Romeo & Julia © Jörn Hartmann
Seit März 2023 gibt es dieses Musical in Berlin. Ich strafte es seitdem mit Nichtachtung. Ich dachte, die Geschichte von „Romeo und Julia“ sei auserzählt. In Oper, Musical und Film. Doch am Theater des Westens haben sie es geschafft, den Shakespeare-Stoff, ohne ihn zeitlich zu verändern, in ein neues Gewand zu packen. Mit klassischen Dialogen und viel guter Musik. Gerade wurde die Aufführungsserie bis Februar 2026 verlängert.
Große Liebe und die bekannten Todesfälle bei „Romeo & Julia“ in Berlin
ROMEO & JULIA – LIEBE IST ALLES
Musical von Peter Plate und Ulf Leo Sommer (Musik und Liedtexte)
und Joshua Lange (Musik)
Nach der literarischen Vorlage von William Shakespeare
und der Übersetzung von August Wilhelm von Schlegel
Uraufführung im Theater des Westens, Berlin, am 19. März 2023
Regie: Christoph Drewitz
Choreografie: Jonathan Huor
Es spielt die „Capulet-Kapelle“ unter Leitung von Robert Paul
Theater des Westens, Berlin, 13. Juli 2025
von Ralf Krüger
Für alle, die wie ich in der Schule nicht aufgepasst hatten, klärt sich nun endlich die Sache mit der Nachtigall und der Lerche. Das Publikum erlebt die Liebesnacht von Romeo und Julia. Der junge Mann hat zu diesem Zeitpunkt schon seinen Widersacher Tybalt im Duell getötet und ist aus Verona verbannt worden. Mit Hilfe von Pater Lorenzo und Julias Amme ist es den frisch Vermählten vergönnt, wenigstens diese einzige Nacht gemeinsam in Julias Zimmer zu verbringen. Wecker oder Wanduhren sind noch nicht erfunden, so erzählen die Vogelstimmen, was die Stunde geschlagen hat. Nein, die Lerche singt noch nicht ihr Ständchen, es ist noch Nacht und die Liebenden haben noch Zeit.
Es bereitet dem Musical-Besucher sichtliches Vergnügen, solch feinsinnigen Dialogen zu lauschen. Man hat sich am Theater alle Mühe gegeben, originale Texte aus der Zeit Shakespeares (in deutscher Übersetzung) in die Handlung einzubauen. Das klingt keineswegs altbacken, eher frisch und freundlich, so wie ich es mir für unsere Alltagssprache wünschte. Eine Freude ist es, Julias Monolog auf dem Balkon zu folgen. Sie schwankt noch in ihren Gefühlen zu Romeo und hofft, dass ihre Liebe vielleicht den immerwährenden Krieg ihrer Familien, den Capulets und den Montagues, befrieden kann. Romeo ist in dieser Szene der schüchterne und über beide Ohren verliebte Jüngling, der sich nicht traut, die Schöne auf dem Balkon anzusprechen.
Laura Schatz und Alexander Hartmann geben an diesem Sonntagnachmittag das vielleicht berühmteste Liebespaar der Literaturgeschichte mit großer Spielfreude und einer stimmlichen Brillanz, die bei den vielen Dialogen, die sie lernen mussten, wirklich überrascht und begeistert.
Die Musik in diesem Musical ähnelt dem Sound und der Vita von Rosenstolz. Das titelgebende Liebe ist alles von 2004 ist direkt von Rosenstolz übernommen worden und war in Deutschland und vor allem in Österreich lange Zeit in den Charts der populären Musik. Peter Plate, heute gemeinsam mit Ulf Leo Sommer künstlerischer Intendant des Theaters des Westens und Autor des Musicals, war der eine Teil des Duos Rosenstolz. Die Sängerin AnNa R. der andere. Sie starb in diesem Jahr mit 55 Jahren und löste berlinweit eine Welle von Trauerbekundungen aus. An den Eingängen zum Theater des Westens in der Kantstraße gibt es eine kleine „Pilgerstätte“ mit ihrem Bild und der Möglichkeit Blumensträuße niederzulegen.

Die knapp 25 Musikstücke sind allesamt gefällig im Sound. Es ist die bunte Musical-Mischung aus Balladen, rockigen Titeln und großen Ensemble-Nummern, die man erwartet. Die Härte des Krieges zwischen den befeindeten Familien im damaligen Verona wird durch eine eindrucksvolle Kampf-Choreografie auf die Bühne gebracht, bei der alle Beteiligten eine Art Teleskop-Stange durch die Gegend schwingen. Da rockt wirklich dieses alte Haus bis runter in die Fundamente und man möchte wissen, wie lange das Ensemble an der Perfektion dieser Kriegstänze wohl geübt haben mag.
Die Amme Julias in ihrer nicht zu übersehenden Ammentracht ist die „komische Nummer“ in diesem Stück und hat mit den Titeln Hormone und Jung sein für mich die größten Hits. Publikumsliebling Steffi Irmen brilliert seit der Uraufführung in dieser Rolle. Wir erleben Maike Katrin Merkel und nach einer Umbesetzung Nadine Lauterbach in dieser Rolle – sicherlich genau so lustig und tollpatschig gespielt, wie man sich eine Amme eben vorstellt.

Eine besondere Rolle in der Handlung von Romeo & Julia – Liebe ist alles spielt der Todesengel. Wenn ich richtig gezählt habe, betrauern wir im Laufe der knapp drei Stunden vier Todesfälle und da muss es jemanden geben, der die Strippen in den Händen hält. Sander van Wissen spielt diese große Gestalt, den Verwalter des Todes, und hat mit Celebrata Culpa vor der Pause ein gesangliches Meisterstück zu bewältigen.
Wie der deutsche Musical-Produzent Stage Entertainment auf seiner Website bekannt gab, wird Tom Neuwirth alias Conchita Wurst in einigen Vorstellungen im November 2025 diesen Todesengel spielen und sicherlich ein paar Euro mehr in die Kassen spülen – hoffentlich in die des Berliner Theaters.
Als Berliner merke ich, dass auch in dieser Stadt manchmal das Gute so nahe liegt. Meine Frau und ich sind mit keinen großen Erwartungen in dieses Musical gegangen und beklatschten und bejubelten es am Ende wie die vielen anderen Zuschauer auch.
Peter Plate und sein Team sind in der Lage, den verloren geglaubten Titel für Berlin als „Musicalstadt“ so langsam wieder zurück zu erobern.
Ralf Krüger, 15. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Das Musical „Romeo & Julia – Liebe ist alles“ im Berliner Theater des Westens ist noch bis Februar 2026 zu erleben – immer dienstags bis donnerstags und an den Wochenenden. Das aus dem Stück heraus entstandene Spin-off „Die Amme“, eine „One-Woman-Show“ mit Steffi Irmen, wird immer freitags gespielt.
Kurt Weill, Tom Sawyer Komische Oper im Schillertheater, 20. Mai 2025