Stephan Rügamer, Peter Hoare, Gyula Orendt, Arttu Kataja, Linard Vrielink
© Arno Declair
Die Ausflüge des Herrn Brouček
Oper in zwei Teilen (1920)
Musik von Leoš Janáček
Musikalische Leitung: Simon Rattle
Staatsopernchor, Staatskapelle Berlin
Inszenierung: Robert Carsen
Staatsoper Unter den Linden, 16. März 2025 PREMIERE
von Peter Sommeregger
Diese Oper Janáčeks gehört zu den selten aufgeführten Werken des Komponisten. Das mag daran liegen, dass ihre Handlung doch sehr speziell, und die Musik weniger inspiriert ist, als bei den späteren Meisteropern. Also traf diese Neuinszenierung an der Berliner Staatsoper auf ein unvorbereitetes Publikum.
Der Regisseur Robert Carsen hat das Stück über den Hausbesitzer Brouček, dessen liebster Aufenthalt seine Stammkneipe in Prag mit Bier und Würsten ist, sehr lebendig und kurzweilig auf die Bühne gebracht. Dafür griff er zu zwei anachronistischen Tricks, die sich als zündende Ideen entpuppten, und die Aufführung zum bejubelten Erfolg führten.

Im Hintergrund der Prager Kneipe steht ein Fernseher, auf dem eine Übertragung der ersten Mondlandung läuft. Dies inspiriert den Titelhelden zu seinem virtuellen Ausflug auf den Mond. Original-Videos werden geschickt eingesetzt, ganz real fährt auch eine Kopie des damals benutzten Fahrzeugs über die Szene. Die Mondbevölkerung feiert gerade das Moonstock-Festival, unschwer anhand von Videos als Woodstock 1968 zu erkennen. Enttäuscht wendet sich Brouček zurück zur Erde und wacht wieder in seiner Stammkneipe auf.
Im zweiten Teil wird er in die Hussitenkriege des 15. Jahrhunderts versetzt. Die deutet der Regisseur in die kurze Geschichte des Prager Frühlings 1968 und seine brutale Niederschlagung durch die Sowjets um.
Wieder kommen Videos zum Einsatz, welche die Protagonisten der damaligen Ereignisse, wie Alexander Dubček und Jan Palach zeigen, jenen unglücklichen Studenten, der sich als Protest gegen die Brutalität der Russen selbst am Wenzelsplatz verbrannte, und zum Märtyrer wurde. Selbst der legendäre Sieg der tschechischen Eishockey-Mannschaft über die Sowjets wird gezeigt. Das sind beklemmende Reminiszenzen an jene Ereignisse, nur fraglich, ob Zuschauer unter fünfzig diese Bilder historisch richtig zuordnen können.

Der Aufführung geben diese Exkurse jedenfalls Tempo, Struktur, und einen eigenen Reiz. Die vielen kleinen Rollen sind auf wenige Sänger verteilt, die jeweils als verschiedene Charaktere auftreten. Zentrum der Aufführung ist natürlich der Brouček von Peter Hoare, der mit seinem Charaktertenor ein authentisches Bild des Zechers zeichnet. Lucy Crowe sorgt als Málinka und in weiteren Rollen mit ihrem glockenreinen Sopran für die vokalen Highlights des Abends. In weiteren verschiedenen Rollen können Aleš Briscein, Linard Vrielink und Gyula Orendt überzeugen.

Sir Simon Rattle, der schon mehrfach mit Janáček-Dirigaten überzeugen konnte, ist auch diesmal ein kompetenter Sachwalter des mährischen Komponisten. Musikalisch entfaltet sich das Genie des Komponisten erst richtig im zweiten Teil, der dann am Ende aber ein jubelndes Publikum hinterlässt. Eine durchaus sehens- und hörenswerte Rarität!
Peter Sommeregger, 17. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Besetzung:
Matěj Brouček: Peter Hoare
Mazal, Blankytný, Petřík: Aleš Briscein
Sakristan, Lunobor, Domšík von der Glocke, Svatopluk Čech: Gyula Orendt Málinka, Etherea, Kunka: Lucy Crowe
Komponist, Harfoboj, Miroslav: Linard Vrielink
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