Birgit Nilsson, Mirella Freni, Edita Gruberova, Plácido Domingo, Luciano Pavarotti: Der Hamburger Mediziner Dr. Ralf Wegner hat die großen Weltstars der Opernwelt seit Ende der 1960er-Jahre alle live erleben dürfen: vor allem in der Staatsoper Hamburg, die in den 1970er-Jahren noch zu den weltbesten Opernhäusern zählte und sich heute um Anschluss an die deutsche und europäische Spitze bemüht. Begeben Sie sich in ein wunderbares Stück Operngeschichte und reisen Sie mit in eine Zeit, die scheinbar vergangen ist.
von Dr. Ralf Wegner
Foto: Luciano Pavarotti, pininterest.com (c)
Was ist eine Lieblingsoper? Es gibt sicherlich nicht nur eine. Welches wären hierfür aber die Kriterien? Zum einen wohl die Häufigkeit der jeweils besuchten Aufführungen, zum anderen aber auch die Vorfreude auf den Abend in der Oper. Um bei Verdi zu bleiben: Auf La Traviata oder Rigoletto habe ich mich eigentlich nie so richtig gefreut, bin aber häufig begeistert aus der Vorstellung gekommen. Beim Troubadour oder Don Carlos war das anders, ebenso beim Maskenball oder bei Macbeth. Selbst wenn die sängerische Leistung, und die ist bei Verdi ja besonders wichtig, nicht so überragend war, fand ich einen Abend mit diesen Werken nie vertan.
Verdis Maskenball hat mit dem Troubadour und Don Carlos etwas gemeinsam: die Anzahl der Hauptrollen. Es sind jeweils fünf. Wenn da jemand ausfällt oder an dem Abend nicht so gut bei Stimme ist, reißen die anderen es möglicherweise heraus. So bei einer Aufführung des Maskenballs im Jahre 1973 mit einer allenfalls mäßigen Orianna Santunione als Amelia und einer Ulrica, die ich mir nicht einmal notiert habe, aber mit einer Bombenbesetzung der beiden männlichen Hauptpartien, dem Bariton Sherrill Milnes und dem Tenor Luciano Pavarotti.
Die Ulrica war wohl so unbedeutend, dass sie nicht einmal in der umfangreichen Zusammenstellung von Joachim Wenzel (Geschichte der Hamburger Oper 1678-1978) erwähnt wurde. Bei den Nachforschungen stieß ich auf das alte Jahresprogramm der Saison 1972/73. In jener Saison wurden noch 53 verschiedene Opern aufgeführt (5 x Mozart, 7 x Strauss, 7 x Verdi, 9 x Wagner). Allein die Liste der damals u.a. engagierten international führenden Sopranistinnen ist neiderregend: Martina Arroyo, Montserrat Caballé, Mirella Freni, Birgit Nilsson, Leontyne Price oder Renata Scotto. Warum dann ausgerechnet Orianna Santunione als Amelia besetzt wurde, bleibt das Geheimnis des damaligen Intendanten Rolf Liebermann.
Sherill Milnes hörte ich 1977 noch einmal als Renato, allerdings mit nicht so überwältigen anderen Sängerinnen und Sängern, mit Ausnahme von Sona Ghazarian, die als Oscar besetzt war. Überhaupt scheint die Besetzung der Amelia ein Problem zu sein. Von den 15 gehörten und gesehenen Protagonistinnen entsprachen allenfalls sechs den Anforderungen, die man an diese Partie stellen könnte: Angefangen mit Aase Nordmo-Lövberg bei einem Gastspiel der Stockholmer Oper 1965, der als Amelia unübertroffenen Montserrat Caballé (1983) sowie Michèle Crider (2002), Iano Tamar (2002), Latonia Moore (2009) und Carmen Giannattasio (2019). Letztere bezauberte bei dunkel grundiertem Spintosopran mit schönen Schwelltönen, berührenden Piani und meisterlich ausgesungenen Bögen.
Überhaupt gehörte diese letzte von mir gesehene Aufführung zu den wenigen durchgehend hochrangigen Maskenball-Vorstellungen. Ramon Vargas‘ Stimme als Gustavo verfügte über einen beträchtlichen, gestalterisch einsetzbaren Farbreichtum, Judith Kutasi war eine auch noch in der Tiefe sonor klingende Ulrica, die der Rolle Würde und Mitgefühl zugleich verlieh, Katharina Konradi meisterte die zahlreichen Koloraturen des Pagen mit hellem, tragfähigen und glasklaren Sopran und selbst Kartal Karagedik (Renato) wurde von den Leistungen der anderen angesteckt und sang mit schöner Farbmodulation die Arie „Eri tu“, bei der es sich, zumindest wohl musikalisch, weniger um eine Rache- als eine Liebesarie handelt, die offenbar nicht seiner Frau Amelia, sondern dem verlorenen Gustavo gilt.
Neben Ramón Vargas und dem bereits erwähnten Luciano Pavarotti war auch Franco Bonisolli (1983) ein herausragender Gustavo, außerdem Neil Shicoff (2004), der zudem darstellerisch bezwingend spielte. Als Renato überzeugten mich neben der Spitzenbesetzung mit Sherrill Milnes noch Giorgio Zancanaro (1983), Mark Holland (2002), Ambrogio Maestri (2007), George Petean (2008) und Alexandru Agache (2009).
Im Nachhinein verwundert mich tatsächlich, wie viele Sängerinnen und Sänger sich im Maskenball versuchten und danach mit diesen Rollen kaum noch auftraten, zumindest nicht wiederholt an der Hamburgischen Staatsoper. Leichter ist wohl die Partie des Oscar, damit reüssierten u.a. auch Julie Kaufmann (1983), Hellen Kwon (2001-2004), Ha Young Lee (2008) und Christina Gansch (2015). Außerdem war Alexander Tsymbalyuk (2009) in der kleinen Partie des Grafen Horn eine Spitzenbesetzung.
Es blieb mir bisher nicht vergönnt, Verdis Maskenball an einem anderen Haus als der Hamburgischen Staatsoper zu sehen. Deshalb ist der Vergleich von Inszenierungen und Bühnenbildern schwierig. Die jetzige Inszenierung (Alexander Schulin) stammt aus dem Jahre 2001. Bei dem Bühnenbild (Richard Peduzzi) handelt es sich um das Innere einer großen grauen Bretterbude, die sowohl als Marktplatz, Friedhof und Ballsaal dient. Vor allem das Friedhofsbild irritiert. Amelia muss sich auf recht dunkler Bühne über schmale Bretterstege quer über die Bühne bewegen und dabei noch singen. Wie kann ein Regisseur den Sängerinnen und Sängern solche turnerischen Übungen überhaupt zumuten?
Diese sollten sich doch eigentlich voll auf ihren Gesang konzentrieren. Auch das Klettern über Leitern wie in der aktuellen Hamburger Walküre (Brünnhilde, dritter Aufzug) oder auf einer Drehscheibe laufend eine Arie zu absolvieren (Ottavio in Don Giovanni) zeugt von wenig Rücksichtnahme – nicht nur auf die Vortragenden, sondern auch auf das die Szenerie sorgenvoll beobachtende Publikum. Warum sich der Regisseur zudem für Verdis Oper einen Hofball mit schwarzgekleideten Damen und als deren Begleiter weißgewandete, an Chefköche mit Haube erinnernde bucklige Männer ausgedacht hat, erschließt sich mir immer noch nicht.
Ralf Wegner, 24. April 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Guten Tag!
Der kurzfristige Ersatz der Ulrica im „Maskenball“ war Ursula Boese. Da die vorgesehene Ulrica (Montserrat Aparici) eine Woche vor der Premiere beim Publikum in totale Ungnade gefallen war. Sie war wirklich fürchterlich….ein Buhorkan wie noch nie von mir so gehört.
B. Volmer
Leider fehlte da etwas. Montserrat Aprarici sang am 25.3.1973 die Azucena, Sheril Milnes (Luna)
Oriana Santunione (Leonore), Amadeo Zambon (Manrico) unter Giuseppe Patane`.
Hans-B. Volmer