Musikalische Umbruchszeiten auf Originalinstrumenten: Ustine Dubitsky dirigiert Beethoven und Berlioz

Les Siècles, Ustina Dubitsky  Philharmonie Berlin, 6. September 2025

Berliner Festspiele, Les Siècles, Dubitsky © Fabian Schellhorn

Les Siècles

Ustina Dubitsky / Dirigentin
Isabelle Faust / Violine

Ludwig van Beethoven (1770-1827) / Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61

Hector Berlioz (1803-1869) / Symphonie fantastique op. 14

Philharmonie Berlin, 6. September 2025

von Julian Führer

Im Rahmen der Berliner Festspiele war ein sehr klassisch anmutendes Programm zu hören, gespielt von der Originalklangformation Les Siècles unter der Leitung von Ustina Dubitsky.

Vor der Pause spielte Isabelle Faust Beethovens bekanntes Violinkonzert. Bereits die Introduktion des Orchesters gab die Richtung vor: Es ging nicht um musikalische Extreme, Tempo- oder Lautstärkenrekorde, sondern um ein schlank und in kleiner Besetzung musiziertes Stück.

Isabelles Faust Soloeinsatz war sehr zurückhaltend – die Berliner Philharmonie ermöglicht es, durchgängig eher leise zu bleiben. In Erinnerung bleibt daher nicht etwas fundamental Neues, sondern eher die Geschlossenheit in der Darbietung eines eindeutig aufeinander eingespielten Orchesters, die zurückhaltende Dynamik und doch raffinierte Differenzierung im einzelnen.

In der Durchführung des ersten Satzes wäre der Dialog mit den Fagotten zu nennen, bei der Kadenz der auf Beethoven zurückgehende und damals sehr originelle Einsatz der Pauke. Der zweite Satz, noch einmal leiser angegangen, gelang bestechend allein schon durch die tiefe Streichergrundierung der Anfangsakkorde. Im für das Orchester etwas dankbareren dritten Satz blieb es bei einem sehr kompakten Klangbild, das Beethovens revolutionäre Musik in die klassischen Hörgewohnheiten der Zeit einpasste. Ustina Dubitsky dirigierte hier ohne Taktstock und mit sehr klarer Gestik, während Isabelle Faust mit ihrer Erfahrung in großer Souveränität auch diese zurückhaltende, fast versonnene Interpretation plausibel machte. Das begeisterte Publikum erhielt mit der Fantasia h-Moll von Georg Philipp Telemann noch eine kleine, sehr intime Zugabe.

Berliner Festspiele, Les Siècles, Dubitsky © Fabian Schellhorn

Seit Aufkommen der Originalklangbewegung haben sich einige spezialisierte Ensembles für ein jeweils spezifisches Repertoire gebildet. Die Formation „Les Siècles“ nimmt hier eine Sonderstellung ein, denn dieses in Frankreich ansässige Orchester wechselt die Instrumente je nach ausgewählter Epoche und gespieltem Werk. Dies war auch bei dem Berliner Konzert zu sehen, als nach der Pause beispielsweise die Oboe mit einem anderen, moderneren Instrument spielte.

Hector Berlioz war noch längst keine dreißig Jahre alt, als er mit der Symphonie fantastique (als Opus 14 auch wirklich ein frühes Werk) sein bis heute bekanntestes Stück zur Uraufführung bringen konnte. Nur reichlich 20 Jahre nach Beethovens Violinkonzert entstanden und ohne Beethovens Neuerungen auch kaum denkbar, stößt diese Symphonie in völlig neue Dimensionen vor.

Die fünfsätzige Struktur, das zugrundeliegende Programm und die ausufernde Besetzung zeigen einen unbändigen Willen zur musikalischen Neugestaltung. Das Orchester Les Siècles, das dieses Stück bereits zweimal eingespielt hat, war auch in der Berliner Umsetzung darauf bedacht, dem sehr neuen Charakter gerecht zu werden. Vier Harfen für den zweiten Satz waren links und rechts der Dirigentin aufgestellt, was diese Instrumente auch akustisch sehr prominent werden ließ (und leider eine längere Umbaupause zwischen zweitem und drittem Satz erforderlich machte). Im dritten Satz spielte die Oboe vom recht hoch gelegenen Block C und schuf so einen Fernorchestereffekt, wie er zur Entstehungszeit um 1830 an der Pariser Oper sehr beliebt war, während vom Podium das Englischhorn antwortete.

Vierter und fünfter Satz (‚Marche au Supplice‘ und ‚Songe d’une Nuit de Sabbat‘) wirkten in der Philharmonie sehr stark, weil die Klangmassen im Vergleich zu vorher so stark anschwollen. Das Publikum applaudierte sehr herzlich und lange. Berlioz schrieb diese Symphonie zu einer Zeit, als Beethoven und Schubert erst kürzlich gestorben waren, als in Paris wieder einmal eine Revolution auf den Straßen stattfand und im fernen Sachsen ein gewisser Richard Wagner die Partitur von Beethovens 9. Symphonie Note für Note abschrieb, um den Kompositionsstil zu erfassen. Eine aufregende Zeit, 2025 in einem aufregenden Konzert mustergültig nachzuerleben.

Julian Führer, 10. September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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