Füchslein Oldenburg © Stephan Walzl
Kennen Sie die Oper „Die Abenteuer der Füchsin Bystrouška“? Natürlich ist das der Originaltitel von Leoš Janáčeks „Das schlaue Füchslein“, der auf Max Brod, der das Libretto ins Deutsche übersetzte und erheblich umarbeitete, zurückgeht. Nichtkenner der Oper denken an ein Singspiel für Kinder, aber hier geht es tatsächlich um Leben und Tod, das Altwerden – und um den Kampf zwischen Natur und Zivilisation.
Das schlaue Füchslein
Oper von Leoš Janáček
Oldenburgisches Staatstheater
Premiere am 21. Juni 2025
Inszenierung: Mélanie Huber
Musikalische Leitung: Eric Staiger
Oldenburgisches Staatsorchester
Penelope Kendros, Sopran
Arthur Bruce, Bariton
Emily Dorn, Sopran
Seumas Begg, Tenor
Seungwon Lee, Bass
Dorothee Bienert, Mezzosopran
Paul Brady, Bariton
Opernchor sowie Kinder- und Jugendchor des Oldenburgischen Staatstheaters
Oldenburgisches Staatstheater, 24. Oktober 2025
(Premiere am 21. Juni 2025)
von Dr. Andreas Ströbl
Das kommt heraus bei „gut gemeint“
Der Schriftsteller Max Brod, dem die Welt nichts Geringeres als die Rettung des gesamten Werks von Franz Kafka vor der durch den Autor selbst verfügten Vernichtung verdankt, hat mit seiner Bearbeitung dem Libretto von Janáčeks Oper einen, um in der Tiermetaphorik zu bleiben, echten Bärendienst erwiesen. Der Titel kommt zu naiv-verspielt daher, denn das, laut Selbsteinschätzung, beste Werk des Komponisten, ist keine nette Tierparabel. Dramaturgin Antje Müller betonte in ihrer Einführung den, bei allen humorigen Aspekten, Ernst dieser Oper. Janáček karikiert hier nicht die Tiere, sondern die Menschen. Die Erlösung aus dem Kampf zwischen Tier und Mensch liegt in der Versöhnung mit der Natur, und genau das begreift der Förster am Ende.
Hauptprotagonist, hebt die Dramaturgin hervor, ist nämlich der Wald, und dem verleiht das Orchester zauberisch-mächtige Stimme. Brod hat zahlreiche Textstellen bis zur Verfremdung umgearbeitet, angeblich um das Libretto für das deutsche Publikum attraktiver zu machen. Tatsächlich wurde die Oper in dieser Fassung zunächst auf deutschen Bühnen gespielt, aber die gutgemeinten Veränderungen trafen inhaltlich oft daneben. Regisseurin Mélanie Huber hat sich für eine Fassung von Ute Becker und Alena Wagnerová entschieden und in der Inszenierung auf bunte Lebendigkeit ohne bemühte Aktualisierungen gesetzt – ein Konzept, das wunderbar aufgeht!
Ein Wald? Da genügen acht Bäume!
Ausstatterin Lena Hiebel setzt in der Bühnengestaltung auf eine zunächst reduziert anmutende Darstellung mit einfachen Mitteln. Und so ragen auf der beweglichen Dreh-Insel in der Bühnenmitte nur acht dunkle Baumstämme mit wie verbrannt wirkendem Laub in die Höhe. Durch die geschickte Lichtregie von Steffi Flächsenhaar entsteht aber ein bezauberndes Schattenspiel, das die ganze Hinterbühne zur belebten Projektionsfläche macht.
Die hinreißenden Kostüme hat Lena Hiebel liebevoll und vielseitig gestaltet – die Tierdarsteller tragen teiltransparente Maskenköpfe oder hutartige Aufsätze, dazu passende Gewandungen. Man erkennt jedes Tier, aber ahnt dahinter auch den Menschen. Dadurch rücken die beiden Welten subtil zusammen; wenn der Wilderer die Füchsin am Ende erschießt, nimmt sie die Maske ab. Hat der Mensch hier seinesgleichen umgebracht? Zumindest brechen hier hierarchische Strukturen auf, denn auch bei allem Nichtverständnis des jeweils anderen begegnet man sich auf Augenhöhe.

Zentrales Element der Produktion ist in jedem Falle die sehr lebhafte Choreographie von Joanne Willmott. Die Bewegungen der Tiere imitieren natürliches Verhalten, ohne aufgesetzt zu wirken; Interaktionen zwischen Paaren und Gruppen sind detailverliebt ausgestaltet.
Durchweg reife Ensembleleistungen – mit nur einem Gast
Stimmlich ist das Ensemble des Oldenburgischen Staatstheaters ausgezeichnet aufgestellt. Bis auf Emily Dorn, die den verliebten männlichen Fuchs mit anmutigem, sattem Sopran gibt, sind alle Mitwirkenden Hauskräfte. Penelope Kendros verleiht der Titelfigur eine frische Lebhaftigkeit und überzeugt durch makellosen, höhensicheren Gesang.
Mezzosopranistin Dorothee Bienert ist zugleich resolute Förstersfrau und Specht; die Oldenburger erweitern hier die von Janáček vorgesehene Doppelbesetzung von Pfarrer und Dachs, hinzu kommen Schulmeister und Dackel.

Die trinkfreudige Herrenrunde führt der kraftvoll singende Bariton Arthur Bruce als Förster an; man nimmt ihm den Wandel vom mitunter unwaidmännischen Förster zum Natur-Versteher unbedingt ab. „Ist es Märchen oder Wahrheit?“, fragt er in seinem mit großer Wärme gesungenen Schlussmonolog und erweist damit seine Infragestellung scheinbar feststehender Vorstellungen.
Seine Saufkumpane sind Seumas Begg als Schulmeister und Dackel, und Seungwon Lee, der sowohl Pfarrer und Dachs verkörpert. Sie bleiben statisch in ihren altgewordenen Leben haften und haben nicht verstanden, dass man sich auch weiterentwickeln kann.
Paul Brady setzt als Geflügelhändler/Wilderer Háraschta dem Leben der Füchsin ein Ende; das tut er völlig unsentimental, denn das Fell taugt ihm als Muff für seine Geliebte.
Alle Rollen stellen sich in den Dienst der Gesamtproduktion und bilden ein harmonisches Ganzes. So funktioniert gute, einfühlsame Regiearbeit.
Janáček-Klang in Vollendung
Dirigent Eric Staiger und das Oldenburgische Staatsorchester zaubern einen fülligen, farbenschillernden Klang, der die so eigene Tonsprache des Komponisten mit ihren typischen Wechseln und Brüchen sowie den mährischen volksmusikalischen Einflüssen eindringlich zur Geltung bringt. Die Größe dieser Musik macht klar, dass es jenseits der Handlung etwas ganz anderes gibt, nämlich die Urkraft der Natur und der Zeit, die das Altern und den Neuanfang mit sich bringt – mit jungen Füchsen und frechen kleinen Fröschen.

Opernchor sowie Kinder- und Jugendchor des Oldenburgischen Staatstheaters unter der Leitung von Thomas Bönisch bilden mit großer Spielfreude und gesanglicher Stärke den Gegenpart zu den Solisten. Auch hier besticht das ausgewogene Zusammenspiel aus gesanglichen Leistungen und Choreographie. Das Publikum dankt es mit langanhaltendem, begeistertem Applaus.
Die Opernwelt braucht unbedingt mehr Janáček! Umso erfreulicher, dass die Oldenburger sich für diese Produktion entschieden haben. Der Weg dorthin lohnt sich, es gibt noch Vorstellungen am 1. und 29. November sowie am 22. Dezember.
Und ein Wort zum Schluss – das Oldenburger Staatstheater ist ein sehr sympathisches Haus. Ob Pressevertreter oder Publikum – alle nehmen die Zugewandtheit und unkomplizierte Hilfsbereitschaft wahr, von der Pforte über die Öffentlichkeitsarbeit bis in die Leitungsetage. Davon können die großen Häuser sich eine ordentliche Scheibe abschneiden!
Dr. Andreas Ströbl, 25. Oktober 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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