Anna Netrebko und Luca Salsi begeistern das Publikum der Berliner Staatsoper in Verdis Macbeth

Macbeth, Oper von Giuseppe Verdi  Staatsoper Unter den Linden, 17. September 2023

Luca Salsi und Anna Netrebko (Foto RW)

Anna Netrebko hat zweifelsohne ein mächtiges Organ mit prachtvoll den Raum flutenden Tönen. Die Frequenzspannweite ihrer Stimme ist enorm, vor allem beeindruckt die untere Mittellage mit einem warmen, braungoldenen Klang. In der Höhe vermag Netrebko unverändert mit strahlendem Glanz zu imponieren. Auch verfügt sie über eine beeindruckende Pianokultur.

Staatsoper Unter den Linden, 17. September 2023

Macbeth, Oper von Giuseppe Verdi

Staatskapelle Berlin
Musikalische Leitung: Bertrand de Billy

Einstudierung Chor: Gerhard Polifka
Inszenierung: Harry Kupfer
Bühne: Hans Schavernoch
Kostüme: Yan Tax

von Dr. Ralf Wegner

Das Publikum kam natürlich wegen Anna Netrebko, der Sängerin mit dem einzigartigen Einfluss auf das Casting bei ihren Auftritten, möglicherweise auch auf die Regie, mit Sicherheit aber auf die Abendkasse. Noch können Höchstpreise aufgerufen werden, in Berlin waren die Macbeth-Aufführungen diesmal aber erst ganz zum Schluss ausverkauft gewesen. Das mag aber auch an der Furcht einer Absage liegen. Wer will schon den doppelten Preis für die Eintrittskarte zahlen, wenn eine weniger bekannte Sängerin die berühmte Primadonna ersetzt.

Rechtfertigt Frau Netrebko aber die hohen Eintrittspreise? Eine neben uns sitzende Dame meinte, so gut wie früher singe sie nicht mehr; andere meinen, so gut wie jetzt sei sie nie gewesen.

Anna Netrebko hat zweifelsohne ein mächtiges Organ mit prachtvoll den Raum flutenden Tönen. Die Frequenzspannweite ihrer Stimme ist enorm, wenngleich weniger die absolute Höhe für sich einnimmt, sondern vielmehr die untere Mittellage mit einem warmen, braungoldenen Klang. In der Höhe vermag sie aber immer noch mit strahlendem Glanz zu imponieren, auch verfügt Netrebko über eine beeindruckende Pianokultur. Manchmal schleudert sie die Töne auch fast unvermittelt in den Raum. Das beeindruckt, wirkt aber etwas wie Selbstzweck.

Manchmal wäre weniger mehr. Als Lady Macbeth macht sie optisch eine gute Figur, sie ist sichtbar schlanker geworden. Und sie weiß, wie sie wirkt und wie sie mit ihren überwältigenden Tönen ankommt. Auf der Bühne steht aber eine Anna Netrebko, die eine Lady singt, und weniger eine niederträchtige, bitterböse, innerlich zerfressene, nach Macht gierende und ihren Mann in den Wahnsinn treibende Megäre.

Staatsoper Berlin, MACBETH © Bernd Uhlig

Netrebko fehlt bei aller Opulenz der gesanglichen Darbietung das bedingungslose Verschmelzen mit der Rolle, der unbedingte Wille, sich mit ihrem exorbitant prächtigen Material zurückzunehmen und der inneren Empfindung stärkeren Ausdruck zu geben. Kann Netrebko mit ihrem Gesang zu Tränen rühren? Ich glaube nicht, jedenfalls nicht als Lady Macbeth. Wenngleich ich zugeben muss, die Schlafwandlerarie der Lady bisher auf der Bühne nie so schön gesungen gehört zu haben.

Luca Salsi war Netrebkos Partner. Mit schönem Klang, wenn auch nicht großem Farbreichtum gab er dem Macbeth Profil. Er verdingte sich voll dieser Partie und machte die Höllenqualen dieses Verbrechers auch stimmlich deutlich. Die interpretatorische Tiefe von Plácido Domingo in dieser Partie an diesem Orte (Fernsehaufzeichnung) erreichte er aber nicht, wenngleich Domingo altersbedingt und von der Stimmlage her nicht über die potenten gesanglichen Mittel Salsis verfügte.

Fabio Sartori, Luca Salsi, Anna Netrebko, Gerhard Polifka, Bertrand de Billy, Ferruccio Furlanetto (Foto: RW)

Die Partie des Banquo war mit dem 74-jährigen Ferruccio Furlanetto nicht mehr adäquat besetzt. Abgesehen von einem noch erträglichen, dem fortgeschrittenen Alter zuzuschreibenden stärkeren Vibrato fehlte dem Bass in der Mittellage bereits der notwendige Stimmklang. So übertrug sich kaum etwas von der Schönheit seiner letzten Arie (Come dal ciel precipita) auf die Zuschauer, nur im hinausgestoßenen Forte vermochte Furlanetto noch zu überzeugen. Leider litt auch die Arie des Macduff (O figli, o figli miei! … Ah, la paterna mano), gesungen von dem Tenor Fabio Sartori, an auffälligen Mängeln. Selten gelang ihm eine ungetrübte Tonbildung. Sein eher helles, etwas flach wirkendes Timbre wird auch nicht jedem gefallen haben.

Das Publikum hat aber ihn, wie vor allem auch Anna Netrebko und Luca Salsi mit Jubel überschüttet.

Dr. Ralf Wegner, 19. September 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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