Wiener Konzerthaus, 2. März 2020
Wiener Symphoniker
Martha Argerich Klavier
Foto: © Adriano Heitman
Lahav Shani Dirigent
Sergej Prokofiev, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 (C-Dur), op. 26
Sergej Rachmaninoff, Symphonische Tänze, op. 45
von Julia Lenart
Der Applaus will nicht enden, das Publikum im Wiener Konzerthaus ist begeistert. Anders war es bei diesem Programm nicht zu erwarten. Die Wiener Symphoniker luden Martha Argerich ins Konzerthaus. Die 78 Jahre alte Ausnahmepianistin brachte eine bemerkenswerte Interpretation des dritten Klavierkonzertes von Sergej Prokofiev zur Aufführung – inklusive überraschender Zugabe.
Ein kaum hörbarer, feiner Klarinettenklang bahnt sich den Weg durch den vollkommen stillen Großen Saal des Konzerthauses. Weitere Holzbläser mischen sich allmählich dazu, bis die Klänge den Saal einnehmen. Ein plötzlicher Umschwung in der Stimmung, die Musik wird hektischer. Die Streicher bereiten den Einsatz des Klavieres vor, spätestens dann kann sich kein Zuhörer mehr dem Bann der Musik entziehen. Man wird regelrecht in Prokofievs Komposition hineingezogen.
Das dritte Klavierkonzert ist keine unbekannte Kost. Für Martha Argerich, den Stargast des Abends, gehört es mit Sicherheit zum Standardrepertoire. Es ist ein technisch anspruchsvolles Werk, das zugleich der musikalischen Feinfühligkeit einiges abverlangt. Argerich versteht es, beide Facetten des Klavierspiels miteinander zu verbinden. Die technischen Stellen klingen nicht abgehackt und kühl, wie bei so manch anderen technikverliebten Kollegen. In einem unglaublichen Tempo fliegen ihre Finger förmlich über die Tasten und treiben das Orchester an. Dabei klingt alles so einfach und locker, gleichsam eines sprudelnden Bachs plätschern die Töne dahin. Es braucht zwar ein paar Takte, bis sich Orchester und Solistin zusammenfinden, doch spätestens im zweiten Satz bilden Klavier und Orchester einen harmonischen Klangkörper.
Argerich vermag es, die Musik zugleich sanft und doch bestimmt klingen zu lassen. Sie verführt in wundervolle Klangwelten, erzählt eine Geschichte, in der man sich als Zuhörer verliert. Die Wiener Symphoniker unter der Leitung von Lahav Shani beweisen unglaubliche technische Präzision. Das Konzert verlangt Genauigkeit. Jede noch so kleine Unachtsamkeit fällt auf. Doch die Musiker lassen sich zu keinen Nachlässigkeiten hinreißen. Sie spielen klar und präzise, drängen sich nicht unangemessen in den Vordergrund, sondern geben der Solistin genügend Raum. Den Applaus haben sich die Künstler, allen voran Argerich, verdient. Das ist Klassik auf höchstem Niveau. Die gemeinsame Zugabe mit Shani ist eine nette Überraschung: Sie spielen Ravels Laideronette (aus Ma mère l’oye) vierhändig am Konzertflügel.
Für den zweiten Teil des Abends wächst die Orchestergröße weiter an: Sergej Rachmaninoffs Symphonische Tänze stehen am Programm. Es ist sein letztes vollendetes Werk, in einer Zeit entstanden, als der Komponist schon selbst an seinem Schaffen zweifelte.
Lahav Shani, der seit einigen Jahren Gastdirigent der Wiener Symphoniker ist, leitet das Orchester mit viel Elan an. Dieses vielfältige Werk bedarf einiges an Energie und die steckt Shani ohne Frage hinein. Das Orchester zieht alle Register, deckt die komplette dynamische Bandbreite ab, baut Spannung auf, agiert wie ein perfekt aufeinander abgestimmter Klangkörper. Weder Ausreißer noch Ungenauigkeiten trüben die Interpretation. Es ist symphonische Musik vom Feinsten, die hier geboten wird.
Damit beweisen die Wiener Symphoniker abermals, dass sie in der obersten Liga mitspielen und Musikgenuss auf höchstem Niveau bieten können. Ein Lob gebührt natürlich der Solistin des Abends, Martha Argerich. Ihr Klavierspiel begeistert die Klassikwelt weiterhin, sie scheint nicht zu bremsen zu sein.
Julia Lenart, 3. März 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at