Foto: Mozartfest, Residenz-Würzburg © Dita Vollmond
Was für ein allumschlingender, doch seidensanfter Klang schwingt in der Luft, wenn Anneleen Lenaerts die tiefen Seiten ihrer Harfe mit voller Liebe durch diesen prächtigen Barocksaal der Würzburger Residenz schwingen lässt! Die Decken mit feinem Gold geschmückt, die wahre Kost aber klingt in der Luft. Auf diesem engelgleichen Harfenklang kann die Königin der Liedkunst, Christiane Karg, ihren Gesang mit voller Liebe entfalten!
Residenz Würzburg, Kaisersaal, 10. Juni 2023
Mozartfest Würzburg
Christiane Karg, Sopran
Anneleen Lenaerts, Harfe
Werke von Claude Debussy, Wolfgang Amadé Mozart, Ottorino Respighi und Richard Strauss
von Johannes Karl Fischer
Schon nach vier Debussy- und sechs Respighi-Liedern ist man gänzlich im emotionalen Strudel dieser Musik mitgerissen. So lassen sich die holden Düfte des Barockgartens in der Pause richtig goutieren… wunschlos glücklich nehme ich meinen Platz zur zweiten Hälfte ein. Doch dann beginnt die Kunstlied-Königin Christiane Karg mit Richard Strauss zu zaubern. Und schon hat sich der emotionale Wildwasserbach in die reißenden Fluten einer rauschvollen Liebeshochsee verwandelt…
Diese ganz fein gewählten acht Richard Strauss Lieder klingen wie eine furiose Vorsetzung des Rosenkavaliers. Als hätte der Graf Octavian seine Sophie-Phase hinter sich gelassen und sein Herz würde nun in voller Glut wieder für die Marschallin brennen. Schon im ersten Lied „Zuneigung“ quält sich das lyrische Ich fern von seiner teuren, geliebten Seele. Da spürt man das volle Feuer eines verliebten Herzens.
Und diese Sängerin steigert mit ihrem fesselnden Sopran die Emotionen immer weiter bis in völlig unvorstellbare Höhen. Mit jedem Lied denkt man, das kann nicht noch packender, noch rührender werden. Aber die Freude dieser Melodien wird immer stärker. „O Glück“, so der Text. O Glück, wenn diese Stimme in meine Ohren eindringt.
Das kann man nur noch mit einem Werk übertreffen… die Vier Letzten Lieder, ebenfalls von Richard Strauss. Zum vierten Mal in dieser Spielzeit höre ich nun diese zauberhaften Tondichtungen – sorry, vertonten Gedichte. Und auch dieses Mal schwebt der Gesang in seidensanften Bögen durch die Luft.
Mit einem Unterschied: Anstatt des üblichen Orchesters wird die Sängerin heute von einer Harfe begleitet. Die tiefen Seiten dieses Engelsinstruments resonieren mit voller Liebe durch den Saal, dass einem der ganze Körper zu schwingen beginnt. Und das alles mit einem weichen Klang, der stets die Sängerin ganz sanft streichelt. „Wie sind wir wandermüde – ist dies etwa der Tod?“, nun scheint man völlig in seiner himmlischen Fantasie zu versinken.
Fantasievoll gelingen auch die Debussy-Lieder zu Beginn des Konzerts. Ob einen nächtlichen Sternenhimmel oder einen flimmernden Springbrunnen, mit dieser Musik malen die beiden Künstlerinnen farbenfrohe Klangbilder in dem Raum. Auch ein musikalischer Dialog für eine Stimme kommt zu Gehör, hier beginnt der Gesang zu ersten Mal richtig zu packen. Das ist die hohe Liedkunst, zwei Stimmen in einer!
Mit sechs Liedern von Ottorino Respighi steht auch die wunderbare Musik des leider viel zu selten gespielten Italieners aus dem Programm. Diese höchst innerliche Musik erzählt in sechs Zeilen mehr als viele Opern in sechs Arien! Da muss man fast schon weinen, wenn hier das dunkle Tal oder der Duft eines toten Veilchens musikalisch zum Klingen kommt. Weil’s gar so schön ist.
Und auch Mozart selbst darf bei einem Mozartfest wohl kaum fehlen. Zwei wunderbare Klavier-Fantasien – natürlich in Harfen-Bearbeitung – runden die Vielzahl an farbenfrohen Kunstliedern ab. Als würde diese federleichte Musik zwischen den Blumen des Schönbrunner Schlossparks wie ein zwitschernder Vogel hinweg schweben. So sanft war Mozart noch nie!
Anneleen Lenaerts beweist die Harfe also nicht nur als ideale Begleitung des Kunstlied-Gesang, die Solo-Harfenistin der Wiener Philharmoniker schenkt den Mozart’schen Fantasien auch noch eine auf dem Klavier völlig unerreichbare Luftigkeit. So kann Christiane Karg ihre Liedkunst voll entfalten! Der Salzburger Meisterkomponist wäre zweifellos begeistert gewesen. Und die Wiener Philharmoniker bleiben in Sachen Richard Strauss unangefochten!
Johannes Karl Fischer, 11. Juni 2023 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at