Die Regie von „Die Ausflüge des Herrn Brouček“ gefällt besser als die Oper selbst

Leoš Janáček, Die Ausflüge des Herrn Brouček  Staatsoper Unter den Linden, 27. März 2025

Aleš Briscein und Lucy Crowe; Hintergrund: Peter Hoare © Arno Declair

Mit Leoš Janáčeks „Die Ausflüge des Herrn Brouček“ geht der Janáček- Zyklus der Staatsoper Unter den Linden in die dritte Runde. Regisseur Robert Carsen, Simon Rattle und das Sängerensemble holen das absolute Maximum aus dem an sich fragwürdigen Stück heraus.

Die Ausflüge des Herrn Brouček
Oper in zwei Teilen (1920)
Musik von Leoš Janáček

Musikalische Leitung: Simon Rattle
Staatskapelle Berlin

Inszenierung: Robert Carsen
Regieassistenz: Gilles Rico
Bühne: Radu Boruzescu
Video: Robert Žižka

Staatsoper Unter den Linden, 27. März 2025

von Arthur Bertelsmann

Nach wie vor bekommt Leoš Janáček in Deutschland nicht die Zuneigung, die er verdient. Wirkliche Janáček-Fans gibt es kaum. Das ist schade und unverständlich, da die Stücke in der Regel nicht nur raffiniert und spannend komponiert sind, sondern der Komponist auch oft gute Libretti zur Unterstützung hatte. Stücke wie die abgründige „Jenůfa“ oder das Meta-Drama „Die Sache Makropulos“ belegen das eindrücklich.
Die Ausflüge des Herrn Brouček ist leider eine Ausnahme. Musikalisch ist das Stück sperrig, kaum etwas Eingängiges findet sich, wenig macht Spaß.

Und dann auch noch diese unverständliche Handlung rund um den langweiligen Hausbesitzer Brouček, der sich im ersten Akt plötzlich auf dem Mond und im zweiten in einem Bauernaufstand des Mittelalters wiederfindet. Immer bleibt dieser Brouček der feige, selbstsüchtige Biedermann. Ob in Begegnung mit Mondbewohnern oder Revolutionären – er ist darauf bedacht, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, wobei kohärente Dialoge fast nie vorkommen.

Chor und Tanzensemble © Arno Declair

Kein Wunder, dass das Stück so selten gespielt wird.

Regisseur Robert Carsen nutzt jedoch diese Inhaltslosigkeit clever aus und überträgt die Geschichte ins bewegte Jahr 1968. Brouček fliegt bei Carsen erst auf den Mond und landet dann plötzlich beim Hippie-Musikfestival Woodstock. Bei beidem ist Bier- und Wurstliebhaber Brouček natürlich denkbar fehl am Platz. Wodurch Regisseur Carsen eine interessante Beobachtung zur 68er-Bewegung vorlegt: Kuriosum waren in der Retrospektive nicht etwa die langhaarigen Hippies, sondern die Anzug-tragenden Konservativen, die unbehelligt ihrem ganz normalen, spießigen Alltag nachgehen wollen.

Die Stimmung kippt jedoch sofort im zweiten Akt, das Lachen bleibt den Zuschauern im Halse stecken, als ein riesiger Fernseher nun einen Szenenwechsel zeigt – weg aus Amerika hin zum Prager Frühling in der Tschechoslowakei, wo ein friedlicher Umsturz gewaltsam durch sowjetische Panzer niedergewalzt wurde. Brouček ist auch hier ein Fremdkörper, zunächst zu feige, um den Umsturz mitzutragen, um dann als vermeintlicher Dissident der Sowjetunion fast hingerichtet zu werden.

Gyula Orendt © Arno Declair

Durchgehend bleibt die – eigentlich kaum erkennbare Handlung – absolut glaubhaft, was an den durchgehend starken Sängern liegt. Obgleich, Sänger wie Lucy Crowe oder Aleš Briscein müssen sowohl in die Rolle von Hippies, Kneipeninhabern und Revolutionären schlüpfen und bleiben in jeder dieser Figuren absolut überzeugend. Besonders Crowes klarer Sopran ist hervorzuheben: Als Hippiemädchen naiv-zuckersüß, als Bardame resolut und als Revolutionärin leidenschaftlich.

Doch absoluter Höhepunkt ist die Titelfigur, gesungen von Peter Hoares. Der Sänger gibt nicht den ständig weinerlichen, lächerlichen Brouček, sondern zeigt eigentlich kaum erkennbare Facetten des Charakters. Da ist nicht nur die ständige Feigheit, sondern auch eine eitle Selbstzufriedenheit, eine Dekadenz, eine große Unehrlichkeit und das alles ohne diesen Brouček jemals wirklich hassenswert erscheinen zu lassen. Den Tod durch die Sowjets wünscht der Zuschauer ihn zum Schluss dann doch nicht.

Stephan Rügamer, Peter Hoare, Gyula Orendt, Arttu Kataja, Linard Vrielink © Arno Declair

Simon Rattle und die Staatskapelle Berlin bereiten den formidablen Sängern den Klangteppich , den es für die ambivalenten Rollen braucht. Zurückhaltend, aber nicht schüchtern führt der Dirigent durch diesen Abend, setzt jedoch immer wieder in den Zwischenspielen Akzente, die selbst Broučeks Mondreise glaubwürdig machen. Die Staatskapelle folgt preußisch den Anweisungen, kein einziger Wackler ist zu hören.

Am Ende ärgert man sich trotzdem ein wenig, denn was wäre wohl mit diesen Sängern, diesem Orchester, diesem Dirigent und diesem Regisseur bei einem von Janáčeks Meisterwerken möglich gewesen?

Arthur Bertelsmann, 28. März für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Besetzung:

Matěj Brouček: Peter Hoare
Mazal, Blankytný, Petřík: Aleš Briscein
Sakristan, Lunobor, Domšík von der Glocke: Gyula Orendt
Málinka, Etherea, Kunka: Lucy Crowe

Leoš Janáček, Die Ausflüge des Herrn Brouček Staatsoper Unter den Linden, Premiere, 16. März 2025 PREMIERE

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Leoš Janáček, Z mrtvého domu/Aus einem Totenhaus Janáčkovo divadlo, Brünn, 27. April 2024

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