"Lohengrin" an der Wiener Staatsoper: Cornelius Meister treibt Klaus Florian Vogt in göttliche Sphären

Lohengrin, Richard Wagner  Wiener Staatsoper, 19. Juni 2021

Foto: Klaus Florian Vogt als Lohengrin an der Wiener Staatsoper © Michael Pöhn

Wiener Staatsoper, 19. Juni 2021
Lohengrin, Richard Wagner

von Jürgen Pathy

Besser spät, als nie! Genauso wie diese Kritik zündet der Lohengrin-Dampfer an der Wiener Staatsoper etwas verspätet. Waren das Vorspiel und Teile des 1. Akts noch von Nervosität und Unsicherheit geprägt, brennt „das erste Haus am Ring“ ab dem 2. Akt so richtig. Dafür verantwortlich: Cornelius Meister, der Andreas Homokis Bauernstubeninszenierung in einen wahren Hexenkessel verwandelt. An der Wiener Staatsoper leitet der gebürtige Deutsche die aktuelle Lohengrin-Serie. So viel Wagner roh, so viel Dramatik hat man seit Ádám Fischers Götterdämmerung im April 2018 nicht mehr erlebt. Der ließ es damals genauso gewaltig krachen. Wenn dann neben der enormen Dezibel-Beschallung, die jedoch niemals zu Lasten der Sänger fällt, der Spannungsbogen bis zum Ende hält, schießt das Wagner’sche Narkotikum mit voller Wucht in die Venen. Klangrausch pur!

Der Lohengrin unserer Zeit

An der Wiener Staatsoper steht Meister ein alter Bekannter zur Seite. Bereits 2001, damals noch als Assistent in Erfurt, durfte Cornelius Meister die Geburt des absoluten Lohengrins erleben. Dieser heißt Klaus Florian Vogt. Was der gebürtige Holsteiner und für viele DER Lohengrin unserer Zeit da aufs Parkett zaubert, verdient das höchste Lob. Vogt ist als Schwanenritter zurzeit die unerreichte Nummer 1. Selbst Andreas Schager oder Piotr Beczała, die allesamt hervorragend agieren, können dem Mann mit der Knabenstimme nicht das Wasser reichen.

Doch was ist es genau, das Vogt hier so unerreicht scheinen lässt? Es ist der extreme Kontrast, der vor allem unter Cornelius Meisters Dirigat zum Vorschein tritt. Auf der einen Seite dieser satte, volle Klang des Wiener Staatsopernorchesters, das von Meister bis an seine Grenzen getrieben wird – bei gefühlten 30 Grad im Haus, die dazu führen, dass links und rechts nur alles Erdenkliche als Fächer missbraucht wird, bestimmt keine leichte Aufgabe für diese Edelmusiker. Auf der anderen Seite diese knabenhafte Tenorstimme, die trotz aller Leichtigkeit und Reinheit, beinahe mühelos jegliche Schallwand durchbricht.

Das hat etwas. Das verleiht diesem Märchen, bei dem ein unbekannter Ritter erscheint, der nicht in diese konservative Welt passen will, eine unvergleichbare Authentizität. Immerhin bricht Vogts Stimme genauso die Konventionen, wie man den Lohengrin besetzt. Vogt ist kein jugendlicher Heldentenor, schon gar kein Heldentenor – er ist einfach Vogt! Eine Ausnahmeerscheinung!

Nicht alle Gäste können überzeugen

Ganz und gar nicht mithalten, kann da die Elsa des Abends. Sara Jakubiak hat mehr als nur zu kämpfen. Ob es daran liegt, dass es ihr Debüt an der Wiener Staatsoper ist oder generell an der Partie der Elsa, ist schwer zu beurteilen. Vermutlich eine Mischung aus beidem. Auf jeden Fall mangelt es der Amerikanerin, die an der Yale University ausgebildet wurde, nicht nur an der feinen Klinge, die eine Elsa vor allem gleich zu Beginn haben sollte, sondern auch an der Textverständlichkeit. Erst später, als ihr das Dirigat und die Dramatik der Partitur ein wenig entgegenkommen, blüht die Stimme etwas auf. Da kann die junge Sängerin unter Beweis stellen, dass sie nicht nur in einer Farbe und Lautstärke singen kann. Bleibt zu hoffen, dass sie im Laufe der Serie etwas lockerer wird.

Als Telramund gastiert Johan Reuter. Der dänische Bassbariton zeigt sich von seiner besten Seite. Schwingt nicht nur im Gotteskampf das Messer gekonnt, sondern auch seine Stimme, die im oberen Register einer hellen Farbe gleicht. Mit Tanja Ariane Baumgartner steht eine Ortrud auf der Bühne, die zwar noch an ihrer Bühnenpräsenz arbeiten sollte, stimmlich jedoch wirklich beeindruckt und der Partie entsprechend furchteinflößend wirkt. Kwangchul Youn bleibt als König recht farblos. Ensemblemitglied Adrian Eröd rundet das Märchen perfekt ab.

Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 22. Juni 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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