Foto: Vladimir Jurowski © Robert Niemeyer
Gärten der Welt Berlin, 29. August 2020
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Leitung: Vladimir Jurowski
Richard Strauss:
Metamorphosen für 23 Solostreicher
Ludwig van Beethoven:
Romanze für Violine und Orchester op.50 + op. 40
Sinfonie Nr. 1 op. 21
von Kirsten Liese
Das Konzertleben in der Hauptstadt kommt allmählich wieder in Gang. Vor wenigen Tagen eröffneten die Berliner Philharmoniker das Berliner Musikfest, aber auch das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin gab seit seinem letzten Konzert am 8. März kurz vor dem Lockdown erstmals wieder ein Konzert – unter seinem Chefdirigenten Vladimir Jurowski. Diesmal allerdings nicht im Konzerthaus, sondern in den Gärten der Welt unter freiem Himmel, wo sich mit knapp 800 Menschen immerhin ein größeres Publikum einfinden durfte als derzeit noch in den Berliner Konzerthäusern. Für mich war es das erste Konzert überhaupt in dieser Arena. Dass es nach Schlechtwetterperioden an diesem Abend trocken blieb, war ein großer Glücksfall.
Die übliche Maskenpflicht bis zum Erreichen des Sitzplatzes und Abstandsregeln galt es wie anderswo einzuhalten. Aber etwas war anders an diesem ungewöhnlichen Ort als bei all den Konzerten, die ich seit Ende Juni in Italien und Österreich erlebte: Statt einem auf 90 Minuten eingekürzten Programm ohne Pause gab es hier eine Pause.
Bei aller Freude über ein Programm, das damit etwas länger ausfallen durfte, erschien mir der Ort nicht ideal für ein so intimes Werk wie Strauss‘ Metamorphosen, die das Programm eröffneten. Dazu hätte es vielleicht einer akustischen Klangkulisse bedurft, wie sie dem Musikfestival Grafenegg in seinem Wolkenturm zur Verfügung steht.
Die leichte Versponnenheit dieses Stückes blieb jedenfalls ein wenig auf der Strecke. Aber das mag auch daran gelegen haben, dass Jurowski den Bezug zu Beethovens Eroica unterstreichen wollte, auf die sich Strauss mit einem Motiv bezieht. Und daran, dass dem Dirigenten daran gelegen war, das Stück in seiner düsteren Reaktion auf den Zweiten Weltkrieg mit der Corona-Krise in Beziehung zu setzen. Das jedenfalls klang in Jurowskis Grußansprache so an. Und entsprechend füllig und symphonisch tönte das eigentlich kammermusikalische Werk, das sich an diesem Abend nur selten einmal in Pianoregionen bewegte.
Weitaus befriedigender gestaltete sich das anschließende, den begrenzten räumlichen Gegebenheiten klug angepasste Beethoven-Programm. Erneut präsentierten sich die hoch motivierten Musiker des deutlich verschlankten Orchesters – ausgenommen freilich die Cellisten – im Stehen.
Mit seinem sensitiven Spiel musizierte Solist Erez Ofer die beiden Romanzen für Violine und Orchester mit lyrischer Schönheit und Zärtlichkeit. Und auch das Orchester musizierte nun, unter sparsamen klaren Zeichen Jurowskis, filigraner.
Die zweite Konzerthälfte führte mir vor Augen, wie sich die Programmgestaltungen in Corona-Zeiten nicht nur zum Nachteil verändern. In früheren Zeiten hätte Beethovens frühe erste Sinfonie wohl kaum den Hauptblock eines Abends gebildet. Meist im Schatten der späteren Sinfonien nur als Aufwärmübung betrachtet, bekam sie diesmal die gebührende Aufmerksamkeit und erfuhr seitens Musikern und Dirigent eine Sorgfalt und Präzision bis in kleinste Motive hinein, wie sie ihr in früheren Zeiten selten zuteil wurde.
Ob das Publikum das würdigte, indem es nach jedem Satz entgegen der Konventionen klatschte oder ob das aus Unwissenheit geschah, konnte ich allerdings schwer ausmachen. Jedenfalls wirkte die Wiedergabe des langsamen Satzes mit dem kanonisch einsetzenden schlichten Thema seitens feinster Abstimmungen in Dynamik, Artikulation und Phrasierung besonders elaboriert. Ansonsten waltete über der Sinfonie ein trefflich majestätischer schlanker Klang bei durchaus straffen, aber keineswegs übereilten Tempi.
Der von spürbar großer Musizierfreude bestimmte Abend war damit freilich noch nicht zu Ende. Zumindest eine Zugabe forderte das dankbare Publikum noch ein. Vital, pulsierend und mit Liebe fürs Detail dargeboten, fiel die Wahl auf die Ouvertüre zu Mozarts Oper Die Hochzeit des Figaro, in der die Aufbruchstimmung noch einmal kulminierte.
Schade nur, dass offenbar zeitgleich zum Konzert außerhalb der Gärten eine Party mit Bumbum-Musik und Feuerwerk im Gange zu sein schien, die empfindliche Ohren wie die meinen störten. Zwar kam sie aus weiter Ferne, aber wünschenswert wäre es doch, wenn sich die Arena bei künftigen Konzerten akustisch etwas besser abschirmen ließe.
Kirsten Liese, 31. August 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at