Foto: Lieberenz (c)
Ulrich Poser
berichtet über die Aufführung des „Lohengrin“ von Richard Wagner in der Deutschen Oper Berlin vom 28. Oktober 2018
Es gibt Opernabende, da sitzt man im Parkett und fühlt nichts. Es packt einen nicht, man sitzt eben nur da, und der Funke will nicht überspringen. Dann gibt es aber diejenigen Aufführungen, die einem einen wohligen Schauer nach dem anderen über den Rücken jagen und aufgrund massiver Endorphinausschüttung Glücksgefühle auslösen. Zu letzterem gehörte dieser Lohengrin in der Deutschen Oper Berlin.
Der Abend begann schon vielversprechend mit dem auch aus Bayreuth und Hamburg bekannten Bass Günther Groissböck. Er sang einen mächtigen, stimmstarken und lauten König Heinrich. Sein schwarzer, klarer Bass verströmte in jeden Winkel des nahezu ausverkaufen Hauses mit den senffarbenen Sitzen. Dieser König begeistert auch als Holländer und der Wotan kommt bestimmt auch noch. Klasse Leistung!
Klaus Florian Vogt, von seinen Fans schlicht KFV genannt, übertraf sich wieder einmal selbst. Er hat eben das, was einen Superstar von einem normalen guten Sänger unterscheidet: Er sieht gut aus (übrigens wie man sich den Lohengrin vorstellt: Er ist ein Bilderbuchlohengrin), er schauspielert rollengerecht und natürlich, so dass man denkt, er sei tatsächlich Lohengrin und schließlich singt er die Partie mit seinem hellen lyrischen einzigartigen Tenor derart überwältigend, dass man vor Freude weinen möchte. Das Wort „Taube“ in der Gralserzählung hat noch kein Sänger besser gesungen, hier hat er lyrische Maßstäbe gesetzt und Kunst geschaffen. Daran müssen sich andere messen lassen. Und überhaupt: Derzeit gibt es weltweit keinen besseren Lohengrin, weil Vogt in dieser Partie schlicht und ergreifend ein Gesamtkunstwerk verkörpert. Man wünschte sich fast, er würde nur noch und immer den Lohengrin singen.
Camilla Nylund begeisterte als Elsa mit ihrem einfühlsamen Sopran. Sie schaffte es, mit Ortrud nicht in den Wettbewerb zu treten und sich stimmlich so zurückzuhalten, dass sie unter Verzicht auf das Dramatische genau das Jungfräuliche und Mädchenhafte in einem Maße vortrug, das die Partie der Elsa erfordert. In Verbindung mit ihrem Erscheinungsbild zum Verlieben!
Anna Smirnova als Ortrud brachte das Haus zum Rasen. Hier stand eine Sängerin auf der Bühne, die das Böse und den Hass, der der Partie inne wohnt, mit ihrem unglaublich dramatischen Sopran wie vom Teufel besessen ins Publikum schleuderte. Das war die ultimative Smimova-Hardrockshow. Äußerst textverständlich, lyrisch, wo es lyrisch sein muss und dramatisch bis hysterisch an den Stellen, an denen die Partie Dramatik und Hysterie vorgibt. Auch bei ihr fällt es schwer, sich vorzustellen, dass diese Partie derzeit besser gesungen wird. Frau Smirnova ist übrigens auch eine hervorragende Schauspielerin; es bereitete auch große Freude ihr dabei zuzusehen.
Besonderes Lob gilt schließlich Dong-Hwan Lee, der einen superb textverständlichen Heerrufer mit starker Stimme ablieferte. Das Haus feierte ihn verdient.
Abgesehen davon, dass die extern aufgestellten Trompeter im 3. Akt (Götz Friedrichs Idee) etwas daneben bliesen (man kennt das aus einem norddeutschen Opernhaus…), lieferte Justin Brown ein hervorragendes Dirigat mit einem bestens disponierten Orchester ab.
Ein schöner Abend, zu welchem maßgeblich auch die äußerst gelungene Inszenierung von Kasper Holten beitrug. Während man in letzter Zeit oft auf belanglose, unverständliche und uninteressante Inszenierungen trifft (z.B. der aktuelle Rigoletto in München), war hier ein Dramaturg der alten Schule (Götz Friedrichs Spuren sind nicht zu übersehen) am Werk. Lichteffekte auf den Punkt. Durchdachte Regie, spannend erzählt und bis auf die vielen Leichen (eine durchaus schlüssige Idee) auch schön anzusehen.
Alles in allem: Ein herausragender Opernabend.
Ulrich Poser, 28. Oktober 2018, für
klassik-begeistert.de
Und wie war Martin Gantner als Telramund?
Heinz Landhäußer
Lieber Herr Landhäußer,
der Telramund von Martin Gantner war ganz hervorragend. Ein sehr präsenter Sänger, äußerst textverständlich und mit wunderschöner Baritonstimme, die an diesem Abend nichts zu wünschen übrig ließ. Besonders beeindruckt hat mich seine mühelose Höhe.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Poser
Wie sind keine Berliner und darum durchweg nur zweimal im Jahr zu Gast in der Deutschen Oper Berlin. Gern stimmen wir Ihrer Kritik zu.
Uns hat am 11. November der oben nicht erwähnte Chor sehr beeindruckt.
Hans-Peer Kratzel