützen und achten sie.  Wahrscheinlich sind alle etwas verliebt in sie. Für Malin Byström muss Puccini diese Oper geschrieben haben. Sie überzeugt vollends darstellerisch wie stimmlich. Die Partie der Minnie möchte man gar nicht mehr von einer anderen Sängerin erleben. Jonas Kaufmann singt kurz vor der Pause während Minnie an sich zweifelt, „du hast ein Herz – und das Gesicht eines Engels“. Diese Minnie ist ein Engel.

La Fanciulla del West 2022, M.Byström, J.Kaufmann (c) W.Hoesl

Man durchlebt mit ihr die ganze Oper, ob es der liebevollen Bibelunterricht ist, die aufkeimenden Liebe zu Dick Johnson, das kurze Gefühl der Geborgenheit, als Dick endlich in ihrem Haus übernachten will, die blanke Verzweiflung gegen Jack Rance, den sie bei dem spannendsten Pokerspiel, das man sich vorstellen kann, durch Falschspiel überlistet und am Ende ihre klaren Worte zum Sieg des Guten über das Böse. Alle darstellerischen Facetten ihrer Rolle singt sie leidenschaftlich mit einem wunderbaren dramatischen aber auch leichteren lyrischen Sopran. Sie hat eine so unglaubliche Wärme in der Stimme, sie entwickelt eine Weite in der Höhe, die einzigartig ist.

La Fanciulla del West 2022, J.Kaufmann (c) W.Hoesl

An der Seite dieser Frau ist es schwer für Jonas Kaufmann als Dick Johnson mitzuziehen. Es gibt eine große Anzahl Aufnahmen mit ihm in ebendieser Partie. Sie liegt ihm stimmlich hervorragend. Aber an diesem Abend hat er mich nicht restlos überzeugen können. Vielleicht ist seine Rolle in dieser Inszenierung so angelegt, dass er nie so wirklich weiß, was er will. Er wirkt zögerlich im ersten Akt. Die aufkeimende Liebe zu Minnie fühlt sich nicht ehrlich an.  Allerdings sind viele seiner in der Mittellage zu singenden Stellen über vollem Orchesterklang zu bewältigen.  Er steigert sich dann im zweiten Akt und die einzige „bekannte“ Arie, „Ch’ella mi creda“, singt er dann auch herzzerreißend mit dem geliebten unverwechselbaren aufblühenden schönen Tenorschmelz.

Die Partie des finsteren Sheriffs Jack Rance ist ideal besetzt mit dem italienischen Bariton Claudio Sgura. Er ist schon durch seine beeindruckende Größe und Bühnenpräsenz der ideale „Bösewicht“ – Seine Flirts mit Minnie, seine angebliche Liebe zu ihr und seine Rachegelüste erinnern auch musikalisch immer wieder an Toscas Scarpia.

Der Orchesterklang begleitet, treibt die Geschichte voran, lässt schwelgen und bleibt spannend bis zum Schluss.

Die Reise nach München hat sich gelohnt. Es war ein sensationeller Opernabend in München, dessen Musik uns im Oktober noch mit angenehmen Temperaturen in den Abend begleitet.

Iris Röckrath, 25. Oktober 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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