Fotos: © Herbert Hiess
Kooperation mit „Musiktheatertage Wien“ und dem Musikverein
Matthias Kranebitter: „Pandora“ – Eine Cyberreanimation des barocken Operntorsos von Royer und Voltaire
Konzept: Matthias Kranebitter
Regie: Michael Höppner
Heike Porstein (Sopran), Georg Bochow (Countertenor), Andreas Jankowitsch (Bariton), Astrid Schwarz (Sprecherin)
Black-Page-Orchester
Dirigent: Vinicius Kattah
Uraufführung am 20. September 2023 im Odeon Theater, Wien
von Herbert Hiess
Offenbar hat es der Komponist Joseph-Niclas-Pancrace Royer dem sympathischen Matthias Kranebitter recht angetan. In einem anregenden Gespräch erklärt er, wieso die Cembalo-Kompositionen von Royer ihn so faszinieren. Vor allem die Lebendigkeit und Virtuosität dieser Musik haben es Herrn Kranebitter sehr angetan.
Die Komposition dieses „Opern-Torsos“ von Royer, der eigentlich ursprünglich ein großer Misserfolg war und nur in einem privaten Rahmen zur Aufführung kam, soll eigentlich eine Ehrenrettung dieses Werkes sein.
Kranebitter entwickelte aus Voltaires Libretto und Royers Musik eher mehr eine Performance als eine Opernaufführung. Die Bühne wird dominiert von zwei großen Würfeln, die permanent von Projektionen bestrahlt werden.
Die Handlung ist recht rasch erzählt (man kann auch viel in PANDORA | Odeon Theater (odeon-theater.at) nachlesen); Prometheus will sein Geschöpf Pandora zum Leben erwecken, was ihm nicht gelingt. Mit Unterstützung von Jupiter gelingt es Prometheus, seine Angebetete zu erwecken, worauf Jupiter natürlich dann Pandora für sich will. Und mit dem Gefäß, der berühmten Büchse der Pandora, wird alles Üble rausgelassen. Und das Werk schließt mit einem wunderschönen lyrischen Abgesang an die Liebe.
Großartig aufgeführt und produziert; mit dem exzellenten Black Page Orchestra kann man überall auftreten; die Sänger waren durchwegs hervorragend.
Da und dort waren natürlich einige Skurrilitäten zu bemerken; am Anfang bei einer Art Pantomime und am Schluss wurde das Orchester von einem „phallusartigen“ Dirigierautomaten geleitet; natürlich war dazwischen Vinicius Kattah ein mehr als hervorragender Dirigent. Und das Orchester hat durchaus bewiesen, dass es auch ohne Dirigenten musizieren kann.
Natürlich war das Orchester nicht allein zu hören, sondern viel Elektronik dazu. Matthias Kranebitter hat viele Teile der Musik mit einem größtenteils selbstgestrickten Programm geschaffen.
Die Mischung zwischen Elektronik und Orchester und Sänger war ausgezeichnet; die Grundzüge der Musik waren immer „tonal“; d.h. man hat sich da immer wieder in der Welt des Quarten- und Quintenzirkels gefunden; man hat auch genau zwischen Dur und Moll unterscheiden können.
Fokussiert war die Produktion wie gesagt rund um Cembalos, Guillotinen und um die französische Revolution. Regiemäßig ist es dann etwas ausgeartet; das Öffnen der berühmten Büchse der Pandora hat darin bestanden, dass Prometheus und Jupiter frei nach Hermann Nitsch wie Schüttbilder behandelt wurden und von oben bis unten mit Farben angeschüttet – was eher gewisse Lacheffekte bewirkt hatte.
Diese Uraufführung war dem Applaus nach ein großer Erfolg und sie war tatsächlich sehr beeindruckend; gesungen wurde übrigens auf Französisch und die Übertitel waren nicht, wie auch online zu lesen ist, auf Deutsch, sondern auf Englisch. Was eigentlich in einem deutschsprachigen Land doch etwas verwundert.
Das Black Page Orchester und Matthias Kranebitter sind auf alle Fälle eine wertvolle Entdeckung und Bereicherung des Konzertalltages. Die Kooperation mit dem Wiener Musikverein ist ein wichtiger Schritt und man kann auf die weiteren Konzerte gespannt sein.
Herbert Hiess, 21. September 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
https://klassik-begeistert.de/?s=Wien
Wiener Philharmoniker, Jakub Hrůša, Dirigent Wolkenturm, Grafenegg, 3. September 2023