Foto: Yuya Wang
LP-Rezension: John Adams, Must the devil have all the good tunes?
(DG 4838950)
Los Angeles Philharmonic Orchestra
Leitung: Gustavo Dudamel
Yuja Wang, Klavier
von Peter Sommeregger
Man ist den Umgang mit der guten, alten Vinyl-Platte gar nicht mehr gewohnt. Der Plattenspieler will erst einmal entstaubt werden, die notwendigen Handgriffe zum Auflegen der Platte lösen nostalgische Gefühle aus. Heute ist klar, dass der komplette Abschied von der Vinyl-Schallplatte ein Fehler war, schon die ersten Takte dieses fetzigen Klavierkonzerts machen es klar. Diese Wärme des Tons, diese Dichte der Atmosphäre!
John Adams‘ jüngstes Werk, dieses Konzert für Klavier und Orchester ist wie geschaffen dafür, die Sehnsucht nach dem Vinyl-Klang neu zu beleben. Das Konzert ist ein Auftragswerk des Los Angeles Philharmonic Orchestra und seines Chefdirigenten Gustavo Dudamel, die es im März 2019 in der Walt-Disney-Concerthall mit der Pianistin Yuja Wang uraufführten. Am gleichen Ort und in gleicher Besetzung entstand im November 2019 dann diese Einspielung.
Das Solo-Klavier hat in diesem Stück die absolute Dominanz gegenüber der eher kleinen Orchesterbesetzung. „Funky“ ist das treffende Wort für den Sound, der sich schon in den ersten Takten einstellt. In strengem Rhythmus, Stakkato-artig, wird das simple aber wirkungsvolle Grundthema nachhaltig und eindringlich vorgestellt. Die insgesamt vier Abschnitte des Werkes gehen nahtlos ineinander über, unterscheiden sich aber deutlich voneinander. Der zweite Teil wirkt gegenüber dem ersten sehr zurückgenommen, entspannter und lyrischer. Nach kurzer Überleitung wechselt der Stil in klassischen Swing, der erneut dichte, rasante Atmosphäre erzeugt.
Der chinesischen Pianistin Yuja Wang, deren Spiel von geradezu beängstigender Präzision und Intensität ist, scheint dieses Stück passgenau auf den Leib, besser gesagt in die Tasten geschrieben zu sein. Das Feuerwerk, das sie gemeinsam mit dem ihr im Temperament wohl verwandten Dirigenten Gustavo Dudamel veranstaltet, reißt den Hörer unweigerlich mit, man kann sich dem Reiz dieser Musik kaum entziehen.
Auch das als „Füller“ angefügte, nur gut vier Minuten dauernde Stück „China Gates“ ist durchaus ansprechend. Im Gegensatz zum „teuflischen“ Klavierkonzert ist es zart, elegisch, erinnert an tropfendes Wasser oder einen Wasserfall.
Dem Komponisten John Adams gelingt es praktisch in allen seinen Werken, mit relativ simplen Mitteln größtmögliche Dichte und Wirkung zu erzeugen, was diese aktuelle Veröffentlichung erneut unter Beweis stellt. Gerne würde man das Klavierkonzert auch einmal live im Konzertsaal hören, bevorzugt natürlich mit der phänomenalen Yuja Wang.
Peter Sommeregger, 26. September 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Yuja Wang, Jakub Hrusa, WDR Sinfonieorchester, Kölner Philharmonie