Pati und Markov tragen die Lindenoper-La-Traviata zum Erfolg

Giuseppe Verdi, La Traviata  Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 2. Oktober 2025

Archiv 2015 La Traviata © Bernd Uhlig

Zwischen zwei Ring-Abenden glänzte an der Lindenoper die Wiederaufnahme von Verdis Dauer-Klassiker La Traviata. Vor allem die durchwegs exzellent besetzten Stimmen ernteten viel verdienten Applaus, die Stimmung stand den umjubelten Wagner-Abenden um nichts nach!

La Traviata
Musik von Giuseppe Verdi
Libretto von Francesco Maria Piave

Staatsopernchor
Staatskapelle Berlin

Karel Mark Chichon, musikalische Leitung

Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 2. Oktober 2025

von Johannes Karl Fischer

„Heute ausverkauft“ – das stand beim gestrigen Siegfried noch nicht an der Abendkasse! Während die anfängliche Buhlerei um die extrateuren Ring-Karten mit erstaunlich vielen freien Plätze endete, passte beim zwischenwagnerlichen La-Traviata-Intermezzo kaum noch ein Blatt Papier in den Saal, dem Berliner Publikum war in der herbstlich kalten Stadtluft offenbar der Sinn nach etwas wärmeren Verdi-Wind. Es muss ja nicht immer nur Wagner sein…

Und Gründe zu Feiern gab es auch in der 49. Aufführung dieser Inszenierung von Dieter Dorn  genug – zumindest jenseits dessen statischer, lebloser Regie. Der anfängliche Blick auf der Bühne samt Spiegel und Totenkopf-Menschenpyramide versprach zwar einiges, doch blieben diese eigentlich sehr kreativen Regieansätze fast wie versteinert auf der Bühne stehen. Viele der Nummernübergänge wurden offenbar zu Zwecken der Inszenierung ein wenig gestreckt, ein bisschen Stille zwischen der Musik, doch passierte dort oft schlichtweg nichts, teilweise wortwörtlich. An die tiefgreifenden Emotionen dieser Handlung kam die Regie auf jeden Fall nicht ran.

Musikalisch war die Bilanz hingegen mehr denn rosig. Vor allem Alexey Markov als Giorgio Germont setzte seine Melodien kraftvoll wie klar in den Saal und räumte den Abend musikalisch ab. Mit brillantem, bärenstarkem Bariton beherrschte er vollends die Handlung, lenkte seinen Sohn und dessen Geliebte durch die Welt und besiegelte am Ende ihr unglückliches Schicksal. Die väterlichen Vorstellungen für die Familie kommandierte er mit stimmlicher Fülle durch seine Parade-Arie „Di Provenza il mar, il suol”, auch die Reuegefühle vor der sterbenden Violetta ließ er stets selbstsicher von der Bühne segeln.

Für diese Spitzenleistung bekam er erstaunlich wenig Applaus, ich weiß ehrlich gesagt nicht, was man hier mehr wollte? Oder war – wie meine Ring-Begleitung vermutete – heute eher das nicht so Opern-erfahrene Publikum am Zug?

Auch Pene Pati sang einen mindestens sehr guten Alfredo. Sein lebenslustiger, freudiger Auftritt verbreitete viel gute Laune und passte bestens in die Rolle dieses emotional etwas flach komponierten Charakters. Mühelos strahlte die grenzenlose Freude seiner Liebe entfesselt durch die Partitur, die Libiamo-Stimmung trug er souverän auf seinen musikalischen Schultern durch den Abend. Die Wut gegenüber seinem vermeintlichen Konkurrenten um Violetta webte er wohl dosiert in seine Partie ein, ein Verdi-Tenor und Alfredo par excellence!

Ein wenig gemischt fiel die Bilanz bei der Violetta des Abends, Jeanine De Bique, aus. Zwar überzeugte die Sopranistin vor allem in den zahlreichen leisen Piano-Passagen souverän, über weite Strecken streichelte die Liebe dieser charakterlich starken Titelpartie musikalisch ergreifend und sanft die Ohren. Leider klang ihre Stimme an einigen Stellen immer wieder ein wenig eng, anderswo fast schon zurückhaltend. In Ordnung, ja, ausgerechnet ihre Inszenierungsvorgängerin Pretty Yende aber holte schon mehrfach mindestens einen Hauch mehr Lebensfreude aus dieser Partie heraus.

Von den zahlreichen sehr knapp komponierten Nebenrollen viel vor allem Irakli Pkhaladzes stimmlich starker und sauberer Baron Douphol äußerst positiv auf und auch Adriane Queiroz’ gesanglich souveräne Annina stand ihrer Vorgesetzten musikalisch um nichts nach!

Am Pult der Staatskapelle Berlin holte Karel Mark Chichon einen polierten, stimmigen Verdi-Klang aus dem Orchester. Mit Eifer und Engagement stürzte er die Musiker in die Partitur, insbesondere das Klarinettensolo im 2. Akt strahlte mit ergreifender Emotion aus dem Graben. Der Chor erledigte seine Aufgabe souverän, feierte freudig auf Floras Festen und ließ den Klangzauber dieser Verdi-Chöre freudig in die musikalische Seele eindringen.

Dank einer souveränen musikalischen Bilanz feierte die Lindenoper auch dieses Jahr eine erfolgreiche Wiederaufnahme des Dauern-Opern-Klassikers La Traviata. Mit Marina Rebeka und Lisette Oropesa sind in dieser Serie noch zwei weitere Violettas besetzt, das Berliner Opernpublikum blickt auf einen spannenden Verdi-Oktober…

Johannes Karl Fischer, 3. Oktober 2025 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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