Foto © Dragosh Cojaru
L’Elisir d’Amore (Der Liebestrank), Gaetano Donizetti
Hamburgische Staatsoper, 6. April 2017
Eine Opernproduktion, die schon vierzig Jahre auf dem Buckel hat, kann trotzdem noch immer überzeugen: Das bewies die 159. Vorstellung von Gaetano Donizettis „L’Elisir d’Amore“ an der Hamburgischen Staatsoper am Donnerstagabend. Dies lag aber nicht an der braven Inszenierung und schon gar nicht am Dirigat, sondern an zwei Solisten, die ganz überzeugend sangen: Dovlet Nurgeldiyev als armer Bauer Nemorino und Valentina Nafornita als reiche, junge Pächtern Adina.
Für viele Sternminuten im Haus an der Dammtorstraße sorgte vor allem die Moldawierin Valentina Nafornita, Jahrgang 1987. Ihr Sopran berührte von der ersten Minute an und überstrahlte alle anderen Solisten auf der Bühne.
Nafornitas Präsenz ist einmalig, ihr Timbre unverwechselbar. Dieser Juwel, das war zu hören, ist nur noch Zentimeter von der Weltklasse entfernt. Diese Sopranistin singt federleicht, betörend, ausdrucksstark und völlig ohne Kraft – man spürt: Singen ist ihr Ding, dafür braucht sie sich nicht anzustrengen. Sie legt einfach los, als ob sie pfeifen würde. Ihre Koloraturen perlen wunderbar. In ihrer Stimme spiegelt sich die komplette Adina wieder: noch ein wenig – das ist in keinster Weise abwertend – ein Backfisch und doch schon eine reife, junge Frau. Das können nur ganz wenige Sängerinnen in ihrem Alter.
Frau Nafornita, bitte kommen Sie auch weiter an die Elbe, wenn sie in die Champions League der Sopranistinnen aufgestiegen sind! Auch die Elbphilharmonie in der HafenCity böte sich für einen Solo-Abend an…
Nafornita gewann als bislang jüngste Teilnehmerin den BBC Cardiff Singer of the World Wettbewerb. Von 2011 bis 2016 war sie Ensemblemitglied an der Wiener Staatsoper – klassik-begeistert.de durfte sie dort schon mehrfach bewundern, auch als Solistin im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins. Die Adina hat die Moldawierin bereits 2014 im Haus am Ring in Wien gesungen.
Im November 2012 debütierte die Sängerin an der Mailänder Scala als Gilda in Giuseppe Verdis Rigoletto unter Gustavo Dudamel. Im August 2013 sang sie in einer Produktion der Opera de Lyon beim Edinburgh Festival als Marzelline in Ludwig van Beethovens Fidelio und bekam exzellente Kritiken. Im Herbst folgten Debüts an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin als Oscar in Un ballo in maschera (Verdi) und an der Bayerischen Staatsoper in München als Einspringerin in der Rolle der Gilda. Im Sommer 2014 trat sie erstmals bei den Salzburger Festspielen auf – als Zerlina in Wolfgang Amadeus Mozarts Don Giovanni.
Ja, und in weiten Strecken ganz großartig sang auch der Tenor Doviet Nurgeldiyev, Ensemblemitglied an der Hamburgischen Staatsoper. Seine Strahlkraft ist sehr beachtlich – und so bekam der Turkmene vom Hamburger Publikum auch den größten Applaus. Seine besonderen Stärken liegen in den lyrischen Passagen. Höhepunkt des Abends war Nemorinos weltberühmte Arie „Una furtiva lagrima / Heimlich aus ihrem Auge sich eine Träne stahl“ – begleitet von einer Harfe und vom Englischhorn. Das gelang dem Tenor wirklich ganz wunderbar und ging richtig schön unter die Haut.
Nurgeldiyev ist noch im April 2017 – bitte vormerken – als Le Chevalier in den „Dialogues des Carmélites“ von Francis Poulenc, im Mai als Sir Edgardo Ravenswood in Donizettis „Lucia di Lammermoor“ und im Juni als Belmonte in Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“ zu hören.
Der Bass Tigran Martirossian als Quacksalber Dulcamara, auch ein Ensemblemitglied, bot eine ansprechende Leistung; der Armenier brachte das Hamburger Publikum mit seiner humorvollen Art immer wieder zum Lachen. Anfangs fiel es ihm aber bisweilen schwer, ganz genau auf Schlag zu singen.
Auch der Bariton Kartal Karagedik als Sergeant Belcore steigerte sich im Laufe der Abends. Zu Anfang war das Ensemblemitglied noch nicht richtig eingesungen und vermochte stimmlich nicht zu überzeugen. Nach der Pause legte er dann aber deutlich zu und bot eine unterm Strich ordentliche Leistung.
Sonja Kraschin, Altistin im Symphonischen Chor Hamburg, fasste den Abend so zusammen: „Am besten haben mir Nemorino und Adina gefallen. Ich hatte das Gefühl, dass der Tenor klanglich die perfekte Besetzung für die Partie ist. Er singt sie bis zum Ende mit riesiger Strahlkraft, obwohl sie ziemlich lang ist. Beide Stimmen passen toll zusammen und sind absolute Weltklasse.“
Die Musik dieser komischen Oper, die Donizetti 1832 nach etwa zweiwöchiger Kompositionszeit in Mailand auf die Bühne brachte, ist wunderbar. Eine kurze, melodisch effektvolle Nummer jagt die andere, darunter viele Duette und Quartette. Leider vermochte der Dirigent Gregor Bühl dem Werk nur wenig Italianità abzugewinnen und agierte – wie auch bei seinen bisherigen Orchesterleitungen in dieser Saison – recht matt und ohne das notwendige Feuer. klassik-begeistert.de versteht nicht, warum die Staatsoper diesem mittelmäßigen Dirigenten vier Opern in dieser Saison anvertraut hat. Die Verantwortlichen sollten die Zusammenarbeit mit dem Hannoveraner überdenken.
Bei den Zuschauern kommt L’Elisir d’Amore immer noch gut an – auch wenn die Hamburgische Staatsoper am Donnerstagabend nur etwa zwei Drittel der Plätze verkauft hatte. Dem Hamburger Opernpublikum hatte auch der 154. Hamburger Liebestrank am 26. Juni 2016 gefallen.
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„Ich mag diese klassische Inszenierung aus dem Jahr 1977 – mit den vielen modernen Inszenierungen kann ich meist nichts anfangen, da bin ich etwas konservativ“, sagte die Hamburgerin Inge Boese. „Der ‚Liebestrank’ ist so ein richtiger Donizetti mit tollen Melodien. Aber er reicht nicht ganz an ‚Lucia di Lammermoor’ und ‚Die Regimentstochter’ heran.“ Auch Gaby Seidel aus Großhansdorf (Schleswig-Holstein) lobte „das tolle Bühnenbild und die wunderschönen Kostüme, die passen hervorragend zu der fröhlichen Musik.“
„Ich liebe die Oper“, sagte der Hamburger Justus Engelhardt. „Als Arzt habe ich beruflich jeden Tag mit Gefühlen zu tun – und in der Oper werden Gefühle über Handlung und Musik hervorragend ausgedrückt. Hier erlebe ich, wie die Musiker mit dem Drama des Lebens umgehen. Ich gehe immer bereichert aus den Vorführungen heraus.“
Matthias Prettl besucht „L’Elisir d’Amore“ insgesamt vier Mal. „Ich bin immer nervös, wenn ich in die Oper gehe, denn ich weiß nie, was auf mich zukommt“, sagte der Hamburger. „Mit 17 Jahren habe ich mich an der Oper Stuttgart beim ‚Rigoletto’ von Giuseppe Verdi mit dem Opernvirus infiziert. Bei dieser Donizetti-Inszenierung kann ich vollkommen abschalten und nur noch hören, hören, hören.“
Andreas Schmidt, 7. April 2017
klassik-begeistert.de
Sirenenklänge
Odysseus wusste ganz genau, weshalb er sich von seinen Recken an den Mast binden ließ.
Die Sängerin Valentina Nafornita überbietet mit ihrer leuchtenden Stimme ganz locker diese Fabelwesen.
Ich hatte das große Vergnügen, dieser wunderschönen Künstlerin als Aldina viermal seit dem 30. März 2017 in „L’Elisir d’Amore“ (Der Liebestrank) von Gaetano Donizetti lauschen zu dürfen.
Als Opernfreund kann man sich glücklich schätzen, dass sich diese junge Dame für den Gesang entschieden hat und nicht eine Karriere als Mannequin gewählt hat.
Wer schwebt eigentlich filigraner über die Bühne – ihre Stimme oder ihr ausdrucksstarkes Spiel?
Beginn einer Weltkarriere? Offensichtlich bin ich nicht alleine mit dieser Vermutung…
Jeder Opernliebhaber, mit dem ich darüber gesprochen habe, ist felsenfest davon überzeugt.
Leider konnte der Dirigent Gregor Bühl nicht mithalten. Etwas mehr „ dolce fa niente“ und „ sole mio“ hätten diese vier Abende vollkommen perfekt gemacht.
Matthias Prettl, Hamburg