Foto: Der „Erfolgsmensch“ Jonas Kaufmann hat einen Video-Kursus aufgezeichnet © Dieter Roosen / MeetYourMaster
von Jürgen Pathy
Schlechte Nachrichten verkaufen sich am besten. Das wusste bereits Vladimir Horowitz. In einem Interview danach gefragt, warum die Gerüchteküche rund um seine Person zu kochen begann, antwortete Horowitz: Only bad news are good news. Zu Deutsch: Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. Vielleicht verfolgt Jonas Kaufmann dieselbe Strategie.
Von einer Absage zur anderen, von einer fragwürdigen CD zur nächsten. Da darf sich der deutsche Startenor nicht wundern, wenn man sein Schaffen mit kritischen Augen betrachtet. Aber keine Sorge: Dies wird kein Beitrag, der nur in Kaufmanns Richtung schießt. Dies wird kein Kaufmann-Bashing. Immerhin wird der gebürtige Münchner selbst unter Fachleuten heute noch als höchst professioneller Sänger gehandelt, der das Zeug hat, um zu begeistern. Jetzt vielleicht auch dich und mich.
Jonas Kaufmann als Gesangslehrer
In einem Onlinekurs, der auf meetyourmaster.de erschienen ist, zeigt uns der Opernstar, wie wir unsere Stimme neu kennenlernen und optimal einsetzen. Das verspricht zumindest der Einführungstext, der auf der Online-Plattform steht, auf der Promis wie Til Schweiger, Starkoch Alfons Schuhbeck oder eben Jonas Kaufmann ihre Berufsgeheimnisse offenbaren. Angeblich zumindest.
Glaubt man den wenigen Kommentaren, die freigeschaltet wurden, soll sich der Kurs generell lohnen. In den 19 Kapiteln, die insgesamt rund 520 Minuten dauern, erfahre man enorm viel. Nicht nur über Gesang, sondern über alle Aspekte, die man als professioneller Sänger berücksichtigen sollte. Darunter Themen wie Liedgesang, Opernhäuser und Regie.
https://www.youtube.com/watch?v=11zz-NjAQXw
Eher für Fans als für Sänger
Laut unabhängiger Rezensionen, die frei im Netz kursieren, soll der Kurs aber nicht ganz das halten, was er verspricht. Erstens sei der Kurs viel zu lang. Kaufmann hole jedes Mal weit aus, beginne ständig bei Adam und Eva, meint Timothy Sharp, der selbst als Gesangslehrer arbeitet und einen YouTube-Kanal betreibt. Und zweitens hätte er sich etwas mehr versprochen, sagt Sharp.
Vor allem bezüglich der Stimmtechnik soll Kaufmann kaum Neues verlautbaren. Ernüchternd, da der Trailer hoffen ließe, dass mehr in diese Richtung kommen könnte. „Wichtige Punkte, wie Kaufmann im Passaggio arbeitet, wie er mischt, oder wie sein Zugang zur Körperhaltung ist“, all das erfahre man von Jonas Kaufmann leider nicht, kritisiert Timothy Sharp.
Deshalb sei der Kurs weniger für Anfänger und Studenten geeignet, sondern eher für junge Profis. Vieles was Kaufmann bespricht, sei für die nämlich wirklich relevant, betont Sharp. Für Personen, die bereits eine Karriere haben, sei der Kurs hingegen weniger interessant. Die würden nichts Neues erfahren.
Die größte Zielgruppe seien jedoch Fans und Gesangslehrer selbst. Als solcher fühle er sich bestärkt in dem, was er jungen Studenten lehrt, lobt Sharp. Einige Dinge, die Kaufmann preisgibt, hätten ihn auch zum Nachdenken angeregt.
Am meisten lohne sich der Kurs dennoch für Fans. Erfährt man doch von der Kindheit bis heute vieles, was das Fan-Herz höher schlagen lässt. Für 89 € ist jeder dabei.
Im digitalen Zeitalter: Business as usual
Wer diesbezüglich also nicht so knausrig ist, wie ich, dem kann man den Kurs vermutlich empfehlen. Alleine schon, um Kaufmanns Bemühungen zu unterstützen. Immerhin dürfte die Produktion der Videos, die technisch auf höchstem Niveau gestaltet wurden, eine Menge verschlungen haben. Das kann man ruhig honorieren. Vor allem als Fan. Lässt es sich von Luft und Liebe alleine doch nur schwer leben.
Genau das ist der Punkt, weshalb man Kaufmanns Vorstoß ins Online-Geschäft nicht grundsätzlich verurteilen sollte. Das ist das moderne Geschäftsmodell. Mit der digitalen Gesangsstunde kann Kaufmann, der ein Faible für schnelle Autos hat, passives Einkommen generieren. Arbeite einmal, verdiene für immer daran. Aus dieser Perspektive muss man Kaufmann definitiv gratulieren. Vorausgesetzt, dass der Kurs die Ausgaben um ein Vielfaches wieder reinholen wird.
Ob er seinem Ruf schadet, das steht auf einem anderen Blatt. Aber da wurden schon andere Kaliber kritisiert, die sich auf vermeintlichen Abwegen bewegten. Luciano Pavarotti sei da nur erwähnt. Aber selbst wenn, dürfte es Kaufmann egal sein. Laut eigener Angaben liest er sowieso keine Kritiken. Denn ohne die Arbeit der Kritiker schmälern zu wollen, hätten Sänger sowieso eine relativ gut funktionierende Selbsteinschätzung, ist in einem Interview zu lesen. Und letzten Endes muss er ja irgendetwas richtig machen. Sonst hätte er nicht so viele Fans und Verehrer.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 7. Februar 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Diese Kurse sind reine Geldmacherei. Da wird nichts Neues offenbart. Und mal ehrlich: Ein Sänger, dessen Stimme so viele Mankos aufweist, will Singen lehren?
Unter den wirklichen Größen gibt es nur zwei, die das beherrschen und beherrschten: Giacomo Aragall und Carlo Bergonzi.
Wenn man sich die Initiatoren dieser Platform ansieht, dann wundert einen nichts mehr. Profis für den Gesang gibt es da nicht, eher Gala und das Grüne Blatt (gibt es das noch?).
Gesangslehrer, die die Bezeichnung verdienen, sind äußerst spärlich gesät. Und Kaufmann, der aus einfach allem Crèmeschnittchen machen will, gehört sicher nicht dazu. Viel Blabla und Langatmigkeit. Ein paar Weisheiten sind sicher richtig, aber die kann man bei Kesting (kein Lehrer) und anderen besser lesen.
Robert Forst
Mit Verlaub eine kleine, etwas pingelige Korrektur: Only bad news is good news.
Seit 100 Jahren eine zutreffende Weisheit für den Absatz der (damals nur gedruckten) Medien. Deshalb werden wir von bad news jeden Tag überschwemmt, denn es gibt so viel Katastrophen bei uns und natürlich auf der Welt, so dass man schon stark selektieren muss.
Die Frage ist, ob man auch Konzert- oder Operkritiken so ausstatten muss oder ob es auch sachlich geht. Vor knapp zwei Jahren setzte Jonas Kaufmann Mahlers „Lied von der Erde“ in der Elbphilharmonie zumindest akustisch in den Sand. Es gab Proteste aus dem hinteren Publikum und Kaufmann schäumte anschließend. Die Überschriften in der Presse wurden immer sensationeller und sogar die einst renommierte FAZ titelte ernsthaft „In der Elbphilharmonie hört man nichts“. Drei Wochen später zeigten die Münchner Philharmoniker und Valery Gergiev mit dem gleichen Stück wie es geht. Only bad news …
Johannes Capriolo
Dann lieber nicht singen können.
Michael Lehmler