Foto: © Stift Klosterneuburg / Hannes Sallmutter
Stiftskirche, Klosterneuburg, 21. Oktober 2018
MOMENTUM Vocal Ensemble, Chor
Simon Erasimus, Leitung
Claudio Monteverdi, Messa a quattro voci da Capella (1650 posthum)
Arvo Pärt, The Deer’s Cry
Anton Bruckner, Os Justi
von Lukas Sehr
Es macht immer Freude, Musik an passenderen Orten als nur im Konzertsaal zu hören: Das Stift Klosterneuburg bietet wunderbare akustische Voraussetzungen und ist auch optisch eine wahre Augenweide. Am 29. Sonntag im kirchlichen Jahreskreis haben Mitglieder des Stimmenkollektivs MOMENTUM, unter der Leitung von Simon Erasimus, dort die heilige Messe mitgestaltet.
Beim Konzil von Trient (1545-1563) waren weitreichende Reformen zur Entschlackung der katholischen Kirche beschlossen worden. Unter anderem wurden der Missbrauch im Ablasswesen und bischöfliche Ämteranhäufungen verboten. Womöglich regte der Mailänder Kardinal Federico Borromeo an, in der Kirchenmusik künftig auf größere Textverständlichkeit wert zu legen. Die zeitgenössischen Komponisten nahmen die Herausforderung an und suchten neue Ausdrucksformen in einer Abkehr von der strengen Vokalpolyphonie und der Entwicklung des Generalbasses.
Die Messa a Quattro Voci da Cappella von Claudio Monteverdi ist ein 1650 posthum veröffentlichtes Werk voller brillanter Einfälle. In ihr kontrastieren imitatorische Momente die rhythmisch prägnante (dem Textverständnis zuträgliche) Homophonie. Auch harmonisch wird der Zuhörer in diesem spannenden Werk oft überrascht und verführt.
Das 2017 gegründete MOMENTUM Vocal Ensemble, dessen Entwicklung ich von Beginn an verfolgen durfte, überzeugt immer mit atemberaubend guter Intonation. Simon Erasimus erschafft ein ausgewogenes Klangbild von ätherischem Glanz. Nicht jeder Tempowechsel sitzt, aber das Vokalensemble musiziert harmonisch und mit viel Liebe für sein aufmerksam lauschendes Publikum.
Zur Gabenbereitung wurde The Deer’s Cry dargeboten, ein Werk des zeitgenössischen estnischen Komponisten Arvo Pärt, 83, aus dem Jahre 2007 – ein für ihn untypisch schlichtes Werk. Auch wenn der Chor zuweilen körperlichere Klänge hat vermissen lassen, erschufen die gedeckte Dynamik und die makellose Intonation eine geheimnisvolle Stimmung.
Nichtsdestotrotz konnte mich das Os Justi (Bruckner 1879), das spontan zur Kommunion gesungen wurde, zu Tränen rühren. Schade, dass der Klosterneuburger Organist die anschließende Stille offenbar nicht aushalten wollte – oder konnte – und allzu bald schon den nächsten Gemeindechoral einleitete. Auch wirkte die Liturgie ein wenig blutarm. Eine willkommene Bereicherung hingegen waren die virtuosen Sänger der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, denen das Publikum auch mit viel Applaus dankte.
Das MOMENTUM Vocal Ensemble ist einer der spannendsten jungen Chöre im deutschsprachigen Raum, dessen weitere künstlerische Laufbahn man freudig-gespannt erwarten darf – und unbedingt verfolgen sollte. Im Januar des kommenden Jahres wird in »A Life in Music« ein Bogen über 500 Jahre Musikgeschichte geschlagen. Außerdem gibt es eine Zusammenarbeit mit dem Moritz Weiß Klezmer Trio.
Lukas Sehr, 26. Oktober 2018, für
klassik-begeistert.at und klassik-begeistert.de
MOMENTUM Vocal Ensemble
Sopran: Hannah Fheodoroff, Barbara Neubauer
Alt: Elisabeth Kirchner, Magdalena Janezic
Tenor: Dominik Krenn, Simon Pibal
Bass: Maximilian Schnabel, Manuel Auer